Flüssigkeiten besteht und den Namen „Saurel'scher Eement"
führt. Der hierdurch hergestellte putz erhielt die Dicke von
ungefähr I'/- cm. Es ist technisch immerhin etwas An
erkennenswerthes in der Ausführung dieses Putzes geleistet
worden; aus alle Fälle jedoch kann eine derartige putz
bekleidung in ihrer trüben, kaum durchscheinenden grau weißen
Paut niemals den Atlasglanz wirklichen Marmors und den
schönen warmen Elfenbeinton des istrifchen Kalksteins er-
reichen, wie der letztere in den Vorsälen für den Reichstags-
vorstand und den Bundesrath künstlerisch so vollendet in
die Erscheinung tritt.
Bon ausgesucht prächtiger und imposanter Formen und
Farbengebung sind die Thüren, welche aus der Wandelhalle
zu den Bäumen an der Front des Königsplatzes führen.
Dieselben sind in schwärzlich rothem Palisanderholz hergestcllt
und zeigen in der pähe, welche zwei wagerechten Thür-
bändern entsprechen würde, auf jedem Flügel zwei breite,
bandartige Reliefs, die Industrie-, Pandel, Kunst, Wissenschaft
lind ähnliche Borwürfe darstellen und welche von der pand
des Professors widemann herrühren.') Eine in Bronze
gehaltene Aartouche über der Thürumrahmung leitet zu
einem krönenden Giebelfelde über und verbindet das letztere
künstlerisch mit der Thürflächc. Die Bronzegüsse sind in be-
währter Meisterschaft voll Paul Stotz in Stuttgart hergestellt
worden. Die gelagerten Sphinxfiguren an jedem Ende der
Palle auf den Brüstuilgen über den Säulen rühren ebenfalls
von widemann her und zeigen eine hochgeniale Auffassung.
Der bedeutendste Antheil an der Ausschmückung der Wandel -
halle mit Skulpturen ist jedoch Vtto Lessing zu Theil ge
worden, der eine Reihe von Reliefs im Kuppelraum und
den ailftoßendeil Theilen der Palle und vier große Kolossal
gruppen in den Achteckseiten des Kuppelraumes selbst ge-
schaffen hat, welche dazu bestimmt sind, eine formale Ber
mittlung zwischen dem unteren Geschoß und den noch her
zustellenden Deckengemälden im Kuppelraume zu bilden;
gleichzeitig führen diese Gruppen das Achteck in den Kuppel
kreis über. Sie bilden großartig aufgefaßte Allegorien auf
das Kaiserreich, wie überhaupt der mittlere Raum zu einem
Pantheon des Begründers des Reichs, Kaiser Wilhelms I.,
ausersehen ist. So befindet sich auch in der Witte des herr-
lichen Marmorfliesen-Fußbodens der Kuppel, welcher von
Schilling in Berlin hergestellt ist, ein Steinwürfel von un
gefähr \ m im Kubus, welcher in seiner Deckelfläche eine
pöhlung enthält, in welche die Einweihungsurkunde versenkt
worden ist und der den Mittelblock für ein dort zu er-
richtendes Monument Kaiser Wilhelms I. bilden soll. Die
Aufstellung der Statuen anderer Bundesfürsten in der Wandel-
halle ist Vorbehalten. Außer diesen Gruppen sind von aus-
gezeichneter Wirkung zwei Reliefreihen, welche sich über den
Eingangsthüren an der Vst und Westseite der Kuppel be-
-) Diese Reliefs sind bereits für unsere nächsten Veste vorgcrnerkt.
Die Redaktion.
finden. Ein gelagerter Löwe einerseits bringt die Einbleme
der drei ersten Kaiser und ein in einer Glorie aufsteigender
Adler die Geschichte des pohenzollernhauses zur Darstellung.
Der Gesammteindruck der Palle ist ein überaus vor-
nehmer und feierlicher, obgleich die in Aussicht genommene
theilweise Bemalung und Bergolüung des permen- und
Wappenfrieses und einiger anderer Architekturtheile noch fehlt
und besonders die großartig gedachten Deckengemälde noch
nicht zur Ausführung gelangt sind. Nach der Bollendung
derselben wird die Wandelhalle des deutschen Reichstags-
gebäudes zu den erhabensten Bauschöpfungen Deutschlands
gezählt werden müssen, die durch eine großartige Vereinigung
von Architektur, Malerei und Plastik sich als ein würdiges
Glied den Kathedralen und Palästen der großen Kunstzentren
der Welt anschließt, poffentlich gelingt es in nicht ferner Zeit,
unter Peranziehung der gesammten Kräfte des Vaterlandes,
diese ideale Aufgabe der Kunst in einer würdigen weise zu lösen.
Bei dem großen Ilebergewicht und der hohen Voll-
endung des Steinbaues und der Plastik im Reichstagsbau
tritt die Metallotechnik etwas zurück. So finden sich außer
den vorher erwähnten Beleuchtungskörpern im Schreib und
Lesesaal nur vereinzelte Stellen, an denen kunstvoll geschmiedete
Treppengeländer und Gitter, z. B. zur Verkleidung der im
Pause befindlichen Aufzüge, angewendet worden sind; in
einigen Fällen ist Vergoldung für die Schmiedeeisentheile
herangezogen. Besonders betheiligt an der Ausführung dieser
Arbeiten erscheinen die Berliner Firmen Eduard puls und
p. Markus, sowie Brechenmacher in Frankfurt a. M.')
Der unter Peranziehung der künstlerischen Kräfte All-
deutschlands fertiggestellte Reichstagsbau ist seinem idealen
Zweck entsprechend und seiner vornehmen Durchbildung zu
folge, durch die ein kraftgesättigter künstlerischer pauch geht,
der allen Theilen einen symbolisch bezeichnenden Ausdruck
verleiht, zu einem Monument der deutschen Kunst überhaupt
geworden. Ist es die große und hohe Kunst Deutschlands,
welche hierin zu Tage tritt und welche hierdurch Zeugitiß
ablegt, daß sie mit den Kunstschöpfungen unserer Nachbar-
länder wohl in die Schranken treten kann, so ist es anderer-
seits das Kunstgewerbe, welches als Kleinkunst durch den
Reichstagsbau in wirksamster weise gefördert worden ist. wie
in unseren Nachbarländern bei ähnlichen Bauausführungen,
hat auch der Reichstagsbau die besten Kräfte des Kunst-
gewerbes in sich vereinigt und sie zu einem frisch pulsirenden
Leben zusammengesaßt.
Eine pöhc des kunstgewerblichen Schaffens ist hierbei
in die Erscheinung getreten, welche ihre segensreichen Folgen
in Deutschland und im Auslande auch fernerhin bethätigen
wird. Möge dem deutschen Kunstgewerbe und seinem wohl-
begründeten Ruhme auch diese Antheilnahme sich als fördernd
erweisen und ihm neue Freunde zusühren!
') Einige dieser Gitter bringen wir in einer späteren Hummer.
Die Redaktion.