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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 8
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Semper, Hans: Anfänge und Ausbildung des "Rubensstiles" im kirchlichen Holzmobiliar Belgiens
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0073

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Völlig dem geschilderten Stil entsprechend, ist auch das
Ehorgeftühl in Nieuport, nicht weit von Vpern, gehalten,
das ihm wohl ebenfalls mit Sicherheit zuzuschreiben ist.')
Dasselbe gilt von seiner Ranzel in der Aapelle des Eivil-
spitals zu Vpern, wo die zierlich schlanken Verhältnisse und
zarten Formen bei größter Einfachheit besonders angenehm be-
rühren und ebenso von dem trockenen Schnörkelbombast eines
Vredeman, wie von der kräftig schweren Fülle des belgischen
Barock abstechen * 2 * * 5 6 * 8) (Abb. 85). Ein klassisches Beispiel seines
Stils ist ferner der bewegliche Beichtstuhls (Abb. 86) im
St. Nikolausspital zu Ppern, dessen Fa;ade er eben-
falls mit Skulpturen (um s6s6) schmückte. An beiden letzt-
genannten Möbeln kommt auch ein eigenthümliches, pfriemen-
artiges, zugeschnitztes Reliefornament als Verzierung von
Pfosten oder schmalen, langen Feldern vor, das bei ihm
und seiner Richtung sich häufig findet. — Besonders schön
prägt sich sein Stil an einem Himmelbett'') im Museum
Steen zu Antwerpen aus, an dem fast alle Elemente der
Verzierung an den Ehorstühlen von Los sich wiederfinden.
Seiner Richtung verwandt erscheint auch der durch prächtige
Akanthusornamentik ausgezeichnete zweistöckige Schrank von
Eichenholz in der Sammlung de Reyser zu Antwerpens)
sowie die beiden prächtigen k)olzthüren eines zerstörten
Schlosses in der Sammlung Tulpinck?) (Abb. 87); weitere
Abbildungen, welche in dieser Nummer nicht mehr Raum
finden konnten, folgen noch.)

Dem Stil des Nrbain Taillebert schließt sich unmittelbar
an das Orgelgehäuse der Eathedrale von Herzogen-
dusch, welches damals noch katholisch war und zu Belgien
gehörte und erst kurz danach an Holland kam.") Das
Gehäuse der 27 m hohen Orgel wurde von Frangois
Simons, die prächtigen Schnitzereien daran von Grego-
rius Schyseler von s6s7—s620 hergestellt; beide Aünstler
stammten aus Belgien?) Obwohl in den Formen den
Werken Tailleberts noch durchaus verwandt, zeigt dieses
Orgelgehäuse dieselbe, jedoch reicher entwickelt und mit
neuen Formen verbunden und bezeichnet dadurch einen
weiteren Schritt zum Barockstil, dem es auch durch plastische
Fülle und große Verhältnisse sich nähert, aber doch noch
nicht völlig zuzuzählen ist. Die Grgel erhebt sich über
einer Sängertribüne, welche auf drei Arkaden ruht, die
zwischen den ersten Mittelschiffpfeilern der Rirche an der
Westseite und zwei mittleren Säulen jonischer Ordnung ge-
spannt sind. Die Zwickel der Seitenarkaden sind mit ver-
schlungenen Schnörkeln und weiblichen Masken, die der
Mittelarkade mit musizirenden Engelfiguren in Relief ge-
schmückt. Das Gebälk über den Arkaden gemahnt in dem
viertelstabförmig ausladenden Fries und dessen Figuren mit
Rankenornamentik?) im Eierstab des Gesimses, sowie be-
sonders in der Vertikaltheilung durch zahlreiche Verkröpf-

') Isendyck, «alles PI. 6.

2) Isendyck, Chaires PI. 5. vergleiche dazu die Brunnen-
projekte des Hans vredemann de vries, Isendyck, Pin. P. PI. 34, 44.

3) 3fetti>Y<f, Meubles, PI. 9.

♦) Isendyck, Meubles, PI. 13.

5) Isendyck, Meubles, PI. 1.

6) Isendyck, Litt. P. PI. 22, 38.

?) 3lendYck, Meubles PI. 4, Sculptures PI. 18, 19.

8) Galland, Geschichte der holländischen Baukunst und Bildnerei.
Frankfurt a. ITC. *890, x. 247.

s) vergl. die Lhorstühle von Nieuport.

ungen und Eonsolen enffchieden an Tailleberts Stil, wogegen
die Sitzfiguren an den Eonsolen uns schon von Pieter Eoeck
van Aelst her geläufige Motive sind, indem ganz ähnliche von
ihm, die von einer s5^st errichteten ljolzgallerie herrühren,
iin Museum Steen in Antwerpen zu sehen sind.') Auch die
Teufelsconsolen am Duivelshuys in Arnheim sind ähnlich.

Besonders zeigt sich die Verwandtschaft mit dem Stil
Tailleberts an den Verzierungen der Sängerchorbrüstung,
nur daß hier Alles üppiger, reicher ausgestaltet ist. Nament-

86. Beweglicher Beichtstuhl im St. Nikolausspital zu vpern.

(Nach )sendyck.)

lich sind hier die Zierformen der Profile, welche schon Täille-
bert im Gegensatz zu der Nüchternheit der vorausgegangenen
Zeit wieder mehr anwendet, hier fast überreich verwendet.
An Taillebert erinnern uns am meisten die Füllungen mit
Blendarkaden und Muschellünetten, sowie Aerbschnittverzier-
ungen zunächst der unteren, kleinen Orgel in der Mitte,
sodann die Blendarkaden und Docken unter dem gebälk-
förmigen Gesims, die Säulenformen, der Rankenfries, die
Eonsolen mit Löwenköpfen unter der Gesimsplatte u. s. f.
Andererseits fehlen hier sowenig wie bei Taillebert die Re-

') Ssendyck, 8culptures PI. 34.
 
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