Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0080
DOI issue:
Heft 3/4
DOI article:Gold, Alfred: Über Handzeichungen von Max Liebermann
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ÜBER HANDZEICHNUNGEN VON MAX LIEBERMANN
ift das Problematifche an ihm. Es ift [ein Verhältnis zur Akademie und zum
Akademifchen.
Dazu bieten die Zeichnungen unendlich viele Beifpiele. Sie fpiegeln das widerfpruchs-
volle Verhältnis Liebermanns zur fchulmäßigen Kunft, das noch nie jemand, auch nicht
Haneke, ganz unerbittlich befprochen hat. Liebermann, der als freier Schüler Steffecks
in die Kunft gekommen war, fteht von Anfang an widerftrebend zur Akademie.
Akademifche Schulftudien nehmen einen verfchwindend kleinen Plaß bei ihm ein. Die
Schulaufgaben, die eine Lösung nach „objektiven" Kunftregeln verlangen, hinterlaffen
keine Spuren in ihm. Was ihn zum Zeichnen reizt, ift erft fein fubjektives Erlebnis,
find feine Reifen, find feine perfönlichen Themen, die er findet. Ein frühes Blatt wie
die „Konfervenmacherinnen" ift fchon ganz unakademifch, da es einer fubjektiven An-
fchauung und fogar einem fubjektiven Zweck dient. Das ift die eine Seite. Anderer-
feits entzieht fich Liebermann niemals leichtherzig der nachprüfbaren „Richtigkeit", alfo
auch wieder der Akademie, wenn auch in etwas freierem Sinne. Um diefe Richtig-
keit ringt, um die Akademie wirbt er fogar, je weiter er fortfehreitet, umfo inbrünftiger,
faft als ob er etwas nachzuholen hätte, was er vielleicht doch zu früh von fich ge-
worfen hat.
In diefem Widerftreit geht es, wie es zumeift geht. Was ihm von Haufe aus liegt,
das gelingt fofort. Die Gruppenzeichnungen und figürlichen Einzelftudien, Bauern und
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ift das Problematifche an ihm. Es ift [ein Verhältnis zur Akademie und zum
Akademifchen.
Dazu bieten die Zeichnungen unendlich viele Beifpiele. Sie fpiegeln das widerfpruchs-
volle Verhältnis Liebermanns zur fchulmäßigen Kunft, das noch nie jemand, auch nicht
Haneke, ganz unerbittlich befprochen hat. Liebermann, der als freier Schüler Steffecks
in die Kunft gekommen war, fteht von Anfang an widerftrebend zur Akademie.
Akademifche Schulftudien nehmen einen verfchwindend kleinen Plaß bei ihm ein. Die
Schulaufgaben, die eine Lösung nach „objektiven" Kunftregeln verlangen, hinterlaffen
keine Spuren in ihm. Was ihn zum Zeichnen reizt, ift erft fein fubjektives Erlebnis,
find feine Reifen, find feine perfönlichen Themen, die er findet. Ein frühes Blatt wie
die „Konfervenmacherinnen" ift fchon ganz unakademifch, da es einer fubjektiven An-
fchauung und fogar einem fubjektiven Zweck dient. Das ift die eine Seite. Anderer-
feits entzieht fich Liebermann niemals leichtherzig der nachprüfbaren „Richtigkeit", alfo
auch wieder der Akademie, wenn auch in etwas freierem Sinne. Um diefe Richtig-
keit ringt, um die Akademie wirbt er fogar, je weiter er fortfehreitet, umfo inbrünftiger,
faft als ob er etwas nachzuholen hätte, was er vielleicht doch zu früh von fich ge-
worfen hat.
In diefem Widerftreit geht es, wie es zumeift geht. Was ihm von Haufe aus liegt,
das gelingt fofort. Die Gruppenzeichnungen und figürlichen Einzelftudien, Bauern und
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