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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 3
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Moderne Kunstgewerbermuseen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0035

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gleichzeitig mit dem Ersterben des letzten „Zeitstils", des Empire, die
Industrie dem Handwerk mehr und mehr Boden abgewonnen, und
in gleicher Weise ist das eigentliche Kunsthandwerk auf die der Kunst-
industrie nicht zugänglichen, der hohen Kunst näherliegenden Gebiete
zurückgedrängt worden. Nun wäre es unbillig, Alles was die Kunst-
industrie hervorbringt, von der Sammlung moderner Erzeugnisse aus-
zuschlicßen. Ein modernes Kunstgcwcrbenmseum darf sich durchaus
nicht etwa darauf beschränken, nur solche Dinge zu sammeln, welche
möglichst wenig mit der Maschine in Berührung gekommen sind;
sondern cs muß auch Erzeugnisse der Kunstindustrie, also auch Massen-
artikel berücksichtigen. Je mehr aber eine Sammlung moderner Er-
zeugnisse hierauf achtet, nur so größer wird der Gegensatz derselben
zu dem antiquarischen Museum werden, — Grund genug, die Physiog-
nomie der antiquarischen Museen in ihrer abgeklärten Ruhe nicht durch
die Gegenwart moderner Arbeiten zu entstellen.

Auch in ihren Zielen haben die antiquarischen und modernen
Museen so viel Verschiedenheiten, die wieder Abweichungen in der
Organisation im Gefolge haben, daß die Vereinigung beiderlei An-
stalten unter einer Leitung schwerlich der Sache zu Gute kommt. Steht
bei deci antiquarischen Sammlungen das künstlerische, bisweilen auch
das geschichtliche Interesse in erster Linie, so glauben wir, daß bei den
modernen besonders das technologische Moment Berücksichtigung finden
muß; es gilt hier mehr zu zeigen, was man in der Gegenwart machen
kann und womit, als w i e es gemacht ist. Beispielsweise sind die
aus Amerika herübergekommenen Glasmalereien als Gemälde durch-
aus nicht mustergiltig; aber die dabei zur Anwendung gekommene
Technik ist neu und eigenartig, sie kann zu trefflichen Wirkungen be-
nützt werden, und darum gehören Musterstücke davon in ein modernes
Kunstgewerbe-Museuni.

Damit soll nicht gesagt sein, daß man wahllos jeglichem Ding
die Pforten des modernen Museums öffnen soll, bloß deshalb, weil
irgend etwas daran neu und eigenartig ist; nur muß inan sich ent-
schieden davor hüten, unfern herkömmlichen Maaßstab von „Stilreinheit"
daran anzulegcn. Denn schon gar Manches, was man bei seinem ersten
Auftreten belächelte und verhöhnte, wurde der Ausgangspunkt neuer
dekorativer Richtungen. Man wird freilich nur selten von vornherein
genau unterscheiden können, ob irgend eine Neuerung nur einer vor-
übergehenden Laune der dekorativen Kunst entspricht, oder ob sie die
Keime zu weiterer Entwicklung und längerem Dasein in sich trägt;
aber das sollte nicht davon abhalten, Muster aller Art, welche zur
Anregung nach irgend einer Richtung dienen köirnen, zu sammeln
und dem Kunsthandwerker zugänglich zu machen. Manche Dingo wer-
den schon nach wenig Jahren keine Beachtung mehr finden; da sie
dann ihren Dienst getha» haben, kann man sie auch getrost wieder
ausscheiden, sowohl um an Geld als an Raum zu sparen.

Die bisher besprochenen Punkte lassen erkennen, daß bei einem
solchen modernen Kunstgewerbemuseum die Leitung von anderen
Grundsätzen ausgehen muß als bei einem antiquarischen Museum;
sind weder beim einem noch beim anderen die Künstler unentbehrlich,
so müssen denselben bei dem modernen Museum statt der Kunsthistoriker
kunstgewerbliche Praktiker beigesellt werden, welche theils vonr techno-
logischen, theils vom kaufmännischen Standpunkte ihre Stimme abgeben.

Pros. l)r. p. F. Krell sagt in dem genannten Artikel über die
Muscumsfrage sehr treffend, daß den Kunsthandwerkern Gelegen-
heit geboten werden müsse, Fühlung zu nehmen „mit dem was ander-
wärts in Deutschland xroduzirt wird und mit dem was aus dem Welt-
markt erscheint. Früher, da konnte eine Produktion sich im wesent-
lichen auf das umliegende Gebiet beschränken und dasselbe beherrschen.
Heutzutage, wo die Länder der Erde durch den Danrps einander so nahe
gerückt sind, inuß unser Kunstgewerbe gerade so gut die Konkurrenz
weit entfernter Produktionsstätten anshalten, wie unsere Landwirth-
schaft die Konkurrenz des Getreidebanes in Ungarn, Rußland und
Amerika. Es genügt nun aber nicht, daß uris an den Schaufenstern
der feinen Magazine ein Theil dieser modernen Produktion vorgeführt
wird; unsere Künstler, Kunsthandwerker und Fabrikanten müssen die-
selben in die Band bekommen, damit sie sie auf ihre Güte prüfen,
eingehend studieren und Anregungen daraus entnehmen können".

Ein ähnlicher Gedankengang hat den Verfasser dieses zu dem
oben erwähnten Artikel veranlaßt; cs heißt darin mit besonderem Bezug
auf das Münchener Knnstgewerbe: „Wenn ein Heer sich siegreich erwiesen
hat, wenn seine Waffen denen des Gegners überlegen gewesen, so
sucht dieser vor allen Dingen, seine Bewaffnung auf gleiche Höhe mit

der des Siegers zu stellen; dieser wird bei besserer Führung vielleicht
auch jetzt noch den Sieg behaupten, — aber eine überlegene Bewaff-
nung kann ihm trotz besserer Führung nachtheilig werden. Das hiesige
Kunstgewerbe befindet sich nun in der glücklichen Lage, in den zahl-
reichen Vertretern der hohen Kunst eine vorzügliche Führung zu be-
sitzen. Aber während wir im vertrauen darauf es unterlassen, unser
Arsenal nach den neuesten Erfahrungen und Verbesserungen einzurichten
entwickelt man anderwärts die größte Thätigkeit, um in dem fried-
lichen Kampf der Konkurrenz den Sieg zu erringen." Nachdem dann
ferner auf die dahinzielenden Bestrebungen anderer Städte und Staaten

35. Aus dem Rcichstagshaus. (;y) Portal im Südvestibül.

Entwurf von Baurath Mallot, Modell von Bildhauer Aug. Vogel.

hingewiesen nnd die Nothwendigkeit der ebenbürtigen Ausrüstung
unsers Arsenals betont worden ist, fährt der Artikel fort: „Diese
Gleichstellung in der Ausrüstung kann nur erfolgen durch geeignete
Sammlungen. Wohl besitzen wir im Nationalmuseum, in der „reichen
Kapelle" re. alte Schätze, wie sie nur wenige Städte besitzen und
um welche uns manche größere Stadt beneidet; aber die Welt schreitet
weiter, die Technologie bringt uns täglich neue lleberraschunge», die
kaufmännische Konkurrenz verlangt ein möglichst rasches Ausbeuten
der neuen Errungenschaften des Wissens u. f. w. Alle Hochachtung
vor den alten Meistern; sie ist vollständig berechtigt! Aber sollen wir
uns ihretwegen den vortheil, gründliche Studien an guten Arbeiten
 
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