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Instytut Sztuki (Warschau) [Hrsg.]; Państwowy Instytut Sztuki (bis 1959) [Hrsg.]; Stowarzyszenie Historyków Sztuki [Hrsg.]
Biuletyn Historii Sztuki — 70.2008

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Nr. 1-2
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Fritz, Johann Michael: Kirchenschätze im Heiligen Römischen Reich: Untergang und Überleben von liturgischen Geräten =
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https://doi.org/10.11588/diglit.35032#0036

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JOHANN MtCHAEL FRITZ

der letzten Jahrzehnte ist deutlich geworden, welch umfassende Bedeutung vor allem den
mittelalterlichen Kirchenschätzen zukommt. Man betrachtet sie heute zu Recht als Be-
wahrer von Zeugnissen weit zurückliegender Zeiten. Sie sind dank ihrer liturgischen Funk-
tion und religiösen Bedeutung gleichsam Museen gewesen, deren vornehmste Aufgabe
das Bewahren ist. Durch die Säkularisation wurden Werke der Kunstfertigkeit eines Jahr-
tausends aus der gesamten damals bekannten Welt vernichtet, also gegenständliche Quel-
len, die für viele historische Disziplinen, die allgemeine Geschichte, die Kunst- und
Kulturgeschichte sowie die Liturgiegeschichte von größter Bedeutung gewesen wären.
Geschichtliche Zusammenhänge wie die Motivationen der Stifter wurden ausgelöscht,
ebenso Jahrhunderte alte kirchliche Gebräuche, für die diese Werke geschaffen worden
waren. Damit wurde eine mehr als ein Jahrtausend alte liturgische Tradition abrupt und
unrühmlich für immer beendet.
Mit den Werken in den Schätzen verbinden sich meist die Namen von Personen, die
diese Gegenstände gestiftet hatten. Man tat das, um auf diese Weise für das eigene Seelen-
heil zu sorgen, "ad majorem Dei gloriam" oder um die Erinnerung an die eigene Person
lebendig zu halten. Welche Vorstellungen die Menschen mit ihren Stiftungen verbanden,
auf denen sie im Mittelalter oft dargestellt waren, zeigen viele Inschriften. So bitten zwei
Personen, die sich selbst als Sünder bezeichnen, nämlich die Äbtissin Berta und Kaiser
Heinrich III. demütig die Heiligen, deren Reliquien sich in der "Crux gemmata" von Borg-
horst (Westfalen) befinden, um Fürsprache bei Gott für sich und alle, die dieses Kreuz
verehren Ä Wie wir uns die Entstehung vieler Werke vorstellen müssen, wenn keine Stif-
ter auf ihnen genannt sind, zeigen zwei Beispiele. Auf einer gotischen Monstranz steht:
"Communis elemosyna me fecit" (gemeinsames Almosen hat mich gemacht), auf einem
Kelch heißt es als Mahnung für uns: "Orate fratres pro omnibus, qui hune calicem
contulerunt" (betet Brüder für alle, die zu diesem Kelch beigetragen haben)^. Mehrfach
hatten die Stifter hinzugefügt, ihre Stiftung möge ewig an dem von ihnen bestimmten Ort
bleiben und dort dem Gottesdienst dienen. Diese Wünsche der Stifter sind mit Sorgfalt
beachtet, aber ebenso mißachtet worden.
Epi/og
Heute geht es um eine andere, aber fundamentale Bedrohung, eine allgemeine Säkula-
risierung, denn es gibt im westlichen Abendland kaum noch Christen, wenig Priester und
wenig Geld, diese Schätze zu hüten. Hinzu kommt das Desinteresse der Theologen an den
liturgischen Werken der Vergangenheit^. "Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts sehen die
verbliebenen Gläubigen sich nun auch noch durch einen antisakralen Affekt ihrer eigenen
Theologen attackiert", stellte der äthiopische Prinz Asfa-Wossen Asserate in seinem Buch
"Manieren" im Jahre 2003 fest. Kennzeichnend dafür ist, daß man in Münster am Dom
zwar ein neues Haus für den "thesaurus" baute, das aber nicht mehr "Schatzkammer"
heißen durfte, sondern ängstlich nur "Domkammer".
Zur Zeit müssen immer mehr Kirchen aufgegeben werden, eine Folge davon (aber nicht
nur) ist, daß vasa sacra in steigendem Maße in den Auktionskatalogen erscheinen (Abb. 25).

Gruo/ncnto gcd&siag. (wie Anm. 8), Bd. h S. 117. Bd. 3, Nr. H 28.
^ FRITZ, GoM.s'ć7i/mT&AMn.s/ Go/A.... S. 10 und FRITZ, Dov ctvmgGAc'/ic AbcnAno/iAsgcrö/..., Nr. 13, Abb. 47.
^ Vgl. Johann Michael FRITZ, "Anfang vom Ende? Der schleichende Untergang der ererbten Ornamenta ecclesiae",
[in:] Jo/vM- unJ Gó'rr6v-G^/AcAa/7 1994, 1995, S. 5-19.
 
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