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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 7
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Halm, Philipp Maria: Die künstlerische Entwicklung des christlichen Altars: besonders in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0067

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des Raumes angepaßt. Die Predella behält zunächst noch
die alte Form bei und wird mit ähnlichen Szenen wie in
der Gothik mit Skulputuren oder Malereien dekorirt. In
der Spätrenaissance und im Barock treten alsdann die
Seitennischen, die wir schon als Rudiment der gothischen
Flügel kennen gelernt haben, immer mehr zurück. Aus der
Nische wird ein an den Mittelbau sich anlehnender einfacher
Baldachin, der allmählich ganz verschwindet. (Siehe die Ab-
bildungen der Altäre von Möschenfeld und Mettelkamm in
der Zeitschrift des bayer. Aunftgewerbevereins f893, Seite
3 und 5.) Der ganze Altar erreicht bald eine gewaltige
Größe, die den Chor vollständig für sich beansprucht oder
wie es nicht selten geschieht, den Chor vom Langhause trennt.
Den Mittelbau bildet ein umfangreiches, vom dekorativen
Standpunkte aus zumeist sehr wirkungsvolles Tafelgemälde,
wenn man nicht, wie so häufig im bayrischen Stammlande,
in pietätvoller Meise die Figuren gothischer Altäre hiezu
verwerthete. Mie glücklich die Meister der Renaissance und des
Barock die beiden Stile harmonisch zu vereinen wußten, mag
der Altar von Schaching bei Deggendorf beweisen. (Abb. 82.)

Schon in der ersten Hälfte des so. Jahrhunderts war
eine Aenderung mit der Predella eingetreten, indem man
sie ganz oder theilweise als Tabernakel benützte, oder auf
dieselbe einen solchen stellte und so den Aufbewahrungsort
der Eucharistie mit dem Altäre vereinigte, wie es ähnlich
bei den Tiboriumsaltären der Fall gewesen war. Die Zeit
der Gothik machte aber von dieser Neuerung verhältniß-
mäßig wenig Gebrauch; sie bediente sich noch eigener Be-
hälter für die Eucharistie, die in den Sakramentshäuschen
ihre künstlerischste Ausbildung erhielten. Erst mit der Spät-
renaissance findet der Tabernakel allgemeinere Verwendung,
um als dann im Barock und Rococo zu seiner reichsten und
künstlerischsten Ausbildung zu gelangen. Mit dem Barock
entwickelte sich auch eine neue Form von Altären, indem
die äußeren Säulen der Altäre aus der vertikalen Ebene
heraustraten, so zwar, daß eine Art von Tiborium- oder
besser gesagt von Baldachinaltar entstand, freilich ist das
Dach oder der Baldachin oft auf das Aeußerste beschränkt
oder nur scheinbar vorhanden. Die Italiener griffen häufig
und mit Glück zu dem alten Tiboriuinsaltar selbst zurück
und konstruirten gewalige, den imposanten Tempeln ent-
sprechende Altarbauten, als deren hervorragendstes Beispiel
der sogenannte Tabernakel Berninis in der Peterskirche zu
Rom erwähnt werde (Abbild. 83).

Mas hätte auch besser in einen solchen Auppelraum
gepaßt und was paßt überhaupt in eine barocke Airche
besser als ein Barockaltar? Die Restaurierungsbestrebungen
des fst. Jahrhunderts hatten es zunächst immer mit der
Entfernung der Barockaltäre zu thun, um dann womöglich
in eine Barockkirche einen sogenannten gothischen Altar zu
setzen. Es würde über den Rahmen des Themas hinaus-
gehen, hier über so viele Sünden dieser Art zu sprechen oder
eine Vertheidigung des Barockaltars einzuschieben.

Es ist begreiflich, daß das Streben nach neuen Formen
gerade am Barockaltar auch zu absonderlichen Erfolgen
führen mußte, doch finden sich diese sehr selten. Des Turio-
fums wegen fei hier nur an des Jesuiten Andrea del pozzo
Entwurf eines Altars mit sitzenden Säulen erinnert. Von
dem Gedanken ausgehend, daß man die Aaryatiden auch
sitzend als Träger verwenden könnte, kommt er, gelinde ge-

sagt, zu der Absurdität, in der Art einer sitzenden Figur auch
die Säulen eines Altars zweimal abzubiegen. (Abgebildet
bei Gurlitt, Geschichte des Barockstils in Italien, S. H6l.)

Der Altar des Rococo behält im Wesentlichen zunächst
die allgemeine Form des Barockaltares bei und ändert nur
die Details, so namentlich die Aapitäle, das Gebälk. All-
mählich aber lösen sich die Massen aus, nur wenige statische
Glieder bleiben; diese aber schließen sich enge an die Archi-
tektur der Airche an, ja häufig verschinelzen sie mit ihr in
ein Ganzes; jetzt erscheint der Altar nicht mehr für die
Airche, sondern vielmehr die Airche für den Altar gebaut
zu sein und dieser bildet dementsprechend den Aernpunkt,
das Tentrum der ganzen Architektur. Als hervorragende

83. Berninis Kochaltar in der Peterskirche zu Rom.

Beispiele mag hier auf die Airchen von Wies (B.-A. Schon-
gau), von Andechs oder Rott am Inn hingewiesen werden.
(Man vergleiche die Abbildungen der Altäre von Andechs
und Aempfenhausen S. 2q und 26 des Jahrgangs f8st3
der Zeitschrift.) Die Figuren der Rococoaltäre stehen nicht
selten in innerern Verkehr mit dem Hauptbilde des Altars
und sind dementsprechend auch komponirt; deshalb darf man
nicht eine Barbarei begehen, wie es in der alten St. Anna-
kirche in München geschah, daß man die alten Tafelbilder
ohne Rücksicht auf die Seitenfiguren verwechselte oder durch
neue ersetzte. Noch eines anderen Mittels zur Erhöhung
des Effektes bediente sich der Altarbauer des Rococo, in-
dem er das durch die Fenster einfallende Licht benützte.
Man verglaste die in Betracht kommenden Fenster, nament-
lich das Ehorfenster je nach der beabsichtigten Wirkung bunt
und übergoß so die Altargruppe mit inagischem Lichte.
 
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