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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 4
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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Eduard Unger: geboren am 4. Februar 1853, gestorben 4. August 1894
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0043

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u. s. w. Cs sind im Ganzen vierzig völlig ausgeführte Blätter,
die alle hier aufzuzählen keinen Zweck hat. Zu wünschen
ist nur, daß sie nicht ein für allemal aä acra gelegt sein
möchten.

Für die Kunsthandlung von Ackermann in München
zeichnete Anger sodann eine Suite von Blättern: „Gnomen-
leben". Auch diese ist nicht als Gesammt-Publikation er-
schienen, vielmehr wanderten die Blätter dahin, dorthin.
Manches davon hat Schauenburg in Lahr verwendet. Bei-
nahe zahllos ist die Reihe von Entwürfen aller Art, die
Anger für Amelang in Leipzig, für Obpacher in München,
für Benziger in Einsiedeln, für Enslin und Leiblein in
Reutlingen, für A)etzel und Naumann in Leipzig, für den
Herausgeber des „Universum" in Dresden, G. Hauschild,
und für andere Auftraggeber gezeichnet hat, immer wieder
neu in seinen Einfällen, vielleicht nicht immer zum Bor-
theile der eigenen Weiterentwickelung. Da treiben z. B.
aus einem Blatte allerhand Erd- und Wassergeister die
perlenden Mühlräder, anderswo hantiren Aobolde zwischen
den Maschinen einer Mühle herum, oder der Tod geht
durch den Wald und schüttelt mit seiner knochigen Hand die
Stämme, daß die Blätter im winde wirbelnd davonjagen;
wieder anderswo sitzt der Anochenmann auf einem Baum-
ast und macht die Schlinge zurecht, die einem Lebensmüden
zum Beförderungsmittel in's Jenseits werden soll. Die
„Schneckenpost" ist durch Vervielfältigung wohl Manchem
bekannt geworden. Auch vielerlei Allegorisches ist unter
seinen Arbeiten zu sinden. Der „Nebel" z. B. ist eine
dichtverschleierte, weibliche Figur, deren lang nachschleppender
Gewandsaum über die Erde hinstreift; „Legende", „Airchen-
lied" und eine Menge anderer Sujets hat er des ferneren
auf diese Weise behandelt. Zum Jubiläum der Würz-
burger Universität zeichnete er in humoristischer Weise eine
Darstellung der vier Fakultäten (siehe verkleinerte Wieder-
gabe der „Philosophie", Abb. 44). Zn Humoresken aller
Art überhaupt war er unerschöpflich; die Zahl der Rand-
und Kopfleisten, die er im Lause der Jahre gezeichnet, ist
enorm, gleichwie jene von Etiquetten, Tanz- und Einladungs-
wie Gratulationskarten und Emblemen aller Art. Mit-
unter griff er auch wieder zu Pinsel und Palette. Zahl-
reiche kleinere Bilder seiner Hand sind nach Amerika ge-
wandert, und wer unter den Münchener Figurenmalern der
siebziger und achtziger Jahre hätte nicht die zu jenen Zeiten
immer gangbaren „Amoretten" gemalt!

Auch mit direkt kunstgewerblichen Entwürfen mannig-
facher Art, Fächer, Intarsien für Schmuckkästchen, Wand-
vertäfelungen, Plafonds hat er sich vielfach beschäftigt,
anderseits auch manches Vorhandene seinem reichen Schatze
an Studien einverleibt. Sein Lieblingsstudium aber waren
die Erscheinungen der Pflanzenwelt, nicht im malerischen
Sinne allein, sondern auch hinsichtlich ihrer ornamentalen
Verwendbarkeit. Mit einer Liebe und Sorgfalt sondergleichen
unterzog er den Zusammenhang der Formen, wie er durch
die Funktionen der einzelnen Theile bedingt wird, einer
genauen Beobachtung. Tagelang, wenn er mit seinen Eltern
ins Gebirge,' nach Garmisch oder Oberaudorf, wanderte,
setzte er sich hin, um die mannigfaltigen Erscheinungen eines
einzelnen Grasbüschels zu studiren, die vielfach ausgezackten
Blattlappen dieser, jener Pflanze zu Papier zu bringen, die
gewundenen Formen einer wie spätgothisches Ornament

-f-

aussehenden Brombeerstaude bis ins kleinste Detail zu ver-
folgen, kurzum das 'zu thun, was der wahre Lebensadern,
die einzig gesunde und richtige Grundlage jeglicher Zierform
ist, das Natürlich-logische. Man betrachte auf der S. 30
wiedergegebenen Zeichnung, mit welch seinem Verständnisse
z. B. die Anordnung der Körner nur den Kern des Türkisch-
kornkolbens wiedergegeben, wie vorzüglich die Turven an
den Hülsen der Paprikaschoten studirt sind. Und wenn am
Stempel einer Pflanze, die er just zeichnete, eine Schnecke
saß, so gab auch sie das Thema für dutzenderlei Linien-
Tombinationen ab, ebenso wie Eidechsen oder Schlangen, die
ihm just ins Revier kanten. Was er in einem der oben
wiedergegebenen Briefe über die Art seiner Darstellungen
ini Verhältnisse zur realistischen Wiedergabe der Natur sagt,
spricht sich deutlich darin aus, wie er z. B. wetterzerzauste
Bäume, Wurzelstrunke, dürres Astwerk (f. Abb. 40) auf-
faßte. Es liegt immer ein leiser Zug zum Stilisiren darin.
Das kann aber nur unternehmen, wer genaue Kenntniß von
der Naturform hat, wie sie ist, nicht blos Erinnerungen von
ungefähr, wie man ihnen gar oft bei Werken der Kunst
unserer Tage begegnet.

Die Studien dieser Gattung führten Anger zusammen
mit dem durch das Werk „Die Pflanze" (Wien, Verlag von
Gerlach & Schenk) rühmlichst bekannt gewordenen Ad.
Seder. Anger hat dafür eine ganze Reihe von Blättern
geliefert'), die als sehr tüchtige Leistungen hier verzeichnet
werden müssen. Das Zusammenarbeiten mit Seder führte
indeß auch noch zu andern Dingen, zu Aufgaben, wie Anger
sie sich schon immer sehnlichst gewünscht hatte: Malerische
Innendekorationen. Entwürfe solcher Art hatte er, ohne
einen bestimmten Zweck dabei ins Auge zu fassen, für sich
schon seit Jahren gemacht; auch errang er für einen solchen
Entwurf, wie schon erwähnt, an der Akadeinie gelegentlich
einer daselbst gestellten einschlägigen Preisaufgabe für feine
Lösung die Anerkennung des Professorenkollegiums sammt
Geldpreis. Aber auf Papier, auf Leinwand, in kleinen
Formaten kann man sich nicht „austoben". Wände, große
Flächen in dekorativer Weise auszugestalten, dazu muß man
breite Pinsel in volle Farbentöpse tauchen können. Die Ge-
legenheit ward anläßlich des Baues eines Tafehauses in
München, des Tafe Gaßner nahe den: Tentralbahnhofe,
geboten, mit dessen Ausschmückung Professor Seder betraut
wurde. Anger griff mit allen zehn Fingern darnach und
theilte sich, soweit figurale Kompositionen in Betracht kanien,
mit dem Maler Moritz Roebbecke in die Arbeit. Das Ge-
sammt-Arrangemcnt behielt Seder sich vor. — Der Raum
sollte im Geschmacke des Rococo gehalten werden. Das
ist nun an und für sich keine außerordentlich glückliche
Idee, denn die Prunkräume des f8. Jahrhunderts mit
ihren zierlichen Stuecaturen, den in weichen gebrochenen
Tönen gehaltenen Wandbespannungen in Seidenstoff oder
Gobelins waren nicht für tabaksqualmende Wirthshaus-
gäste berechnet. Man mußte mithin schon von vorneherein

') Von ihm rühren her die Tafeln 55, 73, 86, 95, \\2, \20,
;27, \29, ;37, ;<*7, ;59, ;60, ;S7 und ;87. Im gleichen Ver-

lage erschien das Merk „Allegorien und Embleme", von Unger sind
darin die Nummern ;o, ;oa, 67, 95, ;03 für den ersten, ;o;,
;02 und ;29 für den zweiten Theil. Für die demnächst erscheinende
Fortsetzung der Allegorien lieferte er noch in der letzten Zeit seines
Lebens die Blätter „Bauerntanz" und „Schuhplattler".
 
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