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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 3
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Jaffé, Franz: Die Innen-Ausstattung des Reichstagshauses, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0030

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enthält flöten blasende Engelsfiguren von herzgewinnender
Naivität und entzückendem Liebreiz, In dem gegenüber-
liegenden Fenster ist die Zwietracht zur Darstellung gebracht.
Die Figur eines Mannes in satanischem Roth und die
Figur eines Weibes, mit einer Zackenkrone geschmückt, stehen
in feindlich abgewandter Stellung vor dein Stumpf eines
Baumes, um den sich das Symbol der Zwietracht, die
Schlange, ringelt; über ihnen ist die Gestalt des Bösen an-
gebracht aus einem Hintergründe von rothen Flammen einen
Schild haltend, der in seiner Inschrift an den verzehrenden
Unfrieden gemahnt und besagt: »Viscorclia maximae dila-
buntur«. Das Ganze ist von einer Borte eingefaßt, welche
die Gestalten der Hölle zum Ausdruck bringt. In beiden
Glasgenrälden ist unzweifelhaft etwas technisch und künst-
lerisch Vollendetes geschaffen worden, welches dem Schöpfer
derselben zur besonderen Ehre gereicht; sie bewegen sich
durchaus aus der Höhe der großen, kirchlichen und welt-
lichen Dunst der Vergangenheit, wie sie namentlich in Deutsch-
land und Holland zu so großartiger Blüte gelangt ist.

und vergoldet ist, weithin sichtbar gekennzeichnet. Um dem
Raume eine gute Akustik zu sichern, hat er dieselben Abmess-
ungen wie der alte Reichstagssaal, nämlich 27 m Länge und
21 m Breite bei sä m Höhe erhalten und ist aus diesem
Grunde, gleichfalls aber, um ihm den Charakter der Behag-
lichkeit zu geben, vollständig in Holzarchitektur hergestellt, die
sich in zwei Geschosse gegliedert, ein unteres, durch flache Pa-
neele charakterisirtes, und ein oberes, welches zu Logen und
Tribünen ausgebaut ist. Der Hauptaccent in der Ausbildung
ist naturgemäß der Vst wand zu Theil geworden, wo im Erd-
geschoß die Plätze des Bundesraths, sowie des Präsidiums
und die Rednertribüne sich befinden, außer den Plätzen der
Stenographen und dem Tisch des Hauses. Der reiche orna-
mentale Schmuck in der Holzskulptur, welcher dieser Wand zu
gedacht war, ist leider noch nicht zur Ausführung gelangt,
ebenso die kolossalen Wandgemälde in der Höhe des Logen-
geschoffes, welche dazu bestimmt sind, in Monumentalbildern
die großen Ereignisse der Vergangenheit künftigen Geschlech-
tern zu überliefern. Alle Holztheile sind deutsches Eichenholz.

2<>. Aus dom Reichstagshaus. (;o) Mand mit Thüren und Gestühl in den Vorsälen der Räume des Bundesraths uud des Reichstagspräsidcnten.

AusgefüHrt tbeils von A. p ö f fe n b a dj c r, München, tbeils voll €. peter, Mannheim. — IN naß stob J : 50.

Jedoch auch die Stenttechnik gelangt in diesen beiden
Räunien zu ausdruckvollster Gestaltung; denn dieselben ent-
haltet vier Portale von Bildhauer A. Vogel (München)
herrührend, welche das höchste technische und künstlerische
Rönnen vereinigt zur Darstellung bringen. Sie sind an den
Schildwänden der Dorridore angebracht. In den Forinen
deutscher Spätrcnaissance komponirt, bringen dieselben, von
Schildhaltern flankirt, die Wappen der vier Königreiche in
ihrem oberen Theile zur Darstellung.') Die künstlerische Durch-
bildung der Steinarchitektur erstreckt sich in gleicher Weise
auch auf die Anfänger der Gewölbegrate, welche sich in der
anstoßenden Breitenpassage befinden, indem Dinderfiguren
an dieser Stelle angebracht sind; auch die Gurtbögen sind
durch figürliche, reiche ornanientale Plastik hervorgehoben.

Fast in unmittelbarer Verbindung mit dem Düppel
raume der Wandelhalle befindet sich der Sitzungssaal im
Centrum der ganzen Bau-Anlage; derselbe wird im Aeußeren
durch die hohe Glashaube, deren Gerüst mit Dupfer bekleidet

') Abbildung auf S. 27.

Eine besonders eigenartige Ausgestaltung haben die
Brüstungen des Logengeschosses und namentlich die Pfeiler
bildungen erhalten, welche auf Flachbögen die abschließende
Voute und die Decke tragen. Sie sind zu Hermenbildungen
ausgestaltet, mit einen: fast überreichen ornamentalen Schmuck,
während Vergoldung und Bemalung in sparsamer Weise
zur Belebung des Architekturgerüstes und des Figürlichen
herangezogen ist. Eine reichere Bemalung zeigt der Schilder-
sries, Bundesstaaten und deutsche Städte darstellend, welcher
sich in der Voute angebracht findet; darüber schließt die in
lichten Tönen gehaltene Vberlichtdecke den Raum ab, mit
einer einfach umrahmenden Borte und mit dem in Grisaille
Farben gehaltenen Reichsadler in kolossalen Abmessungen
versehen. An den Holz-Skulpturen ist in erster Linie der
Bildhauer Vogel, und daneben der Bildhauer Giesecke be
theiligt; die Ausführung der Holzarbeiten selbst hatten die
Berliner Tischlerfirmen G. M l m und Gebr. L ü d t k e
übernommen.')

') Abbildungen Seite (3, ;6, ;8, ;<) und 2;.
 
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