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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 8
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Clauß, Joseph: Zur Baugeschichte der Kirche von Kaysersberg im Elsaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0133

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233

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

234

Zur Baugeschichte der Kirche von Kaysersberg im Elsaß.

(Mit Abbildung.)

w» er Ruf von Kaysersberg als eines
V\ | der landschaftlich wie kunstge-
W k ' schichtlich interessantesten Städt-
™U chen des gesegneten Elsasses ist
längst gemacht1). Am Eingange des engeren,
nach ihm benannten Tales in pittoresker
Anmut gelegen, bergen seine Mauern, trotz
der zerstörenden Stürme verflossener Zeiten,
der Kunstschätze genug, um den Reisenden
für einen Besuch reichlich zu entschädigen.
Wetterhart wie der Granitfels, auf dem er
steht, überragt der alte Rundturm der
einstigen Kaiserburg als richtiger Bergfried
die ruinenhaften Umfassungsmauern des
Schlosses und des Städtchens, unten im
Tal lösen ihn zwei andere Rund- und zwei
Vierecktürme der Befestigung ab. Eng
schmiegen sich an den' Fuß des Burgfelsens
die alten und neuen Häuser, von denen
nicht wenige früheres Leid mit ihm geteilt.
Hier findet der kunstliebende Wanderer eine
Menge der schönsten Holzhäuser, einfaches
Sparrenwerk auf solidem, mitunter dem
XIII. Jahrh. entstammenden Steinunterbau,
ebenso wie die reichsten Schnitzereien der
Renaissance mit den köstlichsten Details in
Blatt ornament und grotesken Menschen-
masken.

Reicher und bedeutsamer noch in jeder
Hinsicht erscheint die religiöse Kunst
an und in der Pfarrkirche, den Kapellen
St. Michael, St. Wolfgang und St. Marien im
Oberhof. Die Hauptkirche, hart am Fuße
des Burgberges, ist ein alter Bau, zwar erst
nach 1227 — das ist das Gründungsjahr des
Ortes — begonnen, aber noch in den etwas
schwerfällig-schmucklosen Formen des roma-
nischen Übergangsstils. Die ursprüngliche
Anlage kann man sich nach den deutlichen
Spuren an der Westfassade und ähnlichen
gleichzeitigen Bauten im Elsaß ziemlich
genau vorstellen, trotz der vielen späteren
Veränderungen. Eine dreischiffige Basilika
mit kaum hervortretendem Transsept wird
im Gegensatz zur türm- und schmucklosen
Fassade beherrscht von dem mächtigen,
quadratischen Glockenturm über der Vierung,
eine ganz elsässische Disposition. Daran
schloß sich nach Osten ein erhöhtes Vorjoch

l) Vgl. mein 1902 erschienenes Werk: >Das alte
Kaysersberg«. Erläutert mit 18 Taf. und Textabb.

und eine wohl halbrunde, kleine Chorapsis.
Die Seitenschiffe entbehrten vermutlich der
Apsiden, ihre Stelle vertraten quadratische
Anbauten zum Sakristeigebrauch. Bedeutend
beeinflußt ist die Kaysersberger Kirche im
Grundplan wie in den Details von der
St.-Peter- und Pauls-Basilika im nahen
Sigolsheim (1170—90), die wiederum eng
mit der älteren Benediktinerkirche Alspach,
hinter Kaysersberg (ca. 1148), zusammen-
hängt. Man betrachte in Sigolsheim die
drei Schiffsjoche mit ihrer langgestreckten
Kreuzwölbung, das nicht ausladende Quer-
schiff, die nebeneinandergerückten Ober-
lichter des Langhauses, hauptsächlich das
Westportal und seine Skulpturendetails:
schlanke Säulchen, Adlerkapitell, die mit
Kugelknöpfen besetzten Gewändekanten, die
zierliche Palmettendekoration der Kämpfer,
die sich über das Portal hinaus an der Wand
fortsetzt, dies alles findet sich genau wieder
an der Kirche von Kaysersberg. Letztere
hinwieder repräsentiert eine fortschreitende,
selbständige Entwickelung, bedingt einerseits
durch die Notwendigkeit größerer Raum-
verhältnisse, andererseits durch die vorwärts-
drängende Gestaltung des Übergangsstils.
Die gewölbetragenden Pfeiler zeigen eine im
Vergleich mit Sigolsheim umgekehrte An-
lage : die Gurtbogen ruhen auf starken Drei-
viertelssäulen, die Diagonalrippen hingegen
auf den flachen Unterlagen. Das Wand-
gesims ist bedeutend höher gestellt und
als Fortsetzung des einfachen, gekehlten
Kämpfers der Hauptdienste aufgefaßt. Die
Arkaden sind verschieden: im ersten Joch
vorn durch Rundsäulen geteilt, in den zwei
westlichen große Rundbogen, die auf Halb-
säulen mit skulptierten Kapitellen aufsteigen.
Die ersten Arkadenbogen sowie die Gurten
und die noch beibehaltenen Schildbogen sind
gebrochen. Auch die Gewölberippen weisen
eine kleine Verschiedenheit auf. In den
beiden ersten Jochen und der Vierung sind
sie flach mit Rundstäben eingefaßt, im
letzten Joch abgeschrägt2). Interessant sind

. 2) Die Beschreibung bei Kraus, »Kunst und Alter-
tum im Elsaß«, II 195 ff., ist mehrfach ungenau, die
bei Polaczek, »Der Übergangsstil im Elsaß« (1894)
S. 14 ungenügend. Beide set2en den Bau in das ausgehende
XII. Jahrh., letzterer noch näher in das dritte Viertel
desselben. Das beweist, wie mißlich immerhin eine
 
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