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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 20.1919

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Nr. 8
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Krollmann, Elisabeth: Die Marksburg um 1833
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https://doi.org/10.11588/diglit.34329#0079
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73

daß es den Schrecknissen des Fehmgerichts fast gleich-
konnnt. Hier und auch in dem Städtchen unten wurde
uns erzählt, daß von einem Teil der Burg aus ein
unterirdischerGang durch den Felsen nach einem Turm
geführt habe, der noch am Ufer des Rheines steht,
doch seit vielen Zähren soll der Gang verschüttet sein.
Da wir gesehen hatten, was uns gezeigt werden
konnte, schickte der Major W. einen Unteroffizier zu
dem Gouverneur*), um sich bei ihm anmelden zu
lassen.
Dieser ist ein alter, in der Burg geborener Mann.
Sein Vater war ebenfalls hier Gouverneur, und er
bekleidet diesen Posten seit mehr als 40 Zähren. Er
gehört deshalb so sehr zu der Burg, daß ein Besuch
derselben, ohne ihn gesehen zu haben, unvollständig
sein würde.
Der Major W. wurde schon früher durch einen
Offizier von hohem Range bei ihm eingeführt, und
seine Anmeldung ward sehr gütig ausgenommen. Es
konnte gewiß niemand geeigneter für seinen Posten
sein als dieser alte Mann. Mit harten, strengen Zügen
und einem Äußern, das so unverwüstlich zu sein schien,
als der Felsen, auf dem er geboren war, ließ sich kaum
voraussehen, daß er für die Welt unten Teilnahme
fühlen könne. Statt ihn der vielfachen Entbehrungen
seines abgeschlossenen Daseins wegen zu bedauern,
war ich daher fast inehr geneigt, ihm Glück zu wün-
schen, daß das Schicksal ihn gerade in die Stellung ge-
bracht, welche ihm zusagen mußte, und für die er sich
eignete.
Der alte Herr machte die Honneurs in seinen
Felsennestern ziemlich ähnlichen Zimmern mit vieler
Artigkeit,' — er zeigte uns sein Porträt und das seines
Vaters, und führte uns an jedes Fenster, um uns die
Schönheit der Aussichten über die Felsen und Wein-
berge zu zeigen.
Nachdem wir ihm für seine freundliche Ausnahme
gedankt hatten, bestieg ich meinen Esel wieder und erfreute mich der Ansichten, die auf dem Wege hinab noch weit
günstiger sich darboten, doch war der Pfad so steil, daß ich, um nicht über den Kops des Tieres zu rutschen, an
manchen Stellen absteigen und zu Fuß gehen mußte.
Anten erwartete uns Herr W. und ein vortreffliches Diner, und die Stunde, welche wir jetzt der Ruhe und
Erquickung gönnten, war sicher nicht die am wenigsten angenehme dieses entzückenden Tages. Nach dem Essen
entschlossen wir uns zu einer Fahrt auf dem Rheine, und da wir zuerst stromauf wollten, so zogen uns die Frau
und der Sohn des Schiffers an Stricken, welche an dem Mast befestigt waren, langsam den Fluß hinauf.
Eine Stunde oberhalb Braubach befindet sich der Dinkholder Mineralbrunnen, dessen Wasser jedoch so bitter
sein soll, daß es bis jetzt den Patienten noch nicht recht munden wollte. Die Quelle wird durch ein kleines Haus
geschützt und entspringt an dem Eingang von einem jener schönen Täler, die man so gerne weiter verfolgen möchte.
Ansere Zeit jedoch gestattete uns nur, den Windungen des Baches so weit zu folgen, als sie sichtbar waren und
das übrige der schaffenden Phantasie zu überlassen.
Während wir in der Betrachtung der Landschaft vertieft waren, sprang ein schönes Reh zwischen den Wein-
bergen über uns hervor. Das furchtsame Tier setzte mit einer Schnelligkeit, die fast dem Fluge gleich kam, über
die Felsenstücke, und verschwand uns bald aus dem Gesicht. Der Schiffer erzählte uns, es sei sehr selten, daß das
Wild, wenn es auch in den Wäldern zahlreich ist, den menschlichen Wohnungen sich so sehr nähere.
Nachdem wir über eine Stunde uns hatten stromauf fahren lassen, ließen wir das Boot mitten in den Rhein
fahren und genossen nun der köstlichsten aller Bewegungen, indem wir uns ohne Segel und Ruder durch die
Wogen treiben ließen. Während wir stillschweigend uns unseren Träumereien Hingaben, wurden wir plötzlich
durch einen am Afer erschallenden Gesang aus denselben erweckt. Wir bemerkten in der Richtung, aus der die
Töne kamen, eine Menge Landleute von beiden Geschlechtern, deren Zahl sich auf 40—50 belaufen mochte, die
langsam, fast wie im Takt mit ihrem Gesänge, einher schritten. Es waren, wie der Schiffer uns erzählte, Pilgrimme,
die einen den Strom etwas weiter hinauf liegenden Wallfahrtsort besuchen wollten. Dieses scheint hier nichts
") Hauptmann Hill, später Major und Oberstleutnant, gest, I3Z8 auf der Marksburg. Sein Vater war von 1735—1801
Kommandant der Marksburg. (S. Ebhardt, „Deutsche Burgen".)


Abb.ö8. Die Marksburg u. d.Philippsburg b. Braubach a.Rh.um 1600.
 
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