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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 4
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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Eduard Unger: geboren am 4. Februar 1853, gestorben 4. August 1894
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0040

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J- 32

genau, wo sein Ziel lag. Daß
er, wenn er der deutschen My-
thologie ein künstlerisches Ge-
wand zu verleihen bestrebt war,
auch an den alten Meistern
Rom's das „wie" hätte er-
kennen können, liegt außer aller
Frage, denn große Aunst ist
große Aunst ohne Rücksicht auf
das Thema der Darstellung.
Indessen ist es keine Frage,
daß auch da das Mort, gerade
in der Aunst am allermeisten,
zu Recht besteht: „Eines schickt
sich nicht für Alle!"

Die Aünstler des Tinque-
cento waren ihm fremde Größen.
Sie drückten ihn mehr, als sie
ihn aneiferten. Mas ein miß-
verstandenes Nachempfinden
ihrer Größe zu bedeuten habe,
zeigten Merke in genügender
Zahl, die von deutschen Malern
unter völliger Verkennung des
eigenen Standpunktes Jahr-
zehnte lang der Welt als „große
Aunst" vorgesetzt worden waren.
— Auch das mag Unger deut-
lich vorgeschwebt haben, viel-
leicht in abschreckender Meise. München bietet in dieser
pinsicht gar mancherlei, was dem jungen Aünstler, hat er
auch nur eine Spur von Empfindung, nur ein einziges wirk-
lich blühendes Pflänzchen im Garten seiner Phantasie, deut-
lich sagt: So mußt Du's nicht machen. — Sei dem nun, wie
ihm wolle: Es ist sicherlich nicht der schlechteste Trieb des
Aünstlers, sich von berühmten Vorbildern ab und durchaus
eigener Anschauungs- und Ausdrucksweise zuzuwendeu. Ein
wenn auch von räumlich unbedeutendem Umfange geschaffenes
selbständiges Merk der Aunst wiegt jederzeit ganze Suiten
nachempfundener Arbeiten, die oft beinahe wie Anleihen
aussehen, auf. Das schwebte auch Unger vor. Er hatte
sdas klingt gewiß sehr vielen paradox) das Unglück, mit
seinen alsbald nach der Rückkehr in die peimath entstehenden
Sachen zu gefallen und wurde in eine Art von Ueber-
produktion getrieben, die der künstlerischen Entwickelung in
die Breite immer feindlich gegenüber steht. Versenkte er sich
aber gelegentlich mit Liebe in ein Thema zum Studiuin, so
kam der heraus, der eigentlich in ihm steckte. Das zeigt die
eine hier (Abb. 39) wiedergegebene Maiskolbenstudie. — So
verließ er denn Rom nach kurzem Aufenthalte.

Mas sollte der Moses von Michelangelo vis-a-vis den Gno-
men, Zwergen, Erd- und Maffergeistern, die Ungers Phantasie
erfüllten, was ein Pantheon, Toloffeum oder Sankt Peter gegen-
über der Poesie älterer deutscher Städtesilhouetten mit ihren
Spitzthürmen, Giebeldächern, dem Gewirrs der Schornsteine,
Dachreiter, Wetterfahnen, was Palmen, Typressen und Tac-
teen für den Maler, der grüne blumige Anger, bufchumsäumte
Bachufer, breitästige Buchen- und Eichenwipfel mit Elfen
bevölkern wollte und dem der Sang der Nachtigall mehr galt
als eine Platte voll der herrlichsten Uccelli con polenta!

Es gab und giebt außerordentlich tüchtige Aünstler,
die nie der Herrlichkeit Roms nahegetreten sind, andere, denen
auch die Natur Italiens nicht jene Wärme des Empfindens
wachzurufen vermochte, die sie daheim, unter dem Eindrücke
einer ihnen nahestehenden Natur aus die Leinwand schrieben!
Das Evangelium ist nicht dort allein zu finden.

Einer der größten Münchener Landschafter, ein Aünstler
von gewaltigem Ausdrucke in seinen Bildern, war von einem
wohlwollenden Freunde mit nach Italien genommen worden.
Er kam gen Neapel und als sein Beschützer ihm leuchtenden
Auges eines Tages, da sie zu Tamaldoli in: Schatten ruhten,
frug: „Nun, Adolf, ist das nicht herrlich?" da seufzte der
andere und antwortete dazu: „Ich wollt', ich läg' am
Ammersee auf einer grünen Miese!" Just so erging es
Unger — ja,

„Eines schickt sich nicht für Alle!"

Es ist keine lange, an vielfachen Zwischenfällen und
interessanten Begebenheiten reiche Lebenslaufbahn, an die
hier das Andenken schriftlich niedergelegt wird. Dem einen
ist es beschieden, in jungen Jahren, im Sturmschritt, den
Erfolg zu erringen, der ihn schnell in die vordersten Reihen
derer versetzt, nach denen die Welt hinschaut. Bei anderen
bedarf die völlige Ausreifung des Schaffens lange Jahre.
Langsam Stein auf Stein fügend, erreichen sie erst nach
mühevollem, angestrengtem Arbeiten ihr Ziel. Dritte werden
durch das Schicksal abgedrängt, weggerissen, aus dem Leben
abgerufen, ehe ihnen die Errungenschaft zu Theil wird, die
menschlichem Ermessen nach kommen mußte. Zu diesen
gehört Eduard Unger. Die Aunstgeschichte nimmt nur Notiz
von dem, was mit entscheidenden Wendepunkten der An-
schauungsweise in enger Verbindung oder was durch seine
eigenartige Größe und Unabhängigkeit bedeutsam dasteht.
Sie frägt wenig nach den kleinen Werkstätten, wenn aus
ihnen nicht capitale Stücke hervorgegangen sind. Unger
zählte nicht zu den „Ecksteinen", wenngleich seine Begabung
eine durchaus eigenartige genannt zu werden verdient. Sein
| Arbeiten gehörte einer ziemlich sichtbar begränzten An-
schauungsweise an, die für ihn ungeachtet aller stürmischen
Wandlungen, welche die Malerei der letzten 25 Jahre in
Deutschland durchmachte, sich gleich blieb, denn was ureigent-
lich in ihm steckte, stand weniger zu der Art des Malens
in Beziehung, als zu dem inhaltlichen Wesen des Dar-
gestellten. Seine Arbeiten sind in erster Linie gedankliche
Einfälle, keine malerischen, d. h. er laborirte nie mit Farben-
problemen. Das spricht sich auch deutlich genug in seinen ge-
malten Arbeiten aus. Der Zeich-
ner waltete bei ihm vor. Wie
geschärft aber darin seine Beob
achtung, wie fein sein Gefühl für
das Intime der Formerscheinung
war, geht aus zahlreichen Natur-
studien hervor, die er hinterlassen
hat.

Eduard Unger ist der älteste
Sohn des zu pofheim in Unter-
franken thätig gewesenen Amts-
gerichts-Sekretärs Unger und ge-
boren am 4. Februar f855. Die Iugendjahre flössen ruhig
dahin, behütet von einer sorgsamen, klugen Mutter, die
dem Sohne bis zu seinein Tode immer in gleicher Liebe,

4P Randleiste von f <£. Unger.

(Kalbe Griginalgröße.)

Humoreske von f <£. Unger.
 
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