Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Gmelin, L.: Ausstellungen des Jahres 1895
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0083

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
bescheidene Vertretung gefunden, namentlich was die alt
elsäßischen Schränke rc. betrifft; reichhaltiger repräsentiren
sich auf diesem Gebiet die Jahrhunderte französischer Herr-
schaft, z. Th. sogar in historisch und stilistisch bedeutsamen
Beispielen. Dahin gehört vor allen Dingen ein „Tabinet"
aus Ebenholz und Bronze mit Marmoreinlagen, welches
aller Wahrscheinlichkeit nach von Karl Andr. Boulle und
dem Marmorintarsiator Taffieri für Ludwig XIV. gefertigt
wurde und zu Anfang unseres Jahrhunderts behufs Aus
stattung des Schlosses nach Straßburg kam; dann folgen
Schränke, Schreibtische, Betschemel u. Aehnl. bis zu der
Bettlade der Kaiserin Josephine aus den Jahren <805— 1806

— einen: bezeichnenden Beispiele des künstlerischen und tech-
nischen Bankerotts dieser Zeit! —

Einer Gase gleich grünt in der darauffolgenden künst-
lerisch öden Periode ein Straßburger Meister - Jak. Friedr.
Kirstenstein, gen. Kirstein — ein Goldschmied, dessen
an einer ganzen Reihe von Arbeiten zu sehende kleine
Reliefs seinem Können das beste Zeugniß ausstellen. Thor-
waldsens Alexanderzug ist z. B. auf einer Vase in kaum
6 cm hohem Fries so vollendet nachgebildet, daß man sich
fast mit dem trockenen „Empirestil" aussöhnt; noch rasfi-
nirter — aber allerdings weniger nachahmenswerth sind
seine Jagdscenen, bei welchen manche Thiere nicht höher
als 2 cm und dennoch sammt dem Strauchwerk sehr natur-
getreu fast ganz frei aus der Fläche Herausgetrieben sind.

— An älteren Edelschmiedearbeiten ist die Ausstellung
ziemlich reich; unter den profanen Geräthen steht der aus
der kgl. Schatzkammer zu München hergeliehene sog. Davids-
pokal obenan. Als Genossen dieses Pauptstücks hat die
Stadt Rappoltsweiler eine ganze Reihe anderer gleichfalls
beachtenswerther Gefäße aus ihrem Silberschatze gesandt:
Straußeneipokal, Nautilusbecher, Doppelbecher, Deckelpokale
(f. Tafel 35), dann das niedliche Stadtwaibel-Zeichen —
meist entstanden zwischen <550 und <650. Wir müssen
es uns leider versagen, weiter auf einzelne Metallarbeiten
einzugehen, obgleich nicht nur unter den Arbeiten aus Silber,
sondern auch unter denen aus Bronze ff, Zinn, Eisen — hier-
unter gegossene Gsenplatten aus den: <6. Jahrhundert -
manches Stück noch unsere Aufmerksamkeit verdiente.

Die bedeutsainste Spezialität dieser Ausstellung bildet die
über <50 Nunrmern umfassende Sammlung von Fayencen
und porzellanen der Familie ksannong, — theils aus Straß-
burg, theils aus pagenau, und (wenigstens die Porzellane)
theils aus Frankenthal; man wird nirgends so leicht Ge-
legenheit finden, die Straßburger Fayencen, welche das
bessere Tafelgeschirr des <8. Jahrhunderts vor Ausbreitung
des Porzellans ungemein klar kennzeichnen, so gut zu stu-
diren, als in dieser Zusammenstellung.

Die Alterthümer-Ausstellimg in Stein am Rhein.

Begegnen sich in Straßburg sowohl in der Stadt wie
auf der Ausstellung alte Erinnerungen mit neuen Errungen-
schaften, so hat das trauliche Städtchen Stein am Westende
des Untersees seit drei Jahrhunderten seinen Tharakter so
durchaus bewahrt, daß man nicht leicht anderswo durch die
örtlichen Verhältnisse schon so trefflich zum Besuch einer Alter-

0 Darunter der durch den Brand von ;870 leider stark beschädigte
Züricher Hirsebreitopf vom Jahre ;576, ein fast kugelförmiger, 30 bis
<*0 cm weiter, von drei Füßen getragener Kessel.

thümer-Ausstellung vorbereitet werden wird als hier, zumal
das Kloster mit seinen wohlerhaltenen Räumen für ein solches
Unternehmen wie geschaffen ist. Es bedurfte in der That
nur eines unbedeutenden materiellen Aufwandes, um ein
stimmungsvolles Bild ehemaligen Klosterlebens und-Schaffens
hervorzuzaubern, da in den: kunstsinnigen Besitzer des Klosters,
Prof. Vr. Ferd. Vetter-Bern und seinen Helfern Geschick

97. In Eichenholz geschnitzte Kanzel von Klem-Lolmar.

(Straßburger Ausstellung.)

und Begeisterung für diese Aufgabe glücklich vereinigt waren;
kein Wunder, daß auch Kirchen und Sammlungen, Vereine
und private der näheren und weiteren Umgebung mit Ueber-
lassung ihrer Schätze nicht kargten! So hat das Münster in
Konstanz einen prächtigen gothischen Schrank (Bekrönung,
s. Abb. 88), Bildhauereien, Gobelins, Waschbecken, Trag-
laternen, Altarleuchter u. s. w. gesandt, die Stadt Stein hat
ihre ganze Waffensammlung und den größteti Theil (etwa
 
Annotationen