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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 1
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Riegl, Alois: Kunsthandwerk und kunstgewerbliche Massenproduktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0013

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Geschmackes gönnen können, tragen doch auch jetzt noch, so-
weit die Mode dies überhaupt zuläßt, Aragen- und Aermel-
besätze aus bestellter Nähspitze, und nicht aus mercantiler
Maschinenspitze. Das Glend aber, in das die Spitzenklöppler
in einzelnen Gegenden gerathen sind, hängt nicht so sehr
mit den wirthschafilichen Umwälzungen, als mit lokalen
und noch anderen Faktoren zusammen.

Es würde zu weit führen, parallele Beispiele aus allen
kunstgewerblichen Gebieten zu zitiren, um zu beweisen, wie jede
neue Massenproduktion neuen Bedürfnissen entgegenkommt,
ohne im Allgemeinen die Befriedigung der alten Bedürfnisse
dem alten Handwerk und der herkömmlichen Landarbeit streitig
zu machen. Ich begnüge mich bloß mit der Erörterung eines
einzigen Beispiels, das allerdings ein besonders schlagendes ist.

der sog. reproduzirenden Techniken zunächst keineswegs ihre
Beschäftigung; aber sie wandten sich allmählig selbst den
neuen Techniken zu. Der alte Meister fand zunächst noch
fortdauernd Verwendung in seinem alten Handwerk: hat sich
doch die Miniaturmalerei auf einzelnen Gebieten (5. B.
Adelsdiplomen) bis in die neueste Zeit erhalten. Aber Schüler
strömten ihm nicht mehr in dem Maaße zu wie früher;
sie lernten lieber die neue Technik, ohne-aber darum wirth-
schaftlich den Boden des Handwerks aufzugeben. Sie machten
einfach die Massenproduktion dem Handwerke dienstbar. Die
Miniaturmaler schrien nicht Zeter und Mordio über die
neue Erfindung, sondern sie wußten sich allmälig dieselbe
zu eigenem Nutzen zu machen.

Ein weiterer Ruck in der Vervollkommnung der repro-

Als finit der steigenden städtischen Aultur, der Ver-
breitung der Aenntniß des Lesens und Schreibens auch in
der Laienbevölkerung das Bedürfniß nach Büchern weit
über das Maaß des Gebotenen hinausgestiegen war, kan:
es zur Erfindung der Buchdruckerkunst. Mas früher mit
derHand geschrieben werden mußte, wurde jetzt mit Typen
vielfältig gedruckt, parallel damit ging aber die Erfindung
gewißer Aunsttechniken: des Aupferftichs und des Holzschnitts.
Allerdings ganz neu war weder der eine, noch der andere:
aber ihre verwerthung zur Reproduktion bildlicher Dar-
stellungen wurde jetzt erst allgemeiner, weil eben jetzt erst
das Bedürfniß danach rege geworden war. Mas geschah
aber mit den zahlreichen Miniaturmalern, die, wie wir
wissen, sich dem \5. und sch Jahrhundert zu Lorpo-
rationen organisirt hatten? Sie verloren trotz der Erfindung

duzirenden Aünste ist nun in unseren Tagen geschehen. Ls
sind die photomechanischen Verfahren aufgekommen, die
noch weniger als diejenigen des s5. Jahrhunderts der Da-
zwischenkunft der menschlichen Hand bedürfen, hat der
Holzschnitt und der Aupferstich darunter gelitten? Aeines-
wegs; nur haben sich beide inzwischen selbst so vervoll-
konmmet, daß sie jeder auf seinem Gebiete den j)hototypien
mit vollem Erfolg Stand leisten können. Der Holzschnitt
hat sich zum Holzstich umgebildet, und findet mehr Ver-
wendung als jemals früher. And der Aupferstich hat sich
überwiegend auf das kürzere und zugleich charaktervollere
Verfahren der Radirung zurückgezogen; dieses aber ist mit
seinen Erzeugnissen Areisen zugänglich geworden, denen
seinerzeit die Radirungen Reinbrandts und seiner Genossen
unerschwinglich gewesen wären.
 
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