ÜBER HANDZEICHNUNGEN VON MAX LIEBERMANN
vorauseilende Erkenntnis zu bändigen, jucht
und [tudiert [ein Gri[[ei noch. Es gibt
viele Handzeichnungen von ihm auch aus
jenen [iebziger Jahren. Wenn [ie in unjerer
Ausjteiiung nur [päriich [ind, [o erklärt [ich
wohi daraus, daß man hier zunäch[t einen
Ge[amteindruck von [a[t monotonem gleich-
mäßigem Reichtum haben kann; wenn man
[ie aber einmal herausgefunden hat, er-
kennt man [ie ieicht wieder. Es [ind die
inkunabein. Der harte Graphit wird, um
eine men[chiiche Bewegung, eine Gruppe,
eine Straßenan[icht zu geben, vor[ichtig
über das Papier geleitet, noch ohne zügigen
Strich. Er notiert, er ver[ucht objektiv zu
[ein. Die Kreide modeiiiert noch ein wenig
[lau. Ein Biatt, auf dem eine [tehende
äitere Frau zweimai [kizziert i[t, [chreibt
man, trot) [einer au[[aiienden Verwandt-
[cha[t mit [päteren Motiven, jener frühen
Zeit zu, bloß weii [pater Derartiges [icherer
und ra[[iger gezeichnet worden wäre/
Mit die[er [eib[tver[tändiichen Anfangs-
entwickiung kreuzt [ich bald eine zweite.
Der Maler Liebermann geht nach München
Abb. 1. Strickende Hoiiänderin (1895). und macht eine harte Schute gewi[[enhafter
Überrajchend [päte durchmodehierte Zeichnung. Zeichnung durdi. Nun wird er[t noch ein-
mal [tudiert und die Kun[t des Skizzierens
und Vorzeichnens, die [chon aus [ich [eiber - man denke an die Studien zur Kartoffel-
ernte - - freier zu werden begann, wird noch einmal neu fundiert. Liebermanns
meifterhafter Biograph, Erich Haneke, [agt über diefe Wandlung fehr Bemerkenswertest
Danach ift der Schöpfer der großen frühen Bilder erft von neuem zum Zeichner ge-
worden, als er Leibi nahetrat. Von Leibi übernahm er freiwiiiig die Zucht modeiiieren-
der Detaiizeichnung, bei der nichts Virtuofes mehr, [ondern nur noch Erarbeitetes be-
gehen bieibt. Er [kizziert nicht mehr bioß, er zeichnet durch, er fchneidet in die
Blattfiäche wie in Hoiz. Die Vorarbeiten, die von nun an neben den großen
Werken immer einhergehen, die Studien zum Chriftus im Tempei, zum Aitmännerhaus,
zur Schufterwerkftatt [teigem [ich faft Dürerifch im wachfenden Beftreben nach dem
fcharfen Kontur und Binnenkontur. Durch das Handwerk, das von den Vertretern einer
[päteren Generation zu ihrem eigenen Unheii oft unterfchä^t oder gar nicht erft ver-
banden wurde, durch diefe Klein- und Feinarbeit mußte hindurchgegangen werden.
Das war die zweite Epoche. Dafür werden die Beifpieie, darunter auch Häufer- und
' in zweifelhaften Fähen wurde der Künftier jeibft um Auskunft gebeten, doch ijt er darin
[einer Sache nicht immer ganz ficher.
2 „Max Liebermann. Sein Leben und [eine Werke." Berlin, Bruno Cajfirer, 19i4. S. 146,
S. 274ff. (In dem reich ihujtrierten Bande findet man eine Reihe der hier zitierten Zeichnungen,
auch die eben erwähnten Studien zur Kartoffeiernte.)
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vorauseilende Erkenntnis zu bändigen, jucht
und [tudiert [ein Gri[[ei noch. Es gibt
viele Handzeichnungen von ihm auch aus
jenen [iebziger Jahren. Wenn [ie in unjerer
Ausjteiiung nur [päriich [ind, [o erklärt [ich
wohi daraus, daß man hier zunäch[t einen
Ge[amteindruck von [a[t monotonem gleich-
mäßigem Reichtum haben kann; wenn man
[ie aber einmal herausgefunden hat, er-
kennt man [ie ieicht wieder. Es [ind die
inkunabein. Der harte Graphit wird, um
eine men[chiiche Bewegung, eine Gruppe,
eine Straßenan[icht zu geben, vor[ichtig
über das Papier geleitet, noch ohne zügigen
Strich. Er notiert, er ver[ucht objektiv zu
[ein. Die Kreide modeiiiert noch ein wenig
[lau. Ein Biatt, auf dem eine [tehende
äitere Frau zweimai [kizziert i[t, [chreibt
man, trot) [einer au[[aiienden Verwandt-
[cha[t mit [päteren Motiven, jener frühen
Zeit zu, bloß weii [pater Derartiges [icherer
und ra[[iger gezeichnet worden wäre/
Mit die[er [eib[tver[tändiichen Anfangs-
entwickiung kreuzt [ich bald eine zweite.
Der Maler Liebermann geht nach München
Abb. 1. Strickende Hoiiänderin (1895). und macht eine harte Schute gewi[[enhafter
Überrajchend [päte durchmodehierte Zeichnung. Zeichnung durdi. Nun wird er[t noch ein-
mal [tudiert und die Kun[t des Skizzierens
und Vorzeichnens, die [chon aus [ich [eiber - man denke an die Studien zur Kartoffel-
ernte - - freier zu werden begann, wird noch einmal neu fundiert. Liebermanns
meifterhafter Biograph, Erich Haneke, [agt über diefe Wandlung fehr Bemerkenswertest
Danach ift der Schöpfer der großen frühen Bilder erft von neuem zum Zeichner ge-
worden, als er Leibi nahetrat. Von Leibi übernahm er freiwiiiig die Zucht modeiiieren-
der Detaiizeichnung, bei der nichts Virtuofes mehr, [ondern nur noch Erarbeitetes be-
gehen bieibt. Er [kizziert nicht mehr bioß, er zeichnet durch, er fchneidet in die
Blattfiäche wie in Hoiz. Die Vorarbeiten, die von nun an neben den großen
Werken immer einhergehen, die Studien zum Chriftus im Tempei, zum Aitmännerhaus,
zur Schufterwerkftatt [teigem [ich faft Dürerifch im wachfenden Beftreben nach dem
fcharfen Kontur und Binnenkontur. Durch das Handwerk, das von den Vertretern einer
[päteren Generation zu ihrem eigenen Unheii oft unterfchä^t oder gar nicht erft ver-
banden wurde, durch diefe Klein- und Feinarbeit mußte hindurchgegangen werden.
Das war die zweite Epoche. Dafür werden die Beifpieie, darunter auch Häufer- und
' in zweifelhaften Fähen wurde der Künftier jeibft um Auskunft gebeten, doch ijt er darin
[einer Sache nicht immer ganz ficher.
2 „Max Liebermann. Sein Leben und [eine Werke." Berlin, Bruno Cajfirer, 19i4. S. 146,
S. 274ff. (In dem reich ihujtrierten Bande findet man eine Reihe der hier zitierten Zeichnungen,
auch die eben erwähnten Studien zur Kartoffeiernte.)
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