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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 4
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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Eduard Unger: geboren am 4. Februar 1853, gestorben 4. August 1894
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0037

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-+ *Ä*

37. Kopfleiste mit Initial M (Mephistopheles) vom f E. Unger.

(Die Griginalien fämmtlicher Abbildungen dieses Aufsatzes sind dem sehr reichen, dem verkauf unterstellten, Nachlast Ungers entnommen.)

Rom, den (0. März j880')

eit meinem letzten Briefe
habe ich wieder gar man-
ches gesehen, vor allem die
sirtinische Aapelle mit den
colossalen Fresken Michel
Angelo's, das größte,
was je die Malerei ge-
leistet hat; gegen diese so
unendlich hochstehenden
Aünstler sind wir mo-
derneit wie ein Bandkorn
gegen einen Felsen, und
doch schmähen manche
von heute die großen
Meister, diese Götter. Ich
merke immer inehr und
inehr, daß im ist. Jahr-
hundert die Aunst rück-
wärts gehen muß, zuitial
die große; sie verküm-
mert, und danrit leider
auch viele talentvolle
Leute, deren es gerade in
Deutschland in Masse gab
38. Randleiste von f L. Unger. und noch giebt. Aein
(halbe «>oße des Vrigmals., Beruf befriedigt weniger,

als die Aunst; ich bin manchmal ganz mit mir und meinem
Berufe zerfallen und ärgere mich über meine eiitseitige Ver-
anlagung, wenn ich auch damit Erfolg habe. Mein Wirkungs-
kreis ist eben ein engbegrenzter. Außer lumpigen Zwergen
und dergleichen dummem Zeug kann ich nichts schaffen, hier
in Rom schon gar nicht, denn ich habe keine Ruhe mehr.
Dieses Wanderleben sagt mir nicht zu, das Reisen befriedigt
mich gerade während des Reifens gar nicht besonders. Doch

■) Brief des verstorbenen Künstlers an feine Litern. Desgleichen
der zweite Auszug.

so geht es. viele, viele beneiden mich um die Reise, während
ich wiederum viel dafür gäbe, wenn ich manchmal ein wenig
in Deutschland sein könnte" . . .

Närrischer Aauz! sagt vielleicht Mancher, dem eine
Reise nach Italien, wie die Verwirklichung eines Traumes
vorkommt. Den Deutschen zieht es immer, immer wieder
über's Gebirge hinüber, das Land zu schauen, das schoit
ganze große Völkerstämme verschluckt hat, dessen Boden mit
deutschem Blute gedüngt ist, Blut von den Edelsten des Volkes
— man denke an das Schlachtfeld von Tagliacozzo und
den Tod Tonradins — und Blut von vielen hundert
Tausenden, deren Bauten nichts weiter gleicht als einem
Theilchen unter den unzähligen Wellen, die das Meer immer
von neuem auf dem Strande auflaufen, schäumend zerbersten,
vergehen, zurückfluthen läßt in die namenlose Unendlichkeit.
Noch ist es nicht gar lange her, da sah man in Deutschland
jenen Aünstler nicht für richtig zünftig an, der nicht mit
Malkasten und Staffelei einmal im Lande der Titronen
geweilt und zum mindesten ein paar Lopien berühutter
Bilder mit heim gebracht hatte. Mb der Aunst daraus in
allen Fällen viel neue Anregung zugetragen wurde, tnag
hier unerörtert bleiben. Es gehörte nun eben einnial zum
Handwerk. Die Roni-Fahrt war der Schlußstein der fünft
lerischen Bildung. War der eingesetzt, dann war man zu
allein fähig. Das ist Gott sei Dank anders geworden.

Weit weniger ist dieser Trieb bei den Franzosen aus
gebildet, die zeitweise den Druck italianisirter Hof Wirthschaft
nicht weniger spürten, als das Volk mancher deutschen
Fürstenthümer. Man braucht nur an den in Paris zur
Zeit der Maria von Medici gedichteten und überall ge-
sungenen Spottvers zu erinnern:

81 vous n'etes Italien,
vJäieu l’^spoir de la fortune;

Si vous n’etes Italien,

Vous n’obtiendrez jamais rien —

Glücklicher als das in Folge seiner Religionskriege zer-
rissene, zerrüttete, Deutschland, entledigten sich die Franzosen
schon frühzeitig mit gewaltigem Rucke des fremden Einflusses.

V

Zeitschrift des bayer. Kunstgewerbe-vereins München.

mo. Heft (Bg. 1.)

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