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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916

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Heft 1/2
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Bombe, Walter: Florentiner Miniaturen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0042

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FLORENTINER MINIATUREN

[türmt, Mendaus fteht kampfbereit davor, und rechts tobt die Schlacht (Abb. 5). Dann
erfcheint dem Aeneas der Schatten der Kreufa: „Opstipui, steteruntque comae, vox fau-
cibus haesit" (II, Vers 767). Auch hier ift der Palazzo Medici Schauplatz der Hand-
lung. Links vorn erblicken wir ein Tor, rechts andere Florentiner Bürgerhäufer und
Kämpfende (Abb. 6). Der Künftler, dem wir diefe reizvollen, wahrfcheinlich für Cofimo
den Alten gemalten Miniaturen verdanken, ift uns dem Namen nach unbekannt. Wir
wiffen nur, daß er dem Pefellino nahefteht und daß er auch ein gefchickter Caffone-
maler gewefen ift, der in ähnlich naiver Weife römifche Baudenkmäler auf Truhen-
bildern wiedergibt. Auf einigen der Blätter diefer Virgilhandfchrift wird der Palaft
der Medici noch im Bau vorgeführt. Da der Palaft im November 1451, wie fich aus
einem Gutachten der Sachverftändigen ergibt, der Vollendung nahe war, fo gewinnen wir
ein ziemlich ficheres Datum für die Miniaturen, aus denen fich uns eine farbenprächtige
Schilderung des Florentiner Lebens um die Mitte des 15. Jahrhunderts entrollt. Mit
einem höchft fympathifchen und gefunden Realismus begabt, weiß der unbekannte
Maeftro dei Caffoni die Szenen des antiken Epos in .Tracht und Sitte der Zeit zu
übertragen, und er verfteht es meifterlich, die Freude an feinem Stoffe, die ihn beim
Schaffen befeelte, feinen fpäten Betrachtern mitzuteilenV
Die fdiönften Miniaturen des 15. Jahrhunderts verdanken wir dem Brüderpaar
Gherardo (1445 bis um 1529) und Monte (1448 bis 1497) di Miniato. Gherardo, der
feinen jüngeren Bruder um faft ein Menfchenalter überlebte, war ein ungewöhnlich
vielfeitig veranlagter Geift, ftudierte lateinifche Literatur unter keinem geringeren als
Angelo Poliziano, war mehrere Jahre lang Organift der Kirche S. Egidio, genoß den
Ruf eines guten Malers und verftand fich wie kaum ein zweiter in Florenz auf die
fchwierige Technik des Mofaizierens. Vor allem aber war er Miniaturmaler. In feiner
Werkftätte am Canto del Garbo arbeitete er gemeinfam mit Monte an Meßbüchern für
den Dom, S. Lorenzo, S. Egidio und andere Florentiner Kirchen in einer Weife, daß
es wohl immer ein vergebliches Bemühen fein wird, zu unterfcheiden, was von Ghe-
rardo und was von Monte herrührt. Gemeinfame Arbeit des Brüderpaares ift auch
das farbenleuchtende Meßbuch für S. Egidio, dem wir die pathetifche Szene der Be-
weinung Chrifti entnehmen (f. Abb. 7). Mit Anklängen an Ghirlandajo vermifchen fich
hier flandrifche Einflüffe. An die Kunftweife Memlings und feiner Nachfolger erinnern
die Tgpen einiger Figuren, die bläulich-violetten Töne auf den Gefichtern und die
feurige Lohe, die der finkende Sonnenball am Himmel entzündet.
Im Gegenfaß zu Gherardo und Monte pflegt der früher ftark überfchäßte Attavante
degli Attavanli (1452 bis nach 1517) ausfchließlich Florentiner Überlieferungen. Sein

* Ausführiicheres und weitere Abbildungen in Waiter Bombe: „Der Paiazzo Medici-Riccardi
und feine Wiederherfteliung" in „Monatshefte für Kunftwiffenfchaft", 5. Jahrg. 1912, Heft 6, p. 216—223.
Auf die Zusammenhänge zwifchen diefen Miniaturen und Darfteiiungen der Aeneide auf Caffone-
biidern im Befiße derYaieüniversitg in NewHaven hat fchon Werner Weisbadi in feiner fdiönen
Monographie über Pefeiiino (Beriin 1901) und faft gieichzeitig Marg Logan in ihrem Auf faß:
„Compagno di Pefeiiino" in der „Gazette des Beaux-Arts"H[me Serie, Band 26 (1901) hingewiefen,
während Chriftian Hüifen die erfte eingehende Unterfudhung diefer Caffonebiider unter Vorlage
reidien Abbiidungsmaterials im „Buiiettino deiia Commissione Archeologica Comunaie", Rom i911,
bietet. Paui Schubring gibt in feinem monumentaienTafeiwerke „Caffoni" (Leipzig, 1915) unferem
Maier den Namen des Didomeifters, erweitert den Umfang feines Werkes beträchtiich, bildet 20
der Miniaturen ab und bringt den wichtigen Hinweis, daß der am Schiuffe des Virgiikodex ais
Schreiber fich nennende NicoiausRiccius.SpinosusVocatus, erft 1433 geboren ift. Danach könnten
die Miniaturen fchweriich vor 1450 entftanden fein.

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