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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 1
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Halm, Philipp Maria: Das Zinn im Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0017

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hält sich jedoch nicht ängstlich an das Original. Ls genügt
eine genaue Betrachtung des Temperantiareliefs. Alan be-
trachte nur ganz äußerliche Punkte, wie z. B. der rechte
Fuß bei Briot mehr von vorne (drei Zehen) gesehen er-
scheint, wie bei Lnderlein seine Zehe), oder wie bei Briot
der linke Zeigefinger über, bei Lnderlein unter den Henkel
gelegt ist. Der Paarschmuck ist lockerer, das Schloß im
Hintergrund ist reicher bei Lnderlein gebildet. wir sehen
also, daß das technische vermögen auch bei unserem Meister
ein vortreffliches, nicht viel gegen jenes Briots zurückstehendes
war und das erkennt in sehr lobenswerther weife auch
Germain Bapst (n’en fut pas moins un artiste de talent)
an. Den Beweis hiefür geben uns feine anderen Arbeiten,
die man nach den Mittelstücken die Adam- und Lva- und
Marsschüssel nennt. Pier lagen keine plastischen Vorbilder
vor, sondern nur Stiche nach französischen Meistern können
zu Grunde gelegen haben. Zn der Ausführung stehen diese
Arbeiten keineswegs gegen die Temperantiafchüffel und
Ranne zurück.

Ls ist begreiflich, daß diese Prachtstücke auch Nach
ahmung fanden, sei es in ganzen Stücken oder in Linzel-
heiten. Lin sehr interessantes Stück im k. National-Museum,
ein Rrug, der auf dem Boden als Zeichen einen Zirkel
mit einer Rose und den Buchstaben F. B. trägt und in
Folge dessen als Merk Briots angesehen wurde, mag hier
angeführt werden (Abb. s0). Der Zinngicßer benützt für seine
Figuren drei Figuren der Marsschüssel. So wandelt er die Afrika
jAbb. s Pin eine Patientin um, welche sich mit dem rechten Arm
auf einen Schädel stützt; an Stelle des Rächers treten Dornen,
der Llephant und das Männchen im Hintergrund ver
schwinden. Die Luropa stempelt er zu einer Sollertia; er
gibt ihr statt des Füllhorns eine Sanduhr, der linke Fuß
ruht auf einem Panzer statt auf einem Pelm. Die Treppe
im Hintergrund ist nicht perspektivisch, sondern im Profil dar-
gestellt, der Reiter ist verschwunden. Die Asia wird für
eine Figur, welche Ron vi unterschrieben ist, benützt. Die
Hand ruht aus dem Haupte eines Löwen, die linke stützt
sich statt aus eine Truhe aus die Lrde. So sehr auch die
Buchstaben F. B. zu der Annahme, der Rrug sei ein Werk
Briots verlocken, so sehr spricht die ganze Ausführung da
gegen. Diese weist aus einen deutschen Meister hin, die
Rose zwischen den Schenkeln des Zirkels direkt aus Nürnberg.

Neben den Nachahmungen, welche sich an Briots und
Lnderleins Werke anschlossen, entstanden aber bald un-
zählige andere Rannen und Schüsseln; kein Werk aber konnte
den Ruhm dieser Beiden verdunkeln, so zierlich auch diese
Wappenteller, Apostelteller, Taufschüsseln und andere der-
artige Prunk oder Rultgeräthe sein mochten. Neben der
Technik des Reliefgusses sehen wir auch wohl das Aetzen
angewandt, im verhältniß zu dieser weit einfacheren Technik
freilich sehr selten. Auch die Gravirung findet nicht so
häufig Verwendung als sich erwarten ließe. Als ein sehr
interessantes Stück führe ich einen zweihenkeligen, elfseitigen
Rrug vom Jahre s650 )k. National-Museum München)
an, der in ähnlicher weise wie die oben angeführten Rannen
von Breslau (^97) und Löwenberg (1525) gegliedert ist
und ebenfalls aus Schlesien stammt (Abb. \2), Die Mittelzone
jdyt die Figuren von Tugenden rc., in die Zwickel der oberen
und unteren Zone sind einfache Renaissancemotive cingravirt.
Derselben Sammlung gehört ein zierlich gefaßter Rokosnuß-

becher an, dessen Details auf die Mitte des 17. Jahr-
hunderts weisen (Abb. \3).

Aus der zweiten Hälfte des 1,7. Jahrhunderts wie aus
dein 1,8. Jahrhundert sind auch eine große Anzahl viereckiger
Zinnflaschen mit Schraubenverschluß, welche theils plastisch,

(t2). Waschgefäß.

Gesammthöhe 69 cm.

theils mit Gravirungen geziert sind, vorhanden, von origineller
Form sind auch die Handwärmer für Rirchgänger, welche
Gebetbücher mit reichem Beschlag und zierlichen Schließen
nachahmen (Abb. {H. Auch die Waschbecken und Wasserbehälter
für das Zimmer oder die Sakristeien boten Stoff für eine mannig-
faltige künstlerische Behandlung; Delphine, die Wasser in
Muscheln speien oder Aehnliches (Abb. 15). vielfach werden im
17. Jahrhundert auch die Zinnsärge mit Gravirungen oder Aetz-
ung verziert. Besonders reich dekorirte Särge förderte die Meff-
 
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