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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 3
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Moderne Kunstgewerbermuseen
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0036

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der Gegenwart z» machen, entgehen lassen? Wellen wir mit souveräner
Verachtung an Allem achtlos vorübergehen, was sich nicht in das
Dogma der alten Arbeiten fügt? Das deutsche Kunstgewerbe ist
nicht mehr wie ehedem aus den inländischen Markt allein angewiesen;
es muß sich aus dein Weltmarkt heimisch zu machen suchen, Hier
kann cs aber nur dann mit demjenigen anderer Länder crsolgreich
in die Schranken treterr, wenn es sich ihnen nicht nur nach der
künstlerischen, sondern nach der technischen und praktischen Seite als
völlig ebenbürtig erweist. Diesen Standpunkt erreicht es nur, wenn
der Kunsthandwerker sich genau über neu auftauchende Techniken rc.
Unterrichten kann, wenn er Gelegenheit hat zum Studium der zeit-
genössischen Leistungen anderer Länder,"

Die Ausstellungen bieten hierfür keinen ausreichenden Ersatz; denn
erstens finden dieselben nur in großen Zwischenräumen statt, zweitens
sind die Ausstellungsgegenstände für ein dein Praktiker ausreichendes
Studium ineist unzugänglich. Dazu kommt, daß die Ausstellungen je
länger desto mehr ihrem ursprünglichen Zweck entfremdet werden.

36. Aus dem Reichstagshaus. (20) Emblem zwischen den Säulen
der Südeingangshalle,

Gezeichnet von A. Spaetb, Berlin.

Denn da deren Beschickung von einer Menge geschäftlicher und anderer
Zufälligkeiten beeinstußt ist, so gibt eine Ausstellung auch selten ein
Bild der wirklichen Leistungsfähigkeit aus irgend einem Gebiete, Von
einem modernen Kunstgewerbemuseum wird man andererseits aber
auch nicht verlangen können, daß es die von der gegenwärtigen Kunst-
industrie eingeschlagenen Wege bis in alle Winkelzüge hinein klarlegt;
es muß sich darauf beschränken, die Richtung durch bezeichnende Mark-
steine erkennbar zu inachen und besonders auch jenen Vertretern des
Kunstgewerbes, welche auf die Ausfuhr ihrer Erzeugnisse angewiesen
sind, die nöthigen Anhaltspunkte zu geben. — Eine gut eingerichtete
und bequem nutzbare Bibliothek müßte durch' Sammlung von
Photographieen und andern Abbildungen hier ergänzend eingreifen.

Als ferneren unentbehrlichen Beftandtheil eines solchen Museums
möchten wir einen Ausstellungssaal bezeichnen, der cs erniöglicht,
Meisterausstellungen oder eng begrenzte Fachausstellungen zn veran-
stalten; die in den letzten Jahren durch Deutschland gewanderte Samm-

lung von Zeichnungen, Entwürfen rc. des englischen Malers Walter
Trane hat wohl z. Th. deßhalb in München keine Station gemacht,
weil es hier an einem geeigneten Lokal dafür fehlte. Derartige
Meisterausstellungcn könnten sehr anregend wirken, ebenso kleine
Fachausstellungen aus dem Gebiet der Keramik, der Ldelschmiedekunst,
des Schmiedeisens, der kirchlichen Kunst u, s, w. Wie vortheilhaft
wäre es für München gewesen, wenn man hier die wunderbaren
japanischen Bronzen der Netallausstellung in Nürnberg'(^885) für
wenige Wochen hätte beherbergen können? Gegen die Zusicherung,
das eine oder das andere Stück für das Museum zu erwerben, wird
cs nicht schwer halten, die betreffenden kunstgewerblichen Werkstätten
zur Veranstaltung solcher Musterausstellungen zu veranlassen; daß es
schwierig sein wird, unter diesen Werkstätten immer die richtige Wahl
zu treffen, darf allerdings nicht verschwiegen werden.

Hinsichtlich der Anschaffungen für ein modernes Museum sollte
es Grundsatz sein, daß Nachahmungen alter Stücke, auch wenn die-
selben noch so vortrefflich sind, nur an solchen Vrten Aufnahme finden,
welche keine Sammlung alter Vriginalien besitzen; denn es handelt
sich ja hier nicht darum, wie bei Ausstellungen, zu zeigen, was Der
oder Jener machen kann. Die neuen Museen liefen sonst nicht allein
Gefahr, den Lharakter einer neuen, aber verkümmerten Auflage der
alten Museen anzunehmen, sondern sogar zu Zuchtanstalten von
Imitationen — von denen es nachgerade genug gibt —■ herabzu-
sinken; das aber muß mit allen Mitteln verhütet werden. Das Kunst-
gcwcrbe der Gegenwart soll für das Leben, für Haus und Kirche,
für den wirklichen Gebrauch arbeiten; es soll seine Kräfte leihen zur
Verschönerung des Hauses, zur Ausschmückung der Kirche und anderer
öffentlicher Gebäude; cs darf nicht dazu verleitet werden, Museums-
stücke zu fertigen, die dem frisch pulsirenden Leben als todte Schau-
stücke gegenüberstehen. Man darf nicht vergessen, daß die vom Kunst-
gewerbe geschaffenen Gegenstände in ihrer überwiegenden Mehrheit
die Bestimmung haben, irgendwo gebraucht zu werden und nicht ein
selbständiges Einzeldasein zu führen; kunstgewerbliche Arbeiteti aber,
welche lediglich als Selbstzweck, für die Ausstellung in einem
Museum als Schaustück gefertigt werden, haben die Berechtigung ihres
Daseins verwirktl Neben jenen neuen Arbeiten, die stilistisch ganz auf
eigenen Füßen stehen, sollen aber auch solche hochwillkommen sein,
welche darlegen, wie man neue Ausgaben mit Hilfe des ererbten
Formenschatzes einer glücklichen Lösung zusührt; denn sowenig das
moderne Museum sich einer Ueberhebung gegenüber dem kunstgeschicht-
lichen schuldig machen darf, ebenso wenig sollen die Kunsthandwerker,
welche in der alten Formenwelt aufgewachsen sind, deßwegen nun
plötzlich aufs Trockene gesetzt werden. Auch sie sollen mit ihren
Arbeiten Berücksichtigung finden, sobald dieselben nur entschieden
neue Ideen an den Tag legen.

Im Gegensatz zu den alten Museen, welche mehr den sichtbaren
Niederschlag aus dem Meere kunstgeschichtlicher Vergangenheit dar-
stellen, soll das moderne Museum ein Bild des Wechsels unseres
niodernen Lebens bieten — nicht mit allen seinen fast täglichen Wand-
lungen, wohl aber in seinen wichtigsten Erscheinungsformen auf kunst-
gewerblichem Gebiet. Wir dürfen uns den Einwirkungen unserer
Umgebung nicht verschließen, wenn wir die nothwendige Anpassung
an dieselbe zu vollziehen in der Lage sein sollen; wir dürfen auch
nicht blindlings auf dem einnial eingeschlagenen Wege weiterschreiten,
sondern wir müssen von Zeit zu Zeit kurze Rast halten und dabei
scharf umherspähen, ob unser Weg nicht in die Irre führt und ob
uns nicht Andere auf anderen Wegen zuvorkommen. Dies zu ver-
mitteln erscheint uns als die vornehmste Aufgabe eines modernen
Kunstgewerbemuseums, L. G.


OCnf0tt0 kunstgewerblichen (DnlkerblWer.

Taf. ;o. Brunnen in Zürich 8. Jahrhundert). Aufnahme
und Zeichnung von Zeichenlehrer L, Gberhänsli,

Taf. p. Buffet, Entwurf und Ausführung von Hofmöbel-
fabrikant G. Fritzsche, München.

Taf. \2. Aus dem Hauptrestaurationssaal im deut-
schen Reichstagshaus. Entwurf von Geheim. Baurath Or. P.

Wallot; Ausführung der Vertäferung von Hofmöbelfabrikant A.
Pössenbacher, München; der Gewölbemalerei von Maler <D. Hupp,
Schlcißheim. — Aufnahme und Zeichnung von K. Spaeth, Berlin.

Taf ;3. Kaufmanns-Abzeichen. Entwurf von Architekt
Otto Rieth, Berlin. — Ausführung in Schmiedeeisen von Schulz &
Holdefleiß.

Hierzu ».Kunstgewerbliche Rundschau" Nr. 5.

verantw. Red.: Prof. £. Gmelin. Herausgegeben vom Bayer. Lunftgewcrbe-Verein. Verlag von M. Schorß. Druck von Lnorr § Birth, München.
 
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