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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 3
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Jaffé, Franz: Die Innen-Ausstattung des Reichstagshauses, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0032

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24

Raume sind dunkelblau; dazu tritt das schöne Dunkelbraun
der Holzarchitektur der Wände. und der Decke, welches dem
Rauine etwas außerordentlich Vornehmes und Behagliches
zu gleicher Zeit verleiht.

Die Erfrischungsräume haben ihrer Bestimmung
gemäß eine ganz eigenartige Ausbildung durch Holz Skulptur
und Deckenmalerei erhalten. Der lange Speisesaal selbst
wird von einem mächtigen mit Stichkappen versehenen
Tonnengewölbe überdeckt, welches genial erfundene Decken
Malereien des Münchener Malers CD. Hupp enthält, der
in der Reichshauptstadt schon vorher die allgemein aner-
kannten Malereien im Tücher- und Sedlmayr-Bräu aus-
geführt hatte. Es ist eine bemerkenswerthe Leistung hierin
geschaffen worden, die in farbiger Weise künstlerisch über-
raschend wirkt. Die Verglasung der Frontfenster nach dem
Königsplatz zu mit buntem Glas ist vorläufig noch unter-
blieben; nach Ein
fügung rötlicher und
gelber Töne hierin
wird jedoch die Ma-
lerei in wohlthuender
Weise zusammengestimmt
werden und den Raum zu
einem der anziehendsten im
gesammten Reichshause
machen. Die Bemalung der
Decke selbst ist in folgender
Weise geschehen. Die ganze
Gewölbefläche ist mit lauch-
grünem Rankenwerk bedeckt,
welches in Kämpferhöhe ent -
springend, einen blauen Un-
tergrund sichtbar werden
läßt; dieser selbst wird durch
ein ockergelbes Netzwerk ge
gliedert und enthält außer-
dem in Roth dargestellte
Früchte, welche, in der Wir-
kung hervortretend, gewisser
maßen Richtpunkte für den
Lauf der Voluten bilden. Am
Kämpfer selbst sind Rinder
figuren angebracht, welche
musiciren und „allerlei Kurz-
weil" treiben; gleichzeitig er-
blickt man hier einen Wappenfries, welcher die Bundesstaaten
zur Darstellung bringt; ebenso kommt die Heraldik in der
Deckenmalerei zu ihrem Rechte durch einen mächtigen Reichs
adler, welcher sich in der Butte des Tonnengewölbes befindet,
und durch die Darstellung der Reichsinsignien, welche ebenfalls
in das Rankenwerk im Scheitel des Gewölbes verflochten sind.
Ganz besonders hervorzuheben in diesem Saale ist noch die
Holzarchitektur sausgeführt von Pässen bacher in München),
welche bis zum Kämpfer des Raumes reicht, an den Lang-
seiten pilastertheilungen und Nischenbildungen mit krönen-
dem Gebälk, an südlichem Ende einen Portaleingang zu
dem Eckraum und an seinem nördlichen ein wundervoll
ausgestattetes Büffet enthält. (Vergl. Taf. (2.)

Der zur Restauration gehörige Ecksaal unterscheidet
sich in der Ausstattung von dem Hauptsaal eigentlich nur

32. Aus dem Reichstagshaus.
(;6) Pallas in der Bibliothek.

(Lebensgröße.)

Modell von Prof. ttV widerna n n.

durch die nach einer Skizze von Fr. Stuck (München) von
G. Biehl (München), gefertigten Gewölbe-Stuccaturen.')

Zu einer bedeutsamen Höhe der Architektur erhebt sich
die Wandelhalle, welche gewissermaßen als ein Riesen
vestibul für das gesammte Gebäude dient; von hier gehen
weiträumige Passagen zu allen Theilen des Hauses, welche
deit Verkehr in übersichtlicher und akademisch vollendeter
Weise vermitteln. Sie bildet neben dem Sitzungssaal den
eigentlichen Hauptrautn des Hauses und ihre Bestintmung,
als Hauptrepräsentationsraum des Reichstagsbaues, die
Waffen und Machterfolge, denen das Deutsche Reich seine
Entstehung dankt, zu verherrlichen, mußte in ihrer Archi
tektur zum Ausdruck kommen. Durch eine in der Mitte
der Länge angeordnete achteckige Kuppel wird das Ganze
in drei Theile gegliedert und erreicht eine Gesammtlänge
von c>6 m. Zn wohlüberlegter Weise ist der Raum durch
architektonische Einzelabschnitte getheilt, so daß brückenartige
Bauten das Ganze in Einzeltheile gliedern und für den
Beschauer ein räumlich überzeugenderer Maßstab hergestellt
wird, als ihn eine ungetheilte Halle von dieser Länge
bieten würde.

Das Ganze bildet eine Thermenarchitektur großen Maß-
stabes unter Zugrundelegung eines Tomposita Säulensystems
von (0 m Höhe mit darüberliegendem Gebälk; darauf folgt
ein Obergeschoß, welches durch Hermen und dazwischen an-
gebrachte Schilder gegliedert ist, auf welches wiederum das
überdeckende Tonnengewölbe mit Stichkappen aufsetzt. Der
Scheitel des Tonnengewölbes erhebt sich zu der stattlichen
Höhe von (6 m. Wie Garnier in der Großen Oper zu
Paris und poelaert bei dem Zustizpalast in Brüssel bei ähn-
lichen Räumen, so ist auch Wallot hier demselben Prinzip
gefolgt, d. h. nur durch Material und Architektur wirken
zu wollen; erst in zweiter Linie kommt das Element der
Farbe in Betracht, welches bis jetzt nur in dem Marmor
fußboden und in den wundervollen Thürbildungen zur
Geltung kommt, die sich in diese,» Raume befinden. Der
farbige Hauptaccent, die Deckengemälde der seitlichen Tonnen-
gewölbe und der mittleren Kuppel sind leider noch nicht zur
Ausführung gelangt, sind aber als ein wesentliches Erforderniß
für das Ganze zu betrachten; erst durch diese Deckengemälde
wird die Halle den belebenden und idealen Farbenschmuck
erhalten, den sie bis jetzt entbehrt. Wirkt doch auch die
gesanimte Architekturmasse durch den grau-weißen Ton,
welcher das Ganze umkleidet, trotz ihrer fein durchgeführten
Zeichnung etwas erkältend; eine wesentlich andere Wirkung
wäre erzielt worden, wenn es dem Architekten gelungen wäre,
den für die Halle ins Auge gefaßlen istrifchen Kalkstein zur
Anwendung zu bringen; bekanntlich scheiterte diese Absicht an
dem entgegenstehenden Beschluß des Reichstages, welcher die
Summe von 800000 Mk. Mehrkosten für eine Ausführung
in echtem Material nicht bewilligen zu können glaubte und
aus Sparsamkeitsrücksichten eine Bekleidung der Architektur
mit einem durch die Wiener Firma Matscheko & Schrödl in
den Handel gebrachten Znkrustatstein anordnete: derselbe, bei
Wiener Bauten seit längerer Zeit in Anwendung, besteht aus
gröberen und feineren B carmortheile», welche mit einem
Bindemittel aufgetragen werden, das aus zwei farblosen *)

*) Wir sind in der Lage, diese Stuccaturen nach den Mriginal-
skizzen Stnck's unseren Lesern in einem der nächsten Beste vorzufiillren.
Die Redaktion.
 
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