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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 1
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Riegl, Alois: Kunsthandwerk und kunstgewerbliche Massenproduktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0008

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Bei dem Gesagten haben wir das Handwerk im All-
gemeinen im Auge gehabt. Uns interessirt hier aber eigent-
lich nur das AunstHandwerk, Ist auch auf dem Gebiete
der kunstgewerblichen Produktion die Aundenarbeit von der
fabrikmäßigen Massenerzeugung bedroht? Ist auch hier jener
Pessimismus gerechtfertigt, mit welchem man heutzutage zu-
meist die Zukunft des Handwerks zu beurtheilen pflegt, und
der nach dem oben Gesagten hinsichtlich des Handwerks im

2. Wappen der Stabt kjeilbronn.

Allgemeinen allerdings begreiflich, wenn auch nicht durch-
wegs gerechtfertigt erscheint? Ich will sofort bekennen, daß
ich diesen absoluten Pessimismus, soweit das Aunsthandwerk
in Frage kommt, nicht theile, und ich will auch mit den
Gründen nicht zurückhalten, die mich zu meiner hoffnungs-
freudigeren Auffassung bestimmen.

Vor Allem veranlaßt inich hiezu eine Erfahrung, die
uns die Geschichte lehrt. Alan glaubt allgemein, daß die

Massenproduktion eine echt moderne, noch niemals dagewesene
Erscheinung wäre, die hauptsächlich erst durch die Erfindung
der Maschinen bedingt und ermöglicht worden ist. Nun ver-
hält es sich schon einmal mit den Maschinen umgekehrt:
man hätte sie nicht erfunden, wenn nicht der Drang danach
schon in den allgemeinen Eulturverhältnissen vorhanden ge-
wesen wäre. Aber noch mehr: die Massenproduktion ist
nicht einmal etwas spezifisch Modernes, sie ist schon früher
dagewesen, lange vor der Erfindung der Dampfmaschinen
und der elektrischen und Gasmotoren.

Diejenige Zeitperiode aus der bisherigen Geschichte des
Menschengeschlechts, deren Aunstzustände uns noch heute,
trotz der Renaissance, im Allgemeinen als unerreichbar ideale
vorschweben, ist die griechisch-römische Antike gewesen. Mas
werden unsere Pessimisten zu der Beobachtung sagen, daß
in derselben Antike bereits eine wohl organisirte Massen-
produktion von menschlichen Gebrauchsgütern existirt hat, —
ja daß diese Massenproduktion u. a. gerade solche Gegen-
stände betroffen hat, die wir heute zu den kunstgewerblichen
zählen und in denen zuerst die bewunderte antike Aunstblüthe
ihren Ausdruck gesunden hat? Die ganze vielgerühmte
attische Aeramik, nicht minder die Bronzewaarenerzeugung,
wurde im Wesentlichen als Massenproduktion betrieben. Eine
solche scheint überhaupt von einer höheren städtischen Eultur
mit großer Bevölkerungsdichte unzertrennbar, und ebenso-
wenig von einein lebhafteren Verkehr, der den Export von
Gütern (5. B. gerade jener attischen Geschirre und italischen
Bronzen) unaufhaltsmn nach sich zieht.

Man wird aber wohl fragen: welcher Art war denn
diese antike Massenproduktion? Und gab es im Alterthum
daneben ein Handwerk? Diese Frage ist ebenso interessant,
als sie bisher in kunstintereffirten Areifsn unbeachtet geblieben
ist. Man erlaube inir daher, etwas weiter dabei auszuholen.

Die menschliche Mirthschast im Alterthum steht im
Allgemeinen in einem ganz entschiedenen Gegensatz zu der
Mirthschast im Mittelalter itnd in der neueren Zeit. Der
Gegensatz läßt sich am Anappsten in folgende Morte fassen:
die Arbeit war in: Alterthun: unfrei, von: Mittelalter an
aber frei. Der gemeine Sprachgebrauch, der sich nur an
die äußeren Erscheinungen hält, pflegt dieses Verhältniß
folgendern:affen auszudrücken: in: Alterthun: gab es bei den
Eulturvölkern im Allgemeinen nur Sklavenarbeit, in der
christlichen Aera wurde die Sklaverei abgeschafft und der
Arbeiter erhielt das Recht, seine Arbeit selbst zu bestimmen
und den Ertrag derselben selbst zu genießen.

Die Sklavenarbeit, welche die ganze Güterproduktion,
also auch die kunstgewerbliche, bei den antiken Eulturvölkern
kennzeichnet, ist nun im Grunde nichts anderes, als die ur-
sprünglichste produktionsform überhaupt: die absolute Eigen -
wirthschaft. Die Basis dieser ursprünglichsten Mirthschafts-
forn: bildete die geschloffene Familie: alles wessen die Familie
bedurfte — Nahrung, Aleidung, Schmuck u. s. w. — wurde
in derselben durch ihre Angehörigen erzeugt. Dies ist die
älteste menschliche Mirthschastsform. Die Nationalökonon:en
bezeichnen sie als Hausfleiß: die A'unst aber, welche der Haus-
fleiß pflegt, nennt man Volkskunst.

Mir hatten Eingangs festgestellt, daß es für die Masten
Produktion eine Lebensfrage ist, durch Abkürzung der Arbeits-
zeit mittels verbesserter Arbeitsnüttel eine Ersparniß bei den
Gesammtproduktionskosten herbeizuführen. Mir müssen

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