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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 10
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Dedreux, Oskar: Die Beleuchtungskörper im neuen deutschen Reichstags-Gebäude
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Brüning, A.: Die romanischen Vorbilder der amerikanischen Lichtkronen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0090

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Ecken, an welchen Aandelabersäulchen angebracht sind; sie
wird durch ein schweres über den Ecken verkröpftes Gesims
bekrönt und über diesem erheben sich vier von Prof. Wiede
mann flott modellirte, gegen eine aus ihnen lastende Arone
emporzüngelnde Drachengestalten. An den Stirnseiten vier-
große von Eichenlaub umgebene Streithelme. —

Die große Bogenlampenlaterne des Nordvestibüls
ist sechseckig und enthält an ihrem obern Rand einen hübschen
aus Aöpfen, Bändern und Wappen zusammengesetzten Fries;
der obere Abschluß des Beleuchtungskörpers wird durch eine
originelle Arone geschmückt. Die kleinern sind ähnlich, nur
etwas einfacher in der Formgebung. Die Laternen der Ost
eingangshalle sind einer aus dem f 7. Jahrhundert stammen-
den, in Versailles befindlichen Arvstalllaterne von birn-
formiger Gestalt nachgebildet, deren vierseitige, ziemlich starke
Glassacetten ebenfalls die Spangenschatten vollständig auf-
heben. Das Detail ist natürlich in die Wallot'sche Formen-
sprache übersetzt und tragen diese Beleuchtungskörper eben-
falls die deutsche Aaiserkrone.

Aandelaber wurden verhältnißmäßig selten ange-
wendet; wir geben die Abbildung eines solchen für die
Abgeordnetentreppe in zwei Varianten, wobei zu bemerken ist,
daß nur der einfachere Vorschlag zur Ausführung gelangte.

Alle größeren kunstreicheren Beleuchtungskörper wurden

in den Werkstätten der Aktiengesellschaft £. A. Riedinger
in Augsburg unter Leitung des Unterzeichneten hergestellt;
von den kleineren in mehreren Exemplaren vorkommenden
Apparaten wurden ebendaselbst Musterslücke angefertigt, nach
welchen dann die Ausführung der übrigen Stücke durch
Berliner, Uiainzer und Leipziger Firmen erfolgte.

Wenn zu Beginn dieses Aufsatzes das Verdienst Wallots
um die Förderung des Aunstgewerbes gedacht wurde, so
dürfen wir doch zum Schluß nicht unterlassen, auch derer
zu gedenken, welche den genialen Architekten gerade in diesen
Bestrebungen in jeder Beziehung unterstützt haben: Bau-
rath Häger, der in den Grenzen seiner Stellung mit großen
Wohlwollen und feinem Verständniß die Interessen von
Aunst und Aunstgewerbe zu fördern suchte und neben ihm
Regierungsbaumeister W i t t i g, der — soweit es die, oft spar-
sam zugemessenen, Wittel erlaubten — Alles aufbot, Wallots
Ideen durchzusetzen. Alan kann die Verdienste der Ge-
nannten nicht hoch genug anschlagen, wenn man sich vor-
stellt, welch' schweren Stand sie den Traditionen der alt-
preußischen Sparsamkeit gegenüber hatten. Wie sehr aber
auch die Parlamentsbaukommission die volkswirthschaftliche
Bedeutung von Wallots Bau verstand und wie thatkräftig
sie dem Meister zur Seite stand, das hat dieser selbst öffentlich
dankend anerkannt. O. Dedreux.

;06. Schlußleiste von I. Dietz.

von Vv. A. Brüning.

as berechtigte Aufsehen, das die eigenartigen
Beleuchtungskörper der Tiffany Glass and
Decorating Co. in New-Pork bei uns ge-
funden, beruht vor allem auf der allfeitigen
Anerkennung des gelungenen Versuches, die
mit zu starken Tönen das Auge treffende
Lichtquelle durch die Anwendung opalisirender
Gläser und vielfarbiger Glasflüsse nach Möglichkeit abzu
stumpfen und zu dämpfen, sodaß die geschwächten Licht-
strahlen sich mit mildem warmem Glanze dein Auge an-
schmeicheln. Die nicht jedem Raume, jeder Dekoration an-
stehende Pracht der buntschillernden Lichtkörper, die wie
sarbensatte Blumensträuße uns ansprechen, führt uns zurück
in verwehte Zeiten, wo der farbenfrohe Sinn sich am klingen
den Spiel der reichen Farbentöne nicht genug erfreuen konnte,
ein Sinn, der unserem Geschlechte erst wieder anerzogen
werden muß. Auch Tiffany, der sonderartige Aünstler, ist,
als er nach stützenden Vorbildern suchte, um seine eigen-
gestaltigen Werke zu schaffen, zurückgegangen auf die Schöpf
ungen längst verklungener Zeiten, in der Schatzkammer des
Mutterlandes hat er Anleihen gemacht. Doch diese alten
Erbstücke, sie wandeln sich in seiner Hand um zu neuen
selbständigen Gebilden, denen nichts von gequälter Absicht-
lichkeit anklebt. Auch darin, wie er es versteht, die alten
Motive zu neuen Melodien umzugestalten, nicht zu sklavi-
scher Nachbeterei, mag er uns Muster und Vorbild sein.

Begleiten wir ihn einmal bei einer seiner Fahrten in
den Goldschacht der Vergangenheit, zu jenen romanischen
Votivkronen, die ihm Förderung und Anregung bei der
Bildung von Lichtkörpern in der Art der großen Arone des
Berliner Aunstgewerbemuseums gegeben haben.*) Verdienen
sie es doch auch für sich schon aus der engeren Fachlitteratur
der Aunstwiffenschaft in weitere Areise überführt zu werden.

Gestalt und Arbeit dieser Weihekronen, welche vom
q. Jahrhundert bis tief ins Mittelalter hinein in beträcht-
licher Zahl die christlichen Airchen geschmückt haben müssen,
veranschaulichen aufs trefflichste die mit Edelgestein und
perlen besetzten westgothischen Aronen im IVlusee de l'bdrel
de Cluny zu Paris und in der Armeria Real zu Madrid,
welche, f2 an der Zahl, gegen Ende der fünfziger Jahre
in der Nähe von Toledo bei einem Orte, der sich la Fuente
de Guarrazar nennt, unter der Erde vergraben aufgefunden
worden sind. Als Repräsentanten der Haupttypen sind im
Folgenden 3 Aronen aus dem Tlunymuseum abgebildet worden.

Den Reigen führt an die Arone des Aönigs Recces-
vinthus, die größte und kostbarste unter ihren Begleitern.
Die Höhe des Reifes beträgt 0, l0, fein Durchmesser 0,2l m;
um ihn ziehen sich 3 Reihen von 30 großen orientalischen
Saphiren und ebenso vielen perlen in wechselnder Folge
herum. Je einer der größeren Saphire der mittleren Reihe,

*) vgl. Aunstgewerbl. Rundschau S. 39.
 
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