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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 20.1885

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Heft 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.61341#0308
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Hrst 13.

Das Buch für Alle.

311

.zu machen haben, das zu ihrem Unterhalt bestimmte
gedörrte Fleisch, die Xarque, transportiren. Sie legen
es nämlich unter den Sattel ihres Reitthieres, was
sehr leicht angeht, da die Xarque in ziemlich dünnen,
großen Platten zum Verkauf kommt — da wird es
schön mürbe.
Eine große Rolle spielt in Brasilien das Doce,
darunter versteht man kleineres süßes Backwerk der
verschiedensten Art, in dessen Zubereitung die Negerinnen
eine bedeutende Geschicklichkeit besitzen. Manchmal be-
fassen sich auch die Töchter des Hauses mit der Her-
stellung desselben; sie lassen es dann Wohl durch Neger
auf der Straße verkaufen, und der Erlös dafür ist ihr
Nadelgeld. Dieses Dow ist eine so nationale Speise,
daß sich selbst die Tagesblätter mit demselben be-
schäftigen, denn man findet häufig in ihnen neue
Rezepte zur Herstellung von Doce angegeben.
Die Kindererziehung läßt sehr viel zu wünschen
übrig; die Eltern sind im Allgemeinen zu gleichgiltig
und zu bequem, als daß sie sich mit solchen Dingen
befassen möchten; dazu hat man ja Sklaven. So sind
denn in der Regel Negerkinder die Gesellschaft, in der
die Kinder aufwachsen. Hat der Knabe in der Schule
die absolut nothwendigen Elementarkeuntuisse sich er-
worben, so kommt er, falls er nicht studiren will, in
ein Geschäft und ist nun so ziemlich sein eigener Herr,
denn er verdient ja selbst Geld. Auch der Lehrling
wird in Brasilien besoldet. Die jungen Damen
bleiben nach dem Verlassen der Schule, in der sie
möglichst wenig gelernt haben, zu Hause, beschäf-
tigen sich mit Nichtsthun, machen ein wenig Musik,
besuchen möglichst viele Bälle und harren der Zeit,
bis ein junger Mann kommt und um ihre Hand
bittet. Selbstverständlich muß der Bewerber möglichst
reich sein oder doch ein gutes Einkommen haben, damit
die Dame ganz nach ihrem Geschmack leben kann. Nicht
die Eltern der Braut haben das Heim des jungen
Ehepaares auszurüsten, vielmehr ist dies Sache des
Bräutigams. Hochzeitsreisen sind in Brasilien, beim
Mittelstand wenigstens, unbekannt; sie würden sich bei
den großen Entfernungen und bei den Unbequemlich-
keiten des Reisens in einem mit nur wenigen Verkehrs-
mitteln ausgestatteten Lande auch nur schwer ausführen
lassen.
Ein eigentliches Familienleben in unserem deutschen
Sinne, eine germanische Häuslichkeit ist den Brasi-
lianern gänzlich fremd. Und doch haben sie Verstand-
niß und Sinn dafür; es geht das daraus klar hervor,
daß sie Heirathen mit Deutschen sehr Wohl zu schätzen
wissen. Ein deutscher Schwiegersohn ist wenigstens in
Süd-Brasilien gern gesehen, und junge Brasilianer
würden wohl auch noch viel häufiger als jetzt deutsche
Mädchen heirathen, wenn diese Letzteren mehr Lust
dazu bezeigten, was aber glücklicher Weise nicht der
Fall ist.
Uebrigens bestehen schon zahlreiche Familienbeziehun-
gen zwischen Deutschen und Brasilianern, und der freund-
schaftliche Verkehr zwischen den beiden doch so verschieden-
artigen Nationalitäten läßt durchweg nichts zu wün-
schen übrig. Der gebildete Brasilianer erkennt sehr wohl
mancherlei Vorzüge des Deutschen, er weiß, daß er
viel zum Fortschritt des Landes beigetrageu hat, und
in einsichtsvollen Kreisen wünscht und hofft man daher
eine verstärkte deutsche Einwanderung. Und darauf
hoffen auch die deutschen Kolonisten Süd-Brasiliens,
denn sie wissen Wohl, daß, soll aus dem jungen
Deutschthum Brasiliens etwas Tüchtiges werden und
die Kinder und Kindeskinder deutsch bleiben, aus der
alten Heimath immer wieder neuer Zufluß nach „drü-
ben" hinüberfließen muß.

(Nachdruck verboten.)
Eine merkwürdige Disputation. — An den Hof
Jakob's I. von England kam ein spanischer Gesandter, Don
Alvarez de Vegas, ein Mann von außerordentlicher Gelehr-
samkeit, der den absonderlichen Gedanken hegte, eine Zeichen-
sprache zu erfinden, in der sich die Gelehrten aller Länder
und Zungen ihre höchsten und tiefsten Gedanken mitzutheilen
im Stande seien. Bei Tafel des Königs brachte er die Rede
auf seinen Lieblingsgedanken und fragte, ob man ihm nicht
irgend Jemanden im Lande nennen köunie, der sich mit einer
gleichen Idee beschäftigt hätte, und gleich ihm Meister in der
Zeichensprache märe. Er fügte hinzu, daß er hier ganz be-
stimmt eine Förderung seines Planes erwarte, da England
an Gelehrten aller Art so reich märe und sich sicher ein
Mann unter ihnen finden werde, der ihm nützen könne. Der
König, durch diese Worte geschmeichelt und selbst ein Freund
der Wissenschaft, bedachte sich nicht lange und antwortete mit
Ja. — „Und ivo lebt dieser große Mann," erkundigte sich der
Spanier. — „In Glasgow lehrt er an der Universität,"
versetzte der König schnell, denn ans Glasgow hielt er große
Stücke, und wenn etwas ihm irgend wo möglich erschien, so
war es dort. Augenblicklich beurlaubte sich Don Alvarez
vom König und reiste nach der genannten Universität. Ihm
voraus schickte aber Jakob einen Kurier dahin und ließ
Senat und Kuratorium wissen, was vorgegangen sei und
sich noch ereignen solle. Der Gesandte kam in Glasgow an:
sein erster Gang war zur Universität, wo er sich sofort nach
dem Professor der Zeichensprache, wie er ihn nannte, erkun-

digte. Man theilte ihm mit, derselbe sei verreist, wohin
wisse man nicht, aber jedenfalls sei er auf einer Forschungs-
reise. Er würde warten, sagte der Gesandte, Wochen, Mo-
nate und, wenn es sein müßte, Jahre lang. Die Professoren
waren nun in der hellsten Verzweiflung und beriethen lange,
was nun zu thun sei, denn man mochte des Königs Gunst
keinenfalls verscherzen; endlich trat ein junger Jurist auf und
meinte, der Wunsch des spanischen Gelehrten komme ihm zwar
über die Maßen komisch und lächerlich vor, aber wenn ihm
Jemand Stand halten könnte, so sei es der einäugige Fleischer
Jack Nilson, der noch nie einem Menschen eine Antwort schul-
dig geblieben sei. Die Professoren athmeten erleichtert auf,
man schickte zu Nilson, der sich denn auch zur Rolle eines
Professors der Zeichensprache überreden läßt. Am nächsten
Tage, um Punkt 11 Uhr Vormittag, wurde eine feierliche
Disputation in der Aula angesetzt. Der spanische Gesandte
tritt ein und verneigt sich mit verschränkten Armen; Jack
thut dasselbe. Dann erhebt der Spanier einen Finger; Jack
mit grimmiger Geberde erhebt ihrer zwei. Don Alvarez,
als wollte er ihn überbieten, streckt drei Finger in die Höhe,
der Fleischer schaut ihn scharf und energisch an und streckt
die geballte Faust gegen ihn aus. Der Gesandte ist gerührt:
verklärten Blickes führt er unter seinen Mantel und zieht
eine Orange hervor. Kaum hat das Jack gesehen, als er
wild seinen rothen Mantel aufreißt, ungeduldig tu seine
Weste führt und ein Stück Roggenbrot» herausholt, das er
herausfordernd und triumphirend in die Höhe hält. Der
Spanier verneigt sich, Jack äfft ihm nach, indem er sich
mehrere Male verneigt, und Alvarez verläßt den Saal. Die
Professoren erwarteten ihn mit Spannung in ihrem Kon-
ferenzzimmer. Freudestrahlend trat er denn auch bald ein
und meldete, der Professor Nilson, mit dem er eben die Ehre
hatte, zu disputiren, sei eine Zierde nicht nur für Glasgow,
sondern für die ganze Wissenschaft und für die ganze Welt.
„Nach kurzer gleicher Begrüßung," so führt der spanische Ge-
sandte fort, „erhob ich einen Finger, um ihm zu sagen, es
gibt nur Einen Gott; gewiß, gab er mir zur Antwort, Gott
hat sich aber offenbart durch seinen Sohn, zwei Wesen sind
es, die wir gleich zu ehren haben. Ich hob drei Finger,
uni ihm zu bedeuten, daß drei Personen in der Gottheit ent-
halten seien, und er erhob die Faust, um mir zu sagen, daß
es wohl eine Dreiheit, diese Dreiheit aber doch eine Einig-
keit sei. Darauf unterhielten wir uns über die Schönheit
der Welt; ich zeigte ihm eine Orange, und er erwiederte:
Was nütze alle Schönheit, wie nichtig sei sie, verglichen mit
dem Brod des Lebens, mit der Religion. Und noch zuletzt,
als ich mich verabschiedete, gab er mir einen Beweis seiner
bewunderungswürdigen Demuth und Bescheidenheit: er konnte
sich gar nicht genug verbeugen." Nach diesen Worten ent-
sernte sich der Spanier ganz erfreut, einen solchen Ge-
sinnungsgenossen gefunden zu haben, und der Fleischer wurde
gerufen. „Nun, Jack, wie hat Dir der Fremde gefallen?"
fragte ihn der Rektor. — „Denkt Euch diesen Grobian!"
versetzte der Fleischer, „hält' er mir das aus der Straße
gethan, bei Gott, ich Hütt' ihm seine Perrücke vom Kopfe
gerissen und meine Faust sollte er auch fühlen. Kaum sieht
er mich, als er einen Finger Hebt, um mir zu zeigen,
daß ich blos ein Auge habe, ich hob zwei Finger, um ihm
zu sagen, daß ich mit meinem einen Auge doch noch besser
sehe, als er mit seinen zweien; aber er hatte mich noch nicht
genug geneckt : jetzt hebt er drei Finger, um mir anzudeuten,
wir beide zusammen hätten drei Augen; da riß mir die Ge-
duld, ich ballte die Faust, um ihm zu zeigen, was ich ihm
gerne zu kosten gäbe, und nun hörte er auf. Nicht lange,
da zieht er eine Orange ans der Tasche, uni sich mit seinem
gelben Apfel groß zu machen, ich holte aber sofort ein Stück
Brod heraus, um ihm damit zu sagen/daß mir dies viel
lieber sei. Zuletzt machte er noch allerhand Faxen, und da
ich ihn gern ärgern wollte, machte ich ihm Alles nach.
Dann ging er erst!" So hatten Don Alvarez de Vegas
und Jack Nilson dieselbe Sprache gesprochen und doch sehr
Verschiedenes gemeint. I. D.
Einiges von den Saucen. — Während die alten
Griechen fast gar keine Saucen hatten, da der Wein, der
Saft frischer Früchte oder Austern die Stelle derselben ver-
trat, erfanden die Römer die flüssigen Würzen. Die Salz-
lake eingepökelter Fische wurde zuerst als Sauce verwendet
und gab von da an ihr den Namen (salsuin, salsvAv, ouIÄ-
IuM), bis man sie später dem Gebrauche nach „Tunken"
(ivckunotns) nannte. Die Bestandtheile der gemischten Saucen
der alten Römer waren außer der unvermeidlichen Salzlake
vorzugsweise Zwiebeln, Knoblauch, saure Kräuter, Oel, Nüsse,
Käse und Honig. In Deutschland ahmte man im Mittelalter
römische Sitte, wie in Allem, so auch betreffs der Saucen
sklavisch nach, und nannte dieselben „Salsen". Ein altes
Kochbuch voni Jahre 1350 gibt folgendes Rezept für die Be-
reitung einer guten Salse an: „Nimm saure Weinbeeren
und thue dazu Salbei und zwei Knoblauchs-Haupt und
Speck, und stoße das zusammen, drücke es ans und gib's für
eine gute Salse." In demselben Kochbuche findet sich auch
noch eine zusammengesetzte Salse, welche die höchste Entwicke-
lung der damaligen Küche darstellt, und die nach ihrem Er-
finder „Swallenberger Salse" genannt wurde. Wein wurde
mit Honig versetzt, zum Kochen gebracht, dann zerstoßener
Ingwer, Pfeffer und Knoblauch zugesügt und mehrere Eier
eingerührt, woraus die Sauce unter beständigem Rühren so
lange über dem Feuer blieb, bis sie dick wurde und zu bräu-
nen begann. Sie galt für so pikant und erwärmend, daß
der alte Koch als Gesundheitsregel vorsichtig hinzusügt: „Dies
soll man essen in kaltem Wetter." 300 Jahre später, im
Jahre 1650, enthalten die Kochbücher bereits Vorschriften
für eine ganze Reihe verschiedener Salsen und Tunken, welche
zum Fleische und namentlich zum Braten auf der Tafel er-
schienen; die einfachsten bestehen nur aus Wein und Zucker,
andere werden ans dem Safte zerriebener Kräuter, wie
Brunnenkresse, Löffelkraut, Sauerampfer und Staudensalat
bereitet und entweder mit Zucker gemäßigt oder mit Knob-
lauch und Granatkürnern geschärft. Im Zeitalter der Per-
rücken und Neifröcke wurden die Saucen zu Ausgeburten der
Thorheit und des Aberwitzes. Man legte damals überhaupt

größeren Werth auf die Brühe, als auf das Fleisch, ja man
bildete sich ein, mit Hilfe der Sauce jedem Gerichte einen be-
liebigen Geschmack geben zu können. Damals führte denn
auch ein Koch die berüchtigte Heldenthat ans, eine Stiesel-
sohle in Wasser aufzuweichen und durch eine Trüffelsauce ge-
nießbar zu machen. Ein alter Feinschmecker bezeichnete ein-
mal die Saucen als ideale und deshalb zugleich schassende
Wesen, mit denen erst das ideale Streben, die sich bis zur
Schwärmerei steigernde Romantik der Kochkunst beginne.
Goethe hatte also Unrecht mit dem Spruche:
„Die Katze, die der Jäger schoß,
Macht nie der Koch zum Hasen!"
Im Gegentheil! In der Praxis werden sehr viel- Katzen
durch saucenkundige Köche zu Hasen gemacht. G. Pf.
Eine fatale Situation. — Den preußischen Offizieren
war es bekanntlich, auch als die Spielhöllen noch in den
deutschen Bädern geduldet waren, verboten, ihr Glück da-
selbst zu versuchen. Ein junger Lieutenant hatte trotzdem
und obgleich König Friedrich Wilhelm IV. sich gerade zur
Kur in Baden-Baden aufhielt, die Verwegenheit, allerdings
in Civilkleidung, eine Summe von zehn Friedrichsd'or am
Roulette zu setzen. Die Farbe kam auch zweimal heraus,
und der Lieutenant wollte eben vergnügt die vierzig Gold-
stücke einstreichen, als sein Blick bei einer zufälligen Wendung
des Kopfes plötzlich auf den König fiel, der sich seiner son-
stigen Gewohnheit entgegen eingcfnnden, um dem Spiele zu-
zusehen. Natürlich durfte es der Offizier unter diesen Um-
stünden nicht wagen, das Geld an sich zu nehmen. Steif
und unbeweglich blieb er da stehen, in großer Angst, daß
die Kugel beini nächsten Male eine andere Farbe bezeichnen
und so seinen Gewinn illusorisch machen könne. Aber die-
selbe Farbe kam zum dritten, vierten und fünften Male, der
Lieutenant hatte also dreihundertnndzwanzig Friedrichsd'or
gewonnen. Da machte Friedrich Wilhelm, der es wohl be-
merkt hatte, wie der junge Mann vorhin pointirte, dessen
peinlicher Lage mit den Worten ein Ende: „Sie, ziehen Sie
Ihr Geld ein und machen Sie sich schnell davon, ehe ich
Sie bemerkt habe; das Glück möchte Ihnen doch auf die
Dauer nicht so gewogen bleiben." L. M.
Ein enragirter Politiker. — Als Fox sein Porte-
feuille als englischer Premierminister im Jahre 1783 nieder-
gelegt hatte, wurde er in London von der Oppositionspartei
als Kandidat ausgestellt, und für und gegen seine Wahl
wurden die größten Anstrengungen gemacht. Schon acht
Tage vorher kam es fast an jedem Abend zu Volkstumulten
und großartigen Schlägereien. Der Hauptgegner von Fox
war der Ritter Cecil Wrai. Ein renommirter Londoner
Arzt kam an dem Tage der Parlamentswahl zu einem
Patienten, der sehr schwach war, und fand ihn zum Aus-
gehen gerüstet. Auf die Frage, wohin er wolle, versetzt der
Kranke, daß er so gern an der Wahl Theil nehmen möchte.
„Das geht durchaus nicht," konstatirte der Arzt, „das Fieber
ist noch nicht vorüber, und die Aufregung und Anstrengung
könnte Ihnen den Tod bringen." Der Patient erwiederte,
er habe sich deswegen schon einen Wagen kommen lassen, der
ihn nach dem Wahlhause fahren sollte. „Es gehschurchaus
nicht, mein Bester," sagte kopfschüttelnd der Arzt, „Sie müssen
wieder in's Bett!" — „Ach, und ich hätte doch so gern den
Ritter Wrai gewählt!" seufzte der Patient. — „Wie, Sie
wollen Wrai wählen," sagte der Arzt, „zeigen Sie doch noch
einmal den Puls! Hm, er geht nicht gar so schlecht! Das
Beste ist, wenn Sie durchaus Wrai wühlen wollen, daß ich
Sie selbst in meinen Wagen nehme und hin und zurllckfahre;
so bewahre ich Sie am besten vor unnützer Aufregung und
Sie können Ihrer Wahlpflicht genügen!" Der Arzt, ein
enragirter Anhänger Wrai's, brachte seinen Mann an die
Wahlurne und von dort wieder in sein Haus zurück. Die
Anstrengung aber kostete dem Patienten das Leben, denn
schon nach zwei Stunden rührte ihn der Schlag, so daß er
sogleich starb, und dem Kandidaten Wrai hatte die Stimme
auch nichts genützt, denn er fiel gegen Fox durch. I.
Aue« der guten alten Zeit. — In der großen Hand-
feste, welche Albrecht der Lahme im Jahre 1340 den Bürgern
von Wien ertheilte, ist für Bäcker, die zu leichtes oder schlech-
tes Brod lieferten, die Strafe des Schupfens rechtskräftig
ausgesprochen. Diese Strafe, die auch beispielsweise in Köln,
Frankfurt und anderen deutschen Städten im Schwange war,
bestand darin, daß man den Uebelthäter in eine schmutzige
Pfütze tauchte. Ju demselben städtischen Gesetzbnche ist auch
ein Paragraph über die Zunft der Fischer eingefügt, der
folgende drollige Bestimmung enthält: „Als der rohesten und
wildesten Innung solle den Fischern weder im Winter noch
im Sommer ein Mantel, eine Gugl oder ein Hut erlaubt
sei». Sie sollen bei Sonne und Regen bloßhüuptig aus dem
Markte stehen, so lange sie Fische feil halten, damit sie desto
mehr eilen, und den Leuten besseren Kauf machen!"
Diese Bestimmungen bestanden bis in das 18. Jahrhundert
hinein. I.
Das richtige Mittel — Als Ludwig XIV., König
von Frankreich, dem seine,Schmeichler den Beinamen „der
Große" gegeben Hatten, gestorben war, fand es sich, daß
derselbe sehr bedeutende Privatjchulden hinterlassen hatte.
Das Volk nannte ihn deshalb einen Bankerotteur und machte
aus seinem Groll um so weniger ein Hehl, als die Gläubiger
sich vergeblich Mühe gaben, Befriedigung zu erlangen. Der
Polizeiminister d'Argenson, der diese Stimmung erfuhr, machte
dem Herzoge von Orleans, welcher die Regentschaft führte,
Anzeige, und bat die Verleumder verhaften und bestrafen zu
dürfen. „Nein," versetzte der Herzog, „nicht verhaften und
bestrafen soll man diese Leute, "sondern bezahlen!" Und
augenblicklich gab er Beseht, die Schulden des Königs zu
tilgen. M L.
Geistreiche Definition. — In einer heiteren Gesell-
schaft, zu der auch der Kritiker Ludwig Rellstab gehörte,
äußerte ein Herr: „Es ist doch sonderbar, daß man nur
beim Trinken von Wein, nicht aber von Chokolade, Kaffee,
Thee und so weiter anstößt." — „Der Grund liegt klar am
Tage," meinte Rellstab, „im Wein liegt Wahrheit, und damit
stößt man bekanntlich überall an." L. M.
 
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