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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 4
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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Eduard Unger: geboren am 4. Februar 1853, gestorben 4. August 1894
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0038

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X

2TTan denke an den Kampf der nationalkünstlerischen Partei
gegen Bernini, nnt dessen Einzug in Paris eine sörmliche
Invasion zu befürchten war. Wohl schickte auch Frankreich
jene, die im regelrechten Verlaufe des künstlerischen Studien-
ganges sich zu Anwärtern der gesetzlichen Kunst-Benefizien
qualifizirten, nach Rom, um dort den in der Villa Medici
Einkasernirten die Gelegenheit zur Ausführung des letzten
Schliffes auf Staatskosten zu bieten, refp. um jene Kräfte
immer von neuem heranzubilden, welche zu lebendigen
Repräsentanten des Wortes: «Lecole c’est la tradition»
ausersehen waren. Doch ist, trotz dieser Umstände die künst-
lerische Selbständigkeit in Frankreich eine weit ältere als die
unsrige. Der Geist, der schon bald nach dem Tode Lud-
wigs XIV. die auf alle Verhältnisse des Leben drückende
Macht höfischen Teremoniells mehr und mehr bei Seite
schob, der dann unter Louis XVI. die Bühne eroberte und
sich in Theniers „Tharles IX." dem formenseinen, con-
ventionellen Tlassicismus siegreich wiedersetzte, schlug auch
bald auf das malerische Gebiet hinüber. Ts
sei nur das eine Wort von-Michel erwähnt,
der einem Trupp nach Italien reisender Maler
sagte: „Der ist kein Maler, dem nicht ein
paar rZuadratmeilen Landes um seine per
math genügen, um zeitlebens hinreichenden
Stoff für Bilder zu haben". Wir sind in
Deutschland endlich auch auf diesen Stand-
punkt gekommen, freilich erst, nachdem eine
lange, unfruchtbare Periode vorausgegangen
war, in der alles andere eher erreicht wurde
als das „Zu sich selbst kommen". Dieses
„Zu sich selbst kommen" erstand in Deutschland
durch das bewußte Innewerden der eigenen
Kraft, die sich im Kampfe gegen außen auf
ganz andere als künstlerische Weise erprobte,
während der nämliche Vorgang in Frankreich
schon durch die große Revolution gezeitigt
wurde und die französische Kunst auf lange
lange Zeit hinaus zu etwas machte, ,nach

dem bei uns nur Einzelne mit stillem, edlem Neide blickten,
derweilen das Gros im Vollbewußtsein eigener Würde im
Finstern tappte. Man wollte eben Dinge, die durchaus
nicht im Rahmen eines wahren, sondern nur eines an-
genommenen Kunstempfindens lagen.

Rom, f. April 80.

„Pier im fremden Lande — obgleich ich im Ganzen
nicht klagen kann, denn die Herren, an die ich empfohlen war,
ganz besonders pans, verkehren sehr liebenswürdig mit
mir — fühlt man sich sehr einsam und freut sich über jede
Nachricht von zu Pause. — Italien ist ja wunderschön,
manchmal auch recht langweilig in der Landschaft; es geht
eben doch nichts über einen deutschen Wald und deutsches
Land. Die Palmen und Typressen, Tactuffe und sonstige
südliche Gewächse sind recht langweilige, steife, poesielose
Herren. Die Reise wird mir für mein Fach sehr wenig

Nutzen bringen, direkten wenig
sten kaum und ich kann dem
nur entgegen setzen, daß es
mich nie gereuen wird, hierher
gegangen zu sein, denn es sind
unendliche Kunstschätze auf-
gehäust.... Die RIodelle sind
hier wunderschön, zwar nicht
alle, aber sehr viele, was in
München fast nie zu finden ist
und viel billiger obendrein, denn
ich zahle pro Tag — 6 Stunden
fünf Franks, in München sechs
Mark und mehr. ... Es ist
soviel zu sehen, daß man eigent
lich gar nicht weiß, wo an-
fangen. ... Wenn die Zwerge
und sonstigen Blasen meiner
Phantasie mir nicht die täg-
liche Leibesnahrung schaffen
müßten, ich jagte sie in Zukunft
alle zum Teufel. Doch Ge
duld." . . .

Es ging Anger in Rom,
wie es schon gar vielen er-
gangen ist; er wurde unter dex
2Kasse der Eindrücke verwirrt.
Gar mancher, dem dasselbe
passirte, hat sich niemals selbst
wieder gefunden, die wenigsten
aber sind zu jener Klarheit des
Verständnisses durchgedrungen,
die ihnen offenbarte, daß Kunst
etwas vom Gegenständlichen
durchaus Unabhängiges sei.

„Und doch konnte die
Kunst nur so zu ihrer reinen
Gestalt gelangen; alle die
Mißverständnisse über die ihr
innewohnenden Empfindungs
und Bedeutungswerthe würden
sich zerstreuen und sie würde nur
 
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