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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 1
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Riegl, Alois: Kunsthandwerk und kunstgewerbliche Massenproduktion
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Halm, Philipp Maria: Das Zinn im Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0014

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I-

8

-t

/

\

3a noch mehr: die alten reproduzirenden Künste haben
sich gegenüber den photomechanischen Techniken nicht bloß be
hauptet; sie haben sich dieselben sogar dienstbar gemacht: der
Holzschneider photographirt auf den Holzstock, und nicht bloß
der Radirer, sondern fast schon jeder Maler gebraucht heute
eifrig seinen photographischen Amateur-Apparat. Ist dies nicht
ein eindringlicher Fingerzeig dafür, wie es auch die anderen,
handarbeitenden handwerklichen Künste machen sollen?

Freilich die Bequemlichkeit, mit welcher der Kunsthand-
werker seinerzeit unter dem Schutze der Zunftschranken dahin
vegetiren konnte, ist ihm heute versagt. Tr ist dein Drucke
mindestens des ganzen nationalen Marktes ausgesetzt, so-
serne ihn die Zollgesetzgebung von demjenigen des inter
nationalen Marktes befreit hat. Tr muß die Augen stets
offen halten, und muß vor allein stets und viel lernen.
Aber die Befähigung dazu hat unser moderner Kunsthand-
werker auch bereits glänzend erwiesen: war es denn was
leichtes, innerhalb weniger Jahrzehnte die verschiedensten
Stilrichtungen durchzumachen, und innerhalb jeder einzelnen
Stilrichtung womöglich jedes Jahr einer neuen Modeneigung
gerecht zu werden? Tin frisches, thatenlustiges Treiben er-
füllt unser modernes Kunstgewerbe, das gegeii die dumpfe

Stagnation etwa des vorigen Jahrhunderts nur vortheilhaft
absticht. Auch die Lebenshaltung unserer Kunstgewerbe-
treibenden ist gegen diejenige in den früheren Jahrhunderten
keine schlechtere, eher eine bessere geworden, lvenn dies
bezüglich Klagen laut werden, so ergeben sich dieselben haupt-
sächlich aus den gesteigerten Bedürfnissen: wie die allgenieine
Lebenslage aller Stände sich gehoben hat, so werden auch
von jedem Stand und somit auch vom Kunsthandwerker-
stande höhere Ansprüche erhoben.

Tiner der scharfsichtigsten Beobachter der modernen
Mirthschaftsentwicklung, Prof. Karl Bücher in Leipzig,
konnte vor wenigen Jahren (\890) sich folgendermaßen
äußern: „Die großen, wirklich kräftigen städtischen Hand
werke, welche am Tnde des l6. Jahrhunderts vorhanden
waren, sind heute nach der Zahl der Betriebe und der be-
schäftigten Personen in keinem ungünstigeren Berhältniß zur
Bevölkerung als dainals... manche von ihnen haben durch
Aufnahme neuer Techniken und besserer Merkzeuge eine innere
Kräftigung erfahren “ (Handwörterbuch der Staatswissenschaften
S. 9^6). Die Handwerke aber, von denen dies meines Tr
achtens vor allen andern gilt, sind diejenigen, die wir unter
dein Sammelnamen „Kunst Hand werk" zusammenfassen.

9 (ö). Zin'nschüsseln.

Durchmesser 33,5 bezw. 30 cm.

tun im MuiiMiiidMrk.

> aum ein anderes Metall sehen wir so spät zu
allgemeiner praktischer wie künstlerischer l)er-
wendung gelangen als das Zinn. Mohl ist cs
schon in frühester Zeit als geschätzter Handels-
artikel bekannt. Homer erwähnt seiner Verwerthung zu
Schmuck und Zier an Agamemnons Harnisch und Schild

*)

Nachdruck verboten.

und an Achills Panzer u. a. a. M. Die Prähistorie lehrt
tnis, wie es in Verbindung mit Kupfer zur Fabrikation der
zierlichen Bronzeschwerter, der Dolche, der wuchtigen Kelte,
der mehr oder weniger kunstvollen Zierrathe diente. Die
Antike bedient sich des Zinnes als selbständigen Metalles
nur ausnahmsweise. Römische Zinngefässe gehören zu den

*) Die z» diesem Aufsatz gehörigen Abbildungen sind mit Ausnahme der beiden ersten nach Grigiualien im National-Mufeum zu München,
und zwar nach Aufnahmen von lhofphotograph L. Teufel gefertigt.
 
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