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der Spätzeit die Hand, — nach dem Vorwalten
dieser oder jener einzelnen Bauteilen, wie dem
Chore, ein jüngeres Alter heizulegeu, wäre ein
unnützes Bemühen; jedenfalls er-
scheint dieser Bau im Ganzen als
ein einheitliches Werk und als
ein sicher datirtes Muster der
grossem Hallenbauten auf der
Scheide der frühem und spätem
Gothik. Die Jahreszahl 1440 an
einem nordwestlichen Pfeiler zielte
schon nach v. Steinen’s Ansicht
auf eine Eestauration, der auch
der Pfeiler mitten vor der West-
mauer des südlichen Seitenschiffes
entstammen mag.
Die gegenwärtige Kirche, ein
moderner Ziegelbau mit Bruch-
steinsockel und Streben, rund geschlossenen
Fenstern und Thüren, flach gedeckt und nur
über der fünfseitigen Apsis gewölbt, ist 1849
eingeweiht. In der südlichen Chorwand ist ein
kunstreiches Erbtheil der alten Kirche ange-
bracht, ein 0,47m. grosses Messing-Epitaph
(Fig. 27): es stellt in einem mit Nasen besetzten
und entsprechend umrahmten Vierpass über einem
Wappen einen
Kelch dar mit
der Umschrift:
Anno Domini
1520 die Ti-
burtii obiit ve-
nerabilis domi-
nus Gerhardus
de Werne pa-
stor huius ec-
clesie, hic se-
pultus. Requi-
escat in pace. Schon das Blattwerk als innerer
Besatz des Vierpasses gleicht so sehr dem ent-
sprechenden Ornamente auf Glocken Dortmunder
Meister, dass man diese für die Urheber des
gefälligen Stückes halten darf.
Den Altar schmückte ein grosses Tafel-
gemälde der Kreuzigung — wahrscheinlich vom
Meister des schönen Triptychons in der Kirche
zu Cappenberg — also ein Kunstwerk aus der
Frühzeit des 16. Jahrhunderts, das nach Biele-
feld in Privatbesitz, später bei Heberle zu Köln
unter den Hammer kam. Die Stelle desselben
nimmt ein vom Maler Zuchi in Leipzig gemaltes
einfach umrahmtes und mit einem Architrav
überdecktes Oelbild: Christus am Oelberge ein.
Den Boden decken noch mehrere Grab-
steine; davon gedenkt einer der Elisabeth Fry-
dag, Frau von der Kecke zu der Kecke, Drostin
zu Unna und Garnen f 1616 9/6 und zeigt in
flachem Relief einen viereckigen von Figuren
gehaltenen Mittelschild, darüber eine in jeder
Hand Kranz und Wappen haltende Gestalt, dar-
unter wieder mnkränzte Wappen — Alles in ziem-
lich edlen Formen.
Der aus romanischer Zeit erhaltene West-
thurm steigt aus grünen Sandsteinblöcken vier-
eckig und hoch mit Mauergiebeln empor und
wipfelt in eine schlanke Kaütenspitze, die wrol
ebenso wie jene der Thomaskirche zu Soest ab-
sichtlich schief gegen Südwest errichtet ist.
Risse, Verwitterung und Bewurf haben allmälig
dem Mauerwerk Vieles von seiner stilistischen
Zier wie von seiner statischen Festigkeit ge-
raubt; in den Obergeschossen sind die Schall-
öffnungen theils vermauert, theils der Mittel-
säulchen beraubt, der Bogenfries der vorletzten
Etage und das aus Wulst und Kehle componirte
Abschlussgesimse entweder nur durch den Be-
wurf sichtbar oder doch restweise erhalten.
Das rahmenartig vortretende Portal der West-
mauer hat eingestufte Seiten und eine Bedeckung
im Rundbogen, der auch die Schallöffnungen
beherrscht. Im Innern findet man zrvei rund-
bogige Gewölbe, eines über dem Untergeschosse,
das andere etwa auf zwei Drittel der Thurmhöhe
— eine Ausstattung, die mit dem massigen
Mauerwerk der Untergeschosse die fortificato-
rische Nebenbestimmung deutlich anzeigt und
dem Bau sogar den Namen ,eines Raubschlosses1
einbrachte.
Vor gut hundert Jahren wurden in diesem
Thurme noch die Glocken angetroffen, welche
1344 der Graf Adolf von der Mark zu Menden
erbeutet und hierher verschenkt hatte; die vor-
findlichen sind jünger, so die kleinste mit der
Inschrift:
Vivos voco, mortuos plango. Campana haec
cura pastorum Camensium, presbyterii,
27.
CA1IBÖ
der Spätzeit die Hand, — nach dem Vorwalten
dieser oder jener einzelnen Bauteilen, wie dem
Chore, ein jüngeres Alter heizulegeu, wäre ein
unnützes Bemühen; jedenfalls er-
scheint dieser Bau im Ganzen als
ein einheitliches Werk und als
ein sicher datirtes Muster der
grossem Hallenbauten auf der
Scheide der frühem und spätem
Gothik. Die Jahreszahl 1440 an
einem nordwestlichen Pfeiler zielte
schon nach v. Steinen’s Ansicht
auf eine Eestauration, der auch
der Pfeiler mitten vor der West-
mauer des südlichen Seitenschiffes
entstammen mag.
Die gegenwärtige Kirche, ein
moderner Ziegelbau mit Bruch-
steinsockel und Streben, rund geschlossenen
Fenstern und Thüren, flach gedeckt und nur
über der fünfseitigen Apsis gewölbt, ist 1849
eingeweiht. In der südlichen Chorwand ist ein
kunstreiches Erbtheil der alten Kirche ange-
bracht, ein 0,47m. grosses Messing-Epitaph
(Fig. 27): es stellt in einem mit Nasen besetzten
und entsprechend umrahmten Vierpass über einem
Wappen einen
Kelch dar mit
der Umschrift:
Anno Domini
1520 die Ti-
burtii obiit ve-
nerabilis domi-
nus Gerhardus
de Werne pa-
stor huius ec-
clesie, hic se-
pultus. Requi-
escat in pace. Schon das Blattwerk als innerer
Besatz des Vierpasses gleicht so sehr dem ent-
sprechenden Ornamente auf Glocken Dortmunder
Meister, dass man diese für die Urheber des
gefälligen Stückes halten darf.
Den Altar schmückte ein grosses Tafel-
gemälde der Kreuzigung — wahrscheinlich vom
Meister des schönen Triptychons in der Kirche
zu Cappenberg — also ein Kunstwerk aus der
Frühzeit des 16. Jahrhunderts, das nach Biele-
feld in Privatbesitz, später bei Heberle zu Köln
unter den Hammer kam. Die Stelle desselben
nimmt ein vom Maler Zuchi in Leipzig gemaltes
einfach umrahmtes und mit einem Architrav
überdecktes Oelbild: Christus am Oelberge ein.
Den Boden decken noch mehrere Grab-
steine; davon gedenkt einer der Elisabeth Fry-
dag, Frau von der Kecke zu der Kecke, Drostin
zu Unna und Garnen f 1616 9/6 und zeigt in
flachem Relief einen viereckigen von Figuren
gehaltenen Mittelschild, darüber eine in jeder
Hand Kranz und Wappen haltende Gestalt, dar-
unter wieder mnkränzte Wappen — Alles in ziem-
lich edlen Formen.
Der aus romanischer Zeit erhaltene West-
thurm steigt aus grünen Sandsteinblöcken vier-
eckig und hoch mit Mauergiebeln empor und
wipfelt in eine schlanke Kaütenspitze, die wrol
ebenso wie jene der Thomaskirche zu Soest ab-
sichtlich schief gegen Südwest errichtet ist.
Risse, Verwitterung und Bewurf haben allmälig
dem Mauerwerk Vieles von seiner stilistischen
Zier wie von seiner statischen Festigkeit ge-
raubt; in den Obergeschossen sind die Schall-
öffnungen theils vermauert, theils der Mittel-
säulchen beraubt, der Bogenfries der vorletzten
Etage und das aus Wulst und Kehle componirte
Abschlussgesimse entweder nur durch den Be-
wurf sichtbar oder doch restweise erhalten.
Das rahmenartig vortretende Portal der West-
mauer hat eingestufte Seiten und eine Bedeckung
im Rundbogen, der auch die Schallöffnungen
beherrscht. Im Innern findet man zrvei rund-
bogige Gewölbe, eines über dem Untergeschosse,
das andere etwa auf zwei Drittel der Thurmhöhe
— eine Ausstattung, die mit dem massigen
Mauerwerk der Untergeschosse die fortificato-
rische Nebenbestimmung deutlich anzeigt und
dem Bau sogar den Namen ,eines Raubschlosses1
einbrachte.
Vor gut hundert Jahren wurden in diesem
Thurme noch die Glocken angetroffen, welche
1344 der Graf Adolf von der Mark zu Menden
erbeutet und hierher verschenkt hatte; die vor-
findlichen sind jünger, so die kleinste mit der
Inschrift:
Vivos voco, mortuos plango. Campana haec
cura pastorum Camensium, presbyterii,
27.