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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 12
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Stockbauer, Joseph: Humoristische Bildungen im alten Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0105

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;27. Gewölbedekoration eines Erkerfensters (zu Taf. W gehörig) von Maler Alois Müller, München,

Übungen im ulten Knnftgeimöe.

Pon Prof. Dr. H. Ztoekbauer. )

as alte Handwerk gönnte dein Junior einen
weiten Spielraum. Uleine Anzüglichkeiten der
einen Handwerke gegen die andern wurden
sprichwörtlich, ohne daß man deren Entstehungs-
ursache mit Sicherheit abzuleiten im Stande ist. Ging
etwas verloren oder wurde untauglich gemacht, so ward es
verschustert, machte die Furnier nach dem Aufleimen eine
Blase, so hieß diese ein Aürschner, wurde etwas besonders
schlecht anbesestigt, so war es angeledert. Daß der Schneider
bei diesem humoristischen Genecke in Bild und Wort besonders
schlecht wegkam, ist bekannt. So gibt es Trinkbecher aus
Glas mit Malereien, welche eine lustige Gesellschaft von
Schneider, Hase und Ziegenbock darstellen. Zn der spätern
Aundensprache erhielten die einzelnen Handwerke besondere,
die betreffenden Thätigkeiten ironisirende Namen.

Aus der gleichen Wurzel des deutschen Humors ent-
sproßen auch verschiedene Handwerksgebräuche, die später
in Mißbräuche ausarteten und von Aaiser und Reich
wiederholt und großentheils vergebens geahndet wurden.

Derselben Wurzel entstammen auch die phantastischen
Formen von Gewerbeproduktcn, an denen namentlich die
Zeit der Renaissance so überaus reich war. Besonders
waren es die Trinkgefäße, in deren Bildungen sich der
ungemeffenste Junior äußerte. Noch sind uns zahlreiche
derartige Gegenstände erhalten, noch mehr werden in schrift-
lichen Dokumenten erwähnt, „heutigen Tages", sagt ein
Sittenprediger, „trinken die Weltkinder und Trinkhelden aus
Schiffen, Windmühlen, Laternen, Sackpfeifen, Schreibzeugen,
Büchsen, Arummhörnern, Ancbclspießcn, weinwagen,
Weintrauben, Aepfeln, Birnen, Aokelhähnen, Affen, Pfauen,
Pfaffen, Mönchen, Nonnen, Bauern, Baren, Löwen, pirschen,
Rossen, Straußen, Ratzen, Schwanen, Schweinen, Elend-
füßen und andern ungewöhnlichen Trinkgeschirren, die der
Teufel erdacht hat, mit großem Mißfallen Gottes im
Fimmel." Eine ganze Reihe von andern seltenen Trink-
geschirren hat Weiß in seiner Rostümkunde — 16. Jahr-
hundert S. 876 ff. — aufgeführt. Namentlich gehört hieher
der bekannte Stiefel, für dessen Einführung man mehr oder
weniger glaubwürdige Anekdoten erfunden hat. *)

Drei Materialien sind es vorzugsweise, die der Her-
stellung von solchen humorvollen Gefäßen sich zur Per-
fügung stellten: Thon, Glas und Metall.

Wir wollen hier aus der überausgroßen Menge von
Gegenständen, die sich in unfern Sammlungen erhalten
hatte.n, nur einige herausgreisen.

Die Bevorzugung der Majolika in Italien legte dieser
Industrie es nahe, den Eßtisch mit farbigen Geräthen aus-
zuzeichnen. Eines der wesentlichen Gefäße war das Salzfaß,
das in viel größeren Dimensionen als heutzutage hergestellt
und in den manigfaltigsten Formen zur Schau gestellt wurde.
Ein beliebtes Motiv war der Drache, der auf seinem Rücken
eine Schaale trug. (Abb. (28.) Uebrigens finden auch andere
Thierformen hiefür Pcrwendung. Zn Holland wurde in
der Fayenceindustrie besonders die Auh (Abb. (29) berück-
sichtigt und wir finden solche Darstellungen als bloße Schau-
stücke oder auch zu praktischem Gebrauche eingerichtet. Der
Lichter- oder Lampenträger, der in der Antike häufig ein

t28. Italienische Majolika; Länge 22 cm.

Faun war, wird in der Renaissance ein aus einem pirsch
oder sonstigem Thier reitender Gassenjunge, der schläfrig
und faul sein Amt verrichtet. Die Fabrik in Rouen nahm
gleichfalls mit Porliebe Typen vom Markte auf. Salzfässer
in Form von Marktweibern, die hinter ihren Aörben sitzen,
Salz- und Pseffergefäße in Forin eines mit zwei Aörben

*) Die Griginalien zu den Abbildungen ;28—;zs sind im Besitz des bayerischen Gewerbemuseums in Nürnberg.

X

Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbe-Vereins München.

*895. Heft *2. (Bg. *.)

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