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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 7
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Halm, Philipp Maria: Die künstlerische Entwicklung des christlichen Altars: besonders in Deutschland
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0068

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Eines der schönsten Beispiele bietet der Hochaltar der Welten
burger Klosterkirche. Betritt man die Kirche, so scheint der
Ritter St. Georg, umgeben von goldenen Lichtstrahlen, aus
dem Altar heraus eineni entgegenzustürmen. Me geschickt
auch weiße Fenster zu Altären verwerthet werden konnten,
zeigen die Kirchen zu Sandizell, Osterhofen und Griesstetten
(B.-A. Beilngries). Dort dient das Fenster direkt als Binter-
grund, vor den: die plastische gebildete Altargruppe sich ab-
hebt. Den Stoff zu derartigen Gruppen geben gewöhnlich
Verklärungen und Verzückungen von heiligen ab. Gerade
das vorige Jahrhundert brachte eine unendliche Anzahl von
herrlichen Altären hervor und ähnlich wie zu Zeiten der
Gothik wandten die besten Maler, die besten Bildhauer sich
der künstlerischen Ausschmückung der Altäre zu, so in unserem
bayrischen Stammlande die Zimmermann, die Asam, Schaid-
hauf, Faistenberger u. a. Will man aber ganz in das Schaffen
der Altarbauer des Rococo eindringen, so muß man auch
die unzähligen Vorlagen und Vorlagewerkc durchblättern, die
im vorigen Jahrhundert erschienen. Neben den unglaublichsten
Ausgeburten eines Menschenhirnes begegnen wir dort den
reizvollsten Gebilden; freilich ist oft die Möglichkeit der Durch-
führung solcher Entwürfe vollkommen ausgeschlossen.

Da das Empire in Deutschland nicht zu einer reicheren
Blüthe und am allerwenigsten in der kirchlichen Kunst ge-
langte, läßt es sich begreifen, daß wir Altäre der Empire-
zeit nur äußerst selten finden. Als charakteristische Beispiele
von Empirealtären seien jene der Klosterkirche zu Ebrach,
deren Innenausstattung wohl als die hervorragendste Leistung
des Empire in der kirchlichen Kunst Deutschlands genannt
werden darf, erwähnt. Der Altarbauer greift namentlich
auf den Barockaltar zurück; eine neue Altarform bringt er
nicht. Das Empire spricht sich vielmehr in den Details,
in steifen Guirlanden, Schilden, Kränzen, Konsolen u. A. aus.

Fragen wir uns zum Schluffe, wie sich das fst. Jahr
hundert nach der Zeit des Empire dem Altarbau gegen-
über verhielt, so nmssen wir vor Allem der Zeit der
Roinantik gedenken, die die Rückkehr zum Mittelalter pre-
digte und der so manches herrliche Werk des \6.r {7. und
f8. Jahrhunderts zum Opfer fiel. Und heute noch kann
nian die Nachwehen dieser Zeit verspüren. Noch immer

erkennt die Mehrzahl der Geistlichkeit nur den romanischen
und gothischen Stil als der Kirche angemessen an und wir
können oft genug wahrnehmen, wie man Altäre späterer
Zeit aus der Kirche hinauswirft, um gothische an ihre
Stelle zu setzen, häufig ganz ohne Rücksicht, ob die Kirche
ronianisch oder vielleicht barock ist. Mit Eifer wenden sich
jetzt allenthalben die maßgebenden Behörden gegen solche
Vandalismen und Widersinnigkeiten. Ja, wenn es noch
Kunstwerke wären, die an die Stelle der alten Altäre ge-
wöhnlich treten. So aber begegnen wir fast durchwegs
den unkünstlerischsten Erzeugnissen von „Fabriken kirchlicher
Kunst", denen der Stempel der Dutzendwaare weithin sicht
bar ausgeprägt ist. Erst die jüngste Zeit wendet den Eli-
tären wieder größere Sorgfalt zu und unserer Väter Werke
sind es, die den Altarbauern als leuchtendes Beispiel vor
Augen stehen. Ich möchte hier nur Professor Gabriel
Seidl's Altäre in der neuen St. Annakirche zu München
erwähnen, die durchaus den Geist des romanischen Stiles
athmen und auch zeigen, wie Aenderungen und Neuerungen
am Altarbau, die der Zeitenlauf erst mit sich brachte —
ich meine den Tabernakel — diesem Stile entsprechend ge-
bildet werden können. jAbgebildet in dieser Zeitschrift, Iahrg.
lchst-f, Tas. 2f u. u. Iahrg. I 8s)5, Tas. (6.) Glücklich
fielen auch Versuche aus, Altäre im Stile der Renaissance
oder des Barock zu bauen ; hier sei der zierliche Altar des
Bildhauers Schaidhauf erwähnt. (Kunstgewerbehaus
München.) Es bedarf eines sorgfältigen Studiums der
alten Vorbilder, um ganz im Geiste der Väter nach-
cmpfinden und schaffen zu können. Und hat auch der
Unverstand, die Restaurationswuth schon viele der herr-
lichsten Altarwerke vernichtet, so hat doch auch ein günstiges
Geschick uns viele noch erhalten. Man wandere nur durch
unser bayerisches Vaterland und man wird staunen, welch'
reichen Schatz so manche kleine- Dorskirche in seinem Altäre
birgt. Und lernt der Altarbauer diese Vorbilder nicht nur
in ihren Aeußerlichkeiten, sondern voll und ganz ini Geiste
ihrer Zeit erfassen und würdigen, so werden wir fürderhin
von Altären verschont bleiben, die ob ihrer Geschmacklosig-
keit viel eher aus einer Kirche geworfen zu werden ver-
dienten, als die, an deren Stelle sie getreten.

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ÖCnfßtti? kunstgewerblichen MustenblWen.

Taf. 26. Hochaltar in der Klosterkirche zu Blaubeuren.
Arbeit Almer Meister, vollendet ;§96. (Aus: „K. Baur, der Hochaltar
und das Gestühl im Thor der Klosterkirche zu Blaubeuren", mit freund-
licher Lrlaubniß des Verlegers Fr. Mangold, Blaubeuren abgedruckt.)

Nach den ausführlichen Erörterungen über diesen Hochaltar,
welche den begleitenden Text des obengenannten Werkes bilden, ist
die Autorschaft dieses einzigartigen Kunstwerkes keineswegs sichergestellt;
während die Einen dem Maler Zeitblom den Löwenantheil zuerkennen,
glauben die Andern in den Schnitzereien die Hand Jörg Syrlin's und
seines Sohnes zu erkennen. Mit größter Wahrscheinlichkeit darf indessen
das herrliche Werk als das Erzcugniß von Almer Meistern angesehen
werden. — Die den Hochaltar und das Gestühl zu Blaubeuren be-
handelnde Veröffentlichung haben wir in der „kgwbl. Rdsch."

S. ;oo eingehend gewürdigt, können aber nicht unterlassen, hier noch-
mals auf die musterhafte, besonders für Holzschnitzer werthvolle Publikation
hinzuweisen, welche alle Einzelheiten in vollster Deutlichkeit wicdergibt.

Diese Tafel dient zugleich als Illustration zu dem Aussatz über
die künstlerische Entwicklung des christlichen Altars und zwar zu S. 58.

Taf. 27. Stuhlwerk im Dom zu Messina. Zeichnung
von Architekt Gtto Rammelmeyer, Köln.

Dieses Stuhlwerk von Giorgio veneziano trägt die Jahreszahl
;s-zo, stammt also schon aus der späteren Blüthezeit der italienischen
Renaissance. Die Nischen mit den edel profilirten Säulchen verursachen
eine kräftige Schattenwirkung, nicht minder die in vollsaftigen Formen
gehaltenen Schnitzereien der Wangen. Arbeiten von diesem bedeutenden
Kunstwerth finden sich in Sicilien aus dieser Zeit viel seltener als in
Mittel- und Mber-Italien; daß zur Anfertigung dieses Stuhlwerkes
ein Meister aus Venedig berufen wurde, verdankt man wohl dem
Kunstsinn der Besteller.

Taf. 28. Silberne Monstranz ans der Pfarrkirche zu Tramin
v. I. ;^08. Aufnahme und Zeichnung von Fachlehrer Fr. paukertz
Botzen. Höhe der Monstranz 8;,s cm, Standstäche 23,8:;?,5 cm.
Die daneben dargestellten Einzelheiten stellen die Gravirungen aus
den Flächen des großen Knaufs und des obersten Schafttheiles dar.

Taf. 29. Rauchfaß. Aus der Pfarrkirche zu Tramin. Aufnahme
und Zeichnung von Fachlehrer Fr. Pankert, Botzen. (Höhe 29 cm.)

bjierzu „Kunstgewerbliche Rundschau" Nr. 7.

vcrantw. Red.: Prof. £. Gmelin. — Herausgcgeben vom Bayer. Irunktgewerbe-Verein. Verlag von HI. Echorß. Druck von Lnorr 4 Birth, München.

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