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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 4
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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Eduard Unger: geboren am 4. Februar 1853, gestorben 4. August 1894
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0044

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eine ganz andere Tonscala anschlagen und da bewährte sich
denn, was schon oft genug betont worden ist, daß das, was
war, nicht immer als zutreffend für den heutigen Tag sich
erweist. Warum nicht einfach mit großen Farbcontrasten,
mit dem überreichen lsülssmaterial an decorativen Dingen,
das unsere Tage bieten und das unseren Tagen entspräche,
an die Lösung einer solchen Aufgabe gehen? Die Wände
sind bis etwas über Mannshöhe mit Holzvertäfelung ver-
kleidet. Statt diese als ruhigen Sockel für das was darüber
kam, zu behandeln, wurde die ganze große Fläche bernalt,
als wäre sie aus viereckigen, grünen Kacheln mit farbigem
Decor zusammengesetzt. Der Effekt, der damit erzielt werden
sollte, ist nicht erreicht, denn etwas auf solche Wirkung Ge-
maltes kommt nur dann richtig heraus, wenn es möglichst
wenig aufdringlich gehalten ist. lieber diesem Sockel ziehen
sich lange Wandstreifen hin, stellenweise durch Fenster unter-
brochen und darüber setzt die reich ornanientirte, stark plastisch
decorirte Decke an, die, um ruhig zu wirken, leicht jeder
farbigen Behandlung hätte entbehren dürfen. Die Wandfläche
über dem Vertäfelungsgesimse, beiläufig anderthalb bis zwei
Meter hoch und zusammengenommen viele Meter lang,
mußte nun ausgemalt werden. Wenn man an das historisch
gewordene Wort Wrangel's: „Ruhe ist des Bürgers erste
Pflicht" anknüpfen wollte, so könnte man mit Fug und Recht
auch sagen: „Ruhe ist des decorativ schaffenden Künstlers erste
Pflicht". Tin Mauerbild setzt andere Behandlung voraus als
ein Staffelei-Gemälde, das muß jeder erfahren, der mit Be-
wußtsein das Zweckliche an alten Mauermalereien sich an-
geschaut und in der weisen Unterordnung derselben gegen-
über dem umgebenden Rahmen, der Architektur, eines der
kfauptbedingniffe der richtigen Wirkung erkannt hat. Wie
vortrefflich findet sich diese Anschauung bestätigt in den
dekorativen Wandmalereien, die z. B. Galland für das neue
Pariser Hotel de Ville (es sei nur erinnert an die Dar-
stellung der Handwerke) schuf, dann in seiner für ein Privat-
haus entstandenen köre Venitienne u. a. Das gleiche läßt
sich bei Pu vis de Chavannes, bei Ljans Thoina (siehe das
pringsheim'sche chaus in München), bei allen Neueren Nach-
weisen, die trotz der nöthigen Unterordnung unter den archi-
tektonischen Rahmen dennoch ihrer Arbeit jenen Accent zu
geben verstanden, der künstlerisch nobel wirkt. Wird in-
dessen diese Grenze überschritten, soll die Malerei sich der
plastischen Umgebung anschließen, eine Fortsetzung derselben
bilden, dann muß aber auch gleich mit der Kühnheit eines
Giulio Romano, eines Martin Knoller eingesetzt, der letzte
Trumpf der Farbe ausgespielt werden. Gb das nun an
einer Kirchenwand, in der Kuppel eines Museums oder an
der Wand eines Tafehauses geschehe, ist ganz einerlei, das
Lokal thut nichts zur Sache, wenn es sich um Lösung künstler-
ischer Aufgaben mit Einsetzung des besten Könnens handelt.

Die Malereien des Tafe Ungerer, ungemein reich an
reizvollen Einzelnheiten, sichtlich mit großer Liebe für die
Aufgabe ausgeführt ~ Gegenstand: Die Jahreszeiten; Putten
in landschaftlicher und architektonischer Umgebung — bieten
des Guten ein wenig viel. Farbige Blattranken, Gemüse,
Früchte, gemalte Eisengitter, ksermen, gemalte Rocail-Gr
namente, Weinlauben, Park Architekturen, Felsen, Wasser
fälle, kurz ein ganzes Arsenal von verwendbaren Motiven
ist da auf einmal verausgabt; es schwirrt ein regellos aus
gestreuter Formenschatz in buntem Durcheinander umher
und man möchte ausrufen: »bin poco piü moderato«! Und
das wirkt heute noch so, nachdem zehn Jahre Tabaksqualm
eine mildernde Patina über das Ganze gelegt haben. Ja,
man kann des Guten auch manchmal zu viel thun. kfier
ist es der Fall. Was in kleinen Formate:: als Vignette,
als Illustration reizend aussieht, bewahrt nicht immer den
gleichen Lharakter, wenn es in's Große übersetzt wird, und
darüber hilft selbst die talentvollste Behandlung der Einzeln
heilen nie und nimmer hinweg. An letzterer mag sich er-
freuen, wer die Wandbilder des Tafe Ungerer im einzelnen
anschaut und bei dem Storch, der an: Kinderbrunnen steht,
vielleicht aus den Einfall kommt, ob dies etwa eine An
spielung auf die bekanntermaßen sehr liebesbedürftigen bjerzen
der Münchener Kellnerinnen fein solle.

Die Arbeit war gethan. 5ie machte Aussehen und
zog weiteres nach sich. In verwandter Weise sollte die
Ausschmückung des Tafe Bauer in lfalle, jene eines in
Dresden projektirten ähnlichen Etablissements vor sich gehen.
Erstere wurde ausgeführt, die zweite nicht. Wie bei der
in Halle ausgeführten Arbeit die Wirkung sich gestaltet, ist
dem Schreiber dieser Zeilen nicht bekannt, ebenso auch nicht
die Art und Weise der Ausschmückung des Aussichtsthurmes
in Mberhaus bei Paffau, welche Unger gleichwie die Arbeit
in Halle im Verein mit den: bereits genannten Maler Moriz
Roebbecke ausführte. Jeder muß Lehrgeld zahlen. Wäre
Unger des Vefteren mit solchen Ausgaben in Berührung
gekommen, so würde er auch das Richtige gefunden haben.
Das Bedürfniß seiner Auftraggeber lies aber immer wieder
auf Dinge von kleinem Umfange hinaus und darin hat er
unter den von ihm hinterlaffenen Werken auch zweifelsohne
das Beste geleistet.

Das frühzeitige Ende seines Lebens ist in erster Linie
übergroßem Arbeitseifer zuzuschreiben. Er traute seinen
Kräften zuviel zu und starb, nachdem zuvor schon verschiedene
Schlagansälle sein reiches Schaffen zum Erlahmen gebracht
hatten, am 4. August f894 zu Mberaudorf. Wenige nur
waren es, die ihn zu Grabe geleiteten. Wenn diese Zeilen
die Erinnerung an ihn über den Erdhügel, der ihn deckt,
hinaus wach erhalten, so ist ihr Zweck erreicht.

Ehre seinem Andenken!


OCnfsns kunstgewerblichen <I)uslerblMer.

Taf. Arystall-Vase. Entwurf von p. p. palme in
kjaida (Böhmen).

Taf. ;5. Stuhlwerk aus 8. Liovarmi Evangelista in parma.
Gezeichnet von Architekt Gtto Rammelm eyer, Aölu.

Taf. \6. Romanischer Altar in der St. Annakirche zu
München. Entwurf von prof. Gabr. Seidl, Architekt, München.

Taf. Gemalte Wandbespannung aus dem deut-
schen Reichstagshause. Geliefert von Th. Gaebler, München.

Hierzu „Kunstgewerbliche Rundschau" Nr. 4.

verantw. Red.: prof. L. Gmelin. — Serausgegeben vom Bayer. Lunjtgewerbe-verein. — Verlag von M. Schorß. - Druck von Lnorr g Birth, München.
 
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