Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

DOI issue:
Heft 4
DOI article:
Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Eduard Unger: geboren am 4. Februar 1853, gestorben 4. August 1894
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0039

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
in ihrem ureigenen Ausdruckswerth als die Sprache, in
der der Mensch die Sichtbarkeit der Natur unmittelbar
auszusprechen vermag, gehandhabt und verstanden werden."')

Me viele dringen durch zu der Erkeimtniß, daß Aunst-
sonn noch nicht Aunst, daß Drang nach Aussprache und
Drang nach Darstellung des Inhaltlichen verschiedene Dinge
seien? Nach der Form suchen, die dem Aünstler gleich-
bedeutend mit dem Inhalte der Natur ist, das gelingt nur
deni, der unabhängig von der Scholle, auf der er geboren,
seinen Zielen zustrebt. Anger zählte nicht zu diesen. Sein
ganzes Naturell war verwoben mit bestimmten Ideenkreisen,
die der Mensch aus dem Grund und Boden in sich auf-
nimmt, auf dem er mit seinen leiblichen Füßen haftet, der
ihm für sein ganzes Wesen Untergrund, Basis, keimtreibendes
Erdreich ist. * 2) Er konnte wohl schreiben, er würde die
Zwerge zum Teufel jagen, wenn sie ihm nicht vorerst noch
Mittel zum Zwecke wären.

Ich glaube nicht, daß er es gekonnt hätte. Es wäre
ihnr gegangen wie jenem Bauer, der, um endlich den tjaus
kobold los zu werden, sein eigen peim in Flammen aus-
gehen ließ und glücklich darob, daß das Aerlchen nun endlich
abgethan fei, sich zum Gehen wandte, nun alsbald die
kichernde Stimme des Gehaßten hören mußte, die sich ver-
nehmen ließ: „Diesmal war's aber hohe Zeit, daß wir
uns gerettet haben."

Unger fühlte die Aluft, die ihn vom großen Zuge der
römischen Geister vergangener Zeit trennte, ganz klar und
deutlich. Er konnte sich ihnen nicht anschließen, obschon sie
ihm in ihrer ganzen Bedeutung klar vor Augen standen.
Noch freut er sich ihrer, doch als Fernstehender, der sich zur
gleichen Zeit sagt: „Ihr verdreht inir den Aopf nicht. Die
Stunde ist nicht fern, wo Euer Einfluß mich nicht inehr
erreicht und wo ich mich am Anblicke von Photographien der
Tage erinnern werde, die ich in gedrückter Stimmung bei Euch
verlebt habe." Er schreibt unterm {. April s880 nach bjause:

„Ich könnte nicht gerade behaupten, daß es mir hier
nicht gefalle, im Gegentheil, das Leben ist ganz schön und
des Interessanten unendlich viel zu sehen. Der Geldpunkt
würde mich auch nicht beeinflußen, allein das Bewußtsein
treibt mich immer und läßt mir keine Ruhe, daß ich
während dem (nämlich während er in Italien lebte) etwas
Bedeutenderes in Deutschland geschaffen hätte, als es mir
hier möglich ist. Meine ganze Richtung ist eine so spezifisch
deutsche, daß sie auf romanischem Boden nicht gedeihen,
von den großen Meistern, die eben wieder ganz Italiener
sind, absolut nichts oder nur sehr wenig prositiren kann.
So geht es mir auch mit der Gelmalerei. Dieselbe ist, das
fühle ich nur zu deutlich, keine Technik für mein Genre.
Die Geltechnik muß, um gut zu fein, realistisch wirken.

') Lonr. Fiedler, ffans von Marees.

2) Ls sei hier auf die Selbstbiographie Ludw. Richters ver-
wiesen, wo er u. A. erzählt, daß die in Tivoli bei Rom versammelten
Maler auf den Einfall kamen, eine Ausstellung zu arrangiren. Und
was that Richter, der auch da in der Nachbarschaft des antiken Sibyllen-
tempels hauste? „.Ich hatte ohne weiteres Besinnen eine Gruppe

sächsischer Landleute gezeichnet, welche aus einem Pfade durch hohes
Korn der fernen Dorfkirche zuwandern, ein Sonntag-Morgen im vater-
lande .... Ls waren liebe kfeimathserinnerungen; sie stiegen unwill-
kürlich aus einer Tiefe des Unbewußten herauf." Damit, nicht mit
seinen römischen Errungenschaften, ist Richter jener Künstler geworden,
den man als einen der deutschesten bezeichnen kann.

Das ist bei meinen Sachen unmöglich, denn ich kann doch
nicht realistisch ausführen, was nur in der Idee besteht.
Zudem gehts inir in Gel 511 langsam. Mein letztes Bild,
das ich noch in Arbeit habe, wird ganz gut, wird denke ich
auch gefallen, nur befriedigt es nrich nicht.') Mit einem
Worte, ich muß nieine eigenen Wege gehen, wenn ich etwas
Tüchtiges leisten soll, Hier sehe ich vieles Schöne, Große.
Das ist gut und lehrreich in Bezug auf die Erkenntniß der
großen Aunst, doch von keinem Einflüsse auf meine An
schauungsweise. . . . Meine Hauptaufgabe in der Run st soll
sein, die alte, schöne deutsche Mythologie auch künstlerisch
zur Geltung zu bringen. In einer Beziehung habe ich hier
wohl gesehen, welchen Weg ich gehen muß. Von Tizian

z. B. sind Bilder hier, die ganz einzig in der Welt dastehen
und dabei so einfach gemalt, daß sie auch jedem Laien ein
leuchten müssen. . . . Bin ich nur erst wieder in meiner ge
wohnten Vrdnung in München, dann will ich tüchtig ar
beiten, um endlich auch einmal zu erreichen, was mir vor
schwebt. Es ist ein garstig Ding, der Ehrgeiz, und läßt
Einem keine Ruhe, Tag und Nacht, und doch ist er für
einen Aünstler nothwendig."

Es ist kaum nöthig, das künstlerische Programm Ungers
anders als mit seinen eigenen Worten zu geben. Sie sagen

>) Ls dürfte damit eine Arbeit gemeint sein, zu der sich ver-
schiedene Studien und Entwürfe vorfinden: Line Alte versperrt mit
weit gespreizten Armen dem die Treppe heraus kommenden Amor den
Zugang zum Gemach, in dessen Hintergrund ein junges Mädchen, den
Spinnrocken in der Lfand, sitzt.
 
Annotationen