Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Instytut Sztuki (Warschau) [Hrsg.]; Państwowy Instytut Sztuki (bis 1959) [Hrsg.]; Stowarzyszenie Historyków Sztuki [Hrsg.]
Biuletyn Historii Sztuki — 70.2008

DOI Heft:
Nr. 3-4
DOI Artikel:
Fritz, Johann Michael: Eine historische Quelle zu den Breslauer Goldschmieden des 16. Jahrhunderts?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.35032#0314

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
304

JOHANN MICHAEL FRITZ

Der genaue Titel des Buches, den Grażyna Regulska unter „Źródła rękopiśmienne
i drukowane" S. 182 aufführt, lautet: „Die Goldschmiede-Chronik. Die Erlebnisse der
ehrbaren Goldschmiede-Ältesten Martin und Wolfgang, auch Mag. Peters Vincentz'Ä Als
Ort und Zeit der Erscheinung des Buches ist nur „Hannover, 1917" angegeben, also
merkwürdigerweise kein Verlag. Es handelt sich offensichtlich um ein privat
veröffentlichtes Buch. Mir fiel damals schon auf, daß das Buch - wie bei
Quellenpublikationen üblich - keinen Herausgeber nennt, geschweige denn den
Aufbewahrungsort der Chronik. Bei nochmaliger Lektüre war schnell zu merken, daß es
sich bei dem Text um neuzeitliches Deutsch des frühen 20. Jahrhunderts handelt, das auf
seltsame und inkonsequente Weise bemüht ist, möglichst altertümlich zu erscheinen.
Da der Text manche sachlichen Hinweise und Nachrichten enthält, die historisch
zutreffend scheinen, könnte es sich um die Übertragung einer frühneuzeitlichen Vorlage
ins Hochdeutsche handeln. Träfe diese Vermutung zu, dann wäre der Text immer noch
eine wertvolle und auch zitierbare Quelle wie etwa der von Grażyna Regulska zitierte
Satz: „Also wurde anno 1510 eine neue Vorschrift für die Meisterzeichen geschlossen,
daß auch jeder Meister neben dem W der Stadt Zeichen sein eigen Gewerk (sic) und
Zeichen daneben schlagen soll". Die archivalische Vorlage für diesen Text zeigt dagegen
die Sprache und Schreibweise des 16. Jahrhunderts: „...unnd das auch ider mayster neben
dem W der Stadt zaychen auch sein gemerck (sic) und zaychenn daneben schlagen soll".
So gibt Erwin Hintze den Wortlaut des Beschlusses in seinem so verdienstvollen Buch
„Die Breslauer Goldschmiede. Eine archivalische Studie". Breslau 1906, wieder, den auch
Marc Rosenberg 1922 zitierü. Nur wurde dieser Beschluß nicht 1510 gefaßt, wie die
Chronik behauptet, sondern erst 1539.
Daraus folgt, daß die 1917 publizierte Chronik eindeutig Hintzes Buch von 1906
benutzt, aber die Jahreszahl falsch angibt. Deshalb kann die Chronik nicht auf einer
originalen Schrift des 16. Jahrhunderts basieren. Diese Folgerung wird durch Hintzes
Buch noch weiter bestätigt. Denn darin werden zwar Mertin Vitze (Martin Vincentius)
und Wolfgang Vitze, nachweisbar 1514-1543 und 1554-1596, kurz erwähnü. Aber diese
angebliche Chronik des 16. Jahrhunderts erscheint nicht bei Hintze, auch nicht unter
seinem Verzeichnis der „Quellenschriften"^, das heißt: sie existierte 1906 nicht.
Ebensowenig wird die Chronik in dem Buch von Christian Gündel, „Die
Goldschmiedekunst in Breslau" erwähnt, das in Berlin im Rahmen der Reihe „Die
Goldschmiedekunst der deutschen Städte" erschienen isü. Wäre die „Goldschmiede-
Chronik" wirklich eine seriöse Quelle gewesen, so hätte man diese gewiß in
nationalsozialistischer Zeit ausführlich zitiert.
So bleibt als Fazit: diese „Goldschmiedechronik" - deren Untertitel „Erlebnisse" ein
neuzeitliches Wort verwendet^ - ist im Ganzen eine lokalpatriotische historisierende

3 REGULSKA, op. cit., S. )83.
^ Erwin HINTZE, Dm ßmyßnmr GoMyc/!wm&. Eßm arc/ima/Ecßf .S'mßrn, Breslau 1906, S. 18. - Marc ROSENBERG,
Der GoMyc/:;?im& Band 1, Frankfurt am Main 1922, S. 280 unter Nummer 1364. Auf S.
279 werden die wissenschaftlichen Leistungen Hintzes von Rosenberg ausführlich gewürdigt,
s HINTZE, op. cit., S. 171.
^ HINTZE, op. cit., S. 212 ff.
^ Christian GÜNDEL, Dm GoMycß/wW/eEmyf ?7? ßmyßrn, Berlin 1940, weder im Verzeichnis der Literatur noch der
Goldschmiede.
^ Day Grmwi 'yc/m Dcatyc/m IVörterM, Bd. III, Leipzig 1862, Spalte 895, kennt das Wort „Erlebnis" nur im Singular,
nachgewiesen in einer Schrift von Ludwig Tieck (1773-1853) und einem 1855 erschienenen Buch.
 
Annotationen