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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 11
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Gmelin, L.: Die Ehrengaben zum 80.Geburtstage des Fürsten Bismarck
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0094

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Sollen bei solchem Anlaß dargebrachte Geschenke ihrem
idealen Zweck entsprechen, so muß — wenn man demselben
nicht durch das Opfer persönlicher Arbeit genügen zu können
glaubt — stets der Kunst bezw. dem Kunsthandwerk ein
bedeutendes Wort gestattet werden. Einem Manne wie
Fürst Bismarck, dem alles konventionelle gegen die Natur
geht, der in seinen Reden immer wieder originale Wend-
ungen und Vergleiche bringt, dem kann man nur mit künst-
lerischen Vriginalarbeiten gerecht werden. Nur so wird
jedes Geschenk einen eigenartigen Charakter erhalten, der
bald durch die Beziehungen der Geber zum Beschenkten,
bald durch lokale Besonderheiten rc. sein Gepräge erhalten
wird; Widmungsinschriften, Wappen des Beschenkten dürfen
natürlich dabei nicht fehlen. Wenn der goldene, emailiirte
Becher der Stadt Köln (Abb. l 14) seine Gestalt von einem
„Römer" entlehnt, wenn die „Getreuen" in der schlesischen

ZZ4- 5ilbervergoldeter Lhrenbecher der Stadt Köln.

Nach Angaben Thewalt's entworfen und unter Anwendung von L jour-<Lmail aus-
geführt von Hofgoldschmied G. H erm eli n g-Aöln. wirkliche Höhe cm.

Bäderstadt Warmbrunn, wo sich die gräfl. Schaffgot'schen
Glasfabriken befinden, einen kostbaren Glaspokal stiften,
oder wenn aus der Fabrikstadt Remscheid Vertreter der
dortigen Hauptindustrie in Gestalt kunstreich gearbeiteter
Werkzeuge kommen (Abb. P6 ff.), so liegt in diesem ge-
wissermaaßen persönlichen Elemente ein besonderer Reiz
dieser Dinge; Aehnliches läßt sich von den Geschenken der
Deutschen in Odessa (russische Emailarbeit), in Bangkok
(Adresse auf Palmblättern in Silbercassete), in Constanti-
nopel (auserlesen schöner orientalischer Teppich) :c. sagen.

An Beziehungen zur Persönlichkeit des Fürsten und zu
seinen Großthaten mangelt es natürlich ebensowenig; die
Pallasche des Kaisers und der Waffenstadt Solingen, der
silberne Schild des „Bundes der Landwirthe" stehen hier
in erster Linie. An siegreichen Kämpfen war des Kanzlers

Leben reich wie wenige, und Waffen waren allezeit das
Abzeichen des Helden. — Eine ziemlich bedeutsame Rolle ist
dem Eisen zugefallen; die ideelle Verwandffchaft zwischen
dem Charakter dieses Elements und der Ausdauer des
„eisernen Kanzlers" tritt besonders in den Geschenken jener
Berufskreise zutage, welche mit dem Eisen zu thun haben,
des Vereins deutscher Eisenhüttenleute, der Remscheider
Fabrikanten, der Westfalen, des Vereins der deuffchen
Maschineningenieure und vieler anderer.

Im Aebrigen ist die Wahl des Gegenstandes nicht
durchweg einwandsfrei. Im Allgemeinen sollte man bei
solchen Anlässen stets „im kleinsten Punkt die höchste Kraft"
sammeln, d. h. weder durch absolute Größe noch durch die
Größe des Maaßstabes wirken wollen, sondern die Wahl
des Gegenstandes schon so treffen, daß nicht allein der
Geschenks-Gedanke deutlich zum Ausdruck kommt, sondern
daß der Gegenstand auch durch edles Material und durch
künstlerische Durchgeistigung zu etwas Außergewöhnlichem
erhoben werden kann; solche Ehrengaben, mit denen man
sein heim ausschmücken kann, erfüllen eigentlich ihren Zweck
am besten, indem der Beschenkte täglich bei deren Anblick
sich erfreuen und der Geber gedenken kann. In dieser Be-
ziehung sind als vorbildlich zu bezeichnen die schon genann-
ten Pallasche (Tas. 42), bet Pokal der Steiermärker, der
Kölner Becher, der Ehrenbürgerbrief der Stadt München
(Abb. Tas. 18—20 Heft 5), die bronzene Pallasstatuette der
deutschen Kunstgenossenschaft (Abb. \ 15), die Ehrengabe der
Lehrer an den höheren Schulen Preußens (Abb. 122) u. A.
Bei einem so besondern und alles sonst Gewohnte weit über-
ragenden Anlaß dürfen indessen Abweichungen von diesem
Grundsatz nicht zu hart beurtheilt werden, auch nicht hin-
sichtlich der Dimensionen; vor allen Dingen aber darf man
die etwa beobachteten Mängel nicht den Künstlern zur Last
legen, die nicht selten auf eine fest vorgezeichnete Marsch-
route angewiesen waren und die Herstellung der Geschenke
oft mit ziemlicher hast bewerkstelligen mußten. Bezeichnende
Beispiele dafür sind das Ehrengeschenk der deutschen Studenten
schaff und die Ehrenbürgerdiplome der sächsischen Städte;
das erstere soll die Rolle eines Schenktisches mit der eines
Denksteins vereinigen und dabei eine Menge Geschichten
von Hochschulen und Fakultäten, von Studentenstreichen und
Kneipenleben ic. erzählen, — das letztere bringt auf 70
pergamentblättern den gleichen Wortlaut der Urkunde nur
mit verändertem Namen, Emblemen und Randzeichnungen.
Vereinfachung und Tonzentration statt Häufung der Motive
und Verzettelung der aufzuwendenden Mittel sollte bei sol-
chen Dingen Grundsatz sein. Viele Kleinigkeiten geben zu-
sammen noch keine große Einheit!

Wenn wir nun bei der Besprechung einzelner Gaben
dem kaiserlichen Ehrenpallasch die erste Stelle ein-
räumen, so geschieht das nicht nur mit Rücksicht auf den
hohen Rang des Gebers, sondern weil das Geschenk selbst
sowohl hinsichtlich seiner künstlerischen, wie seiner technischen
Seite diese Stellung verdient. Der Gedanke des kaiserlichen
Kriegsherrn, dem allzeit schlagfertigen Helden zu seinem
Ehrentag, an welchem die Erinnerung an seine unbeugsame
Kühnheit und sein diplomatisches Geschick wieder lebhafter
aufflammte, ein Schwert zu verleihen, ist ein besonders
glücklicher; stand doch bei den Germanen das Schwert als
das Abzeichen der Wehrhaftigkeit in hohen Ehren! (Taf. 42.)
 
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