AUSSTELLUNGEN
BERLIN In dem Räumen der BERLINER
SEZESSION ift eine „Wiener Kunftfchau" zu
Gafte, deren Künftler vorwiegend dem Kreife
des „Bundes öfterreichifcher Künftler" angehören.
Es ift ein Reigen verfchiedenartiger und ver-
fchiedenwertiger Begabungen, und nur weniges
ift derart, daß es ftarke Eindrücke vermittelt.
Obenan ftehen dieBildniffeKokofchkas, deffen
krampfhafteBefonderheiten fich zulöfenbcginnen.
DieGreco-Nachahmungen findverfchwunden, und
wenn auch der Einfluß van Goghs noch deutlich
und ftark ift, fo handelt es fich dabei doch wohl
mehr um Verwandtfchaft als Nachfoige. Diefe
neuen Arbeiten zeigen eine ftarke feelifche Ver-
tiefung neben großer, aber immer lebendiger
Vereinfachung, und eine feltene Stärke des Er-
lebniffes. Nur das Kinderbildnis hat noch einen
Reft der alten gewaltfamen Überfteigerung auf-
zuweifen. Der Gegenftand verfchwindet hier
vollkommen hinter einer Ausdeutung, die feinem
Wesen nicht mehr entspricht. Aber gerade diefes
Doppeibiidnis zeigt auch andrerfeits den Fort-
fchritt im Malerifchen und im Farbenwefen be-
sonders deutiich. Neben Kokofchkas Biidniffen
machen fich die Stiiieben, die Landfchaften und
das Mädchen auf dem Sopha von Faiftauer
befonders bemerkbar, kräftige und zugleich fehr
gefchmackvoite Arbeiten eines lebendigen Mal-
temperaments, das Eindrücke von Chardin und
Cezanne her aufgenommen hat, bei dem fich nur
noch nicht entfcheiden iäßt, was wirklicher Schöp-
ferkraft und was nur dem Gefchmack und der
Gefchickiichkeit zu verdanken ift. Einige feine,
fchiichte und treffliche Landfchaften hat Moli
gefchickt, und zwei fehrzarte, ftimmungsgefättigte
Landfchaften von einer merkwürdigen bürger-
lichen Romantik machen auf den Prager Wilii
Nowak eindringlicher aufmerkfam. Kiimt ift
nicht gut vertreten. Nur das Kinderbiidnis ift
wenigftens dekorativ ungewöhniich reizvoii,
Schiele wirkt mit feinen farbigen Zeichnungen,
die eine feitene Gefchickiichkeit und einen feinen
Farbenfinn verraten, immerhin beffer, als mit den
krampfhaft überfteigerten, durchaus iiterarifchen
Gemäiden, und auch Harta fchadet feiner un-
zweifeihaft tüchtigen Begabung durch mißlungene
Ausflüge ins Legendarifche und Symbolifche.
Koioman Mo fers Arbeiten find feine, aber durch-
aus kunftgewerbiich empfundene Schöpfungen,
und von dem anderen ift ailenfaiis ein an Ko-
kofdhka gefchultes Bildnis von Paris von Güters-
loh zu nennen.
Bei GURLITT ift auf die AusftcIIung Thoma-
fcher Gemälde eine folche feiner Zeichnungen
gefoigt, die nicht nur fehr fchön, fondern auch
für die Erkenntnis desThomafchenWefens lehr-
reich ift. Man erkennt wieder, daß die Thomafche
Zeichnung durchaus bildmäßig ift. Einfache, un-
mittelbare Notizen vor der Natur fehlen völlig.
Selbft da, wo die Figurenftudien nur ganz all-
gemeine, erfte Niederfchriften geben, ift die
Zeichnung in Raumfüiiung, Anordnung der Giie-
der, Gebärde und Gefchloffenheit des Eindrucks
von vornherein bildmäßig angelegt. In noch
höherem Grade gilt das von den Landfchafts-
zeichnungen, wo felbft dann, wenn die Einzel-
heiten nicht angegeben find, die Gefamterfchei-
nung bereits fo verarbeitet ift, daß auch eine
unvoilendete Zeichnung zurUbertragung auf die
Leinwand vorbereitet werden kann. Daß be-
reits auf dem Wege vom Auge zur Hand ailes
für die Kompofition (nicht für das Motiv) Un-
wefentiiche weggeiaffen wird, ift übrigens nicht
das einzige, was bei der Thomafchen Zeichnung
an die Kunft der Nazarener erinnert. Auch in
der Stimmung fteht er diefen Meiftern in feiner
Graphik noch näher ais in feinen Gemälden.
Von einer hübfchen Sammiung Oberländer-
fcher Gemälde find befonders die Biider „Neuer
Wein" und „Siien auf demEfei" intereffant, die
in ihrer zarten, ein wenig kühien Farbigkeit
gleichfaiis der nazarenifchen Kunftart nahe-
ftehen, während das Biidchen „Die Fee" Schwind-
fche Traditionen weiter fpinnt.
Bei MATHILDE RABL find zwei Bildniffe von
Rayskiausgeftellt, ein frühes, in einigen Dingen
fehr tüchtiges, in anderen reichiich unbeholfenes
kieines Seibftbiidnis, und das vortreffliche Bild-
nis des Rittmeifters von Kumßfch. Ferner feffeit
eine Sammlung H o g u e t fcher Biider, darunter eine
befonders treffiiche, feine Landfchaft und eine An-
zahl fchöner Stilleben. Von ElifeHedinger find
gleichfalls einige fehr gefchickte, farbig und ftoff-
lich gut gelungene Stiiieben zu fehen, desgleichen
von Hans Herrmann einige fchöne äitere Ar-
beiten. Endlich ift noch von Max Kiinger ein
nacktes Mädchen auf dem Sofa zu erwähnen,
eine tüchtige fefte Arbeit aus der Guffowzeit.
Im Salon CASPER zeigt J. Bergmann wie-
der einmal eine umfangreichere Sammiung feiner
Arbeiten, tonfchöne, folide Tierbilder in der
Landfchaft, die die Art feines Lehrers Baifch
fortbiiden. Sie wirken doppelt angenehm in
ihrer fchlichten Sachlichkeit neben der anfpruchs-
vollen und doch nur gefchickten Art Gailhoffs,
von deffen Begabung ein fchlichtes Landfchäft-
chen mit Weiden einen viel befferen Begriff
gibt, als die neueren Werke, die meiftens doch
nur gefchmackvoite Handarbeit find. Es fehlt
das Erlebnis. Von einem bisher unbekannten
Dresdner Graphiker M. Schenke find Radierun-
gen ausgeftellt, die in ihrer bewegten Phantaftik
und ihrer ftarken Tonigkeit keinen üblen Eindruck
machen. H. Fr.
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BERLIN In dem Räumen der BERLINER
SEZESSION ift eine „Wiener Kunftfchau" zu
Gafte, deren Künftler vorwiegend dem Kreife
des „Bundes öfterreichifcher Künftler" angehören.
Es ift ein Reigen verfchiedenartiger und ver-
fchiedenwertiger Begabungen, und nur weniges
ift derart, daß es ftarke Eindrücke vermittelt.
Obenan ftehen dieBildniffeKokofchkas, deffen
krampfhafteBefonderheiten fich zulöfenbcginnen.
DieGreco-Nachahmungen findverfchwunden, und
wenn auch der Einfluß van Goghs noch deutlich
und ftark ift, fo handelt es fich dabei doch wohl
mehr um Verwandtfchaft als Nachfoige. Diefe
neuen Arbeiten zeigen eine ftarke feelifche Ver-
tiefung neben großer, aber immer lebendiger
Vereinfachung, und eine feltene Stärke des Er-
lebniffes. Nur das Kinderbildnis hat noch einen
Reft der alten gewaltfamen Überfteigerung auf-
zuweifen. Der Gegenftand verfchwindet hier
vollkommen hinter einer Ausdeutung, die feinem
Wesen nicht mehr entspricht. Aber gerade diefes
Doppeibiidnis zeigt auch andrerfeits den Fort-
fchritt im Malerifchen und im Farbenwefen be-
sonders deutiich. Neben Kokofchkas Biidniffen
machen fich die Stiiieben, die Landfchaften und
das Mädchen auf dem Sopha von Faiftauer
befonders bemerkbar, kräftige und zugleich fehr
gefchmackvoite Arbeiten eines lebendigen Mal-
temperaments, das Eindrücke von Chardin und
Cezanne her aufgenommen hat, bei dem fich nur
noch nicht entfcheiden iäßt, was wirklicher Schöp-
ferkraft und was nur dem Gefchmack und der
Gefchickiichkeit zu verdanken ift. Einige feine,
fchiichte und treffliche Landfchaften hat Moli
gefchickt, und zwei fehrzarte, ftimmungsgefättigte
Landfchaften von einer merkwürdigen bürger-
lichen Romantik machen auf den Prager Wilii
Nowak eindringlicher aufmerkfam. Kiimt ift
nicht gut vertreten. Nur das Kinderbiidnis ift
wenigftens dekorativ ungewöhniich reizvoii,
Schiele wirkt mit feinen farbigen Zeichnungen,
die eine feitene Gefchickiichkeit und einen feinen
Farbenfinn verraten, immerhin beffer, als mit den
krampfhaft überfteigerten, durchaus iiterarifchen
Gemäiden, und auch Harta fchadet feiner un-
zweifeihaft tüchtigen Begabung durch mißlungene
Ausflüge ins Legendarifche und Symbolifche.
Koioman Mo fers Arbeiten find feine, aber durch-
aus kunftgewerbiich empfundene Schöpfungen,
und von dem anderen ift ailenfaiis ein an Ko-
kofdhka gefchultes Bildnis von Paris von Güters-
loh zu nennen.
Bei GURLITT ift auf die AusftcIIung Thoma-
fcher Gemälde eine folche feiner Zeichnungen
gefoigt, die nicht nur fehr fchön, fondern auch
für die Erkenntnis desThomafchenWefens lehr-
reich ift. Man erkennt wieder, daß die Thomafche
Zeichnung durchaus bildmäßig ift. Einfache, un-
mittelbare Notizen vor der Natur fehlen völlig.
Selbft da, wo die Figurenftudien nur ganz all-
gemeine, erfte Niederfchriften geben, ift die
Zeichnung in Raumfüiiung, Anordnung der Giie-
der, Gebärde und Gefchloffenheit des Eindrucks
von vornherein bildmäßig angelegt. In noch
höherem Grade gilt das von den Landfchafts-
zeichnungen, wo felbft dann, wenn die Einzel-
heiten nicht angegeben find, die Gefamterfchei-
nung bereits fo verarbeitet ift, daß auch eine
unvoilendete Zeichnung zurUbertragung auf die
Leinwand vorbereitet werden kann. Daß be-
reits auf dem Wege vom Auge zur Hand ailes
für die Kompofition (nicht für das Motiv) Un-
wefentiiche weggeiaffen wird, ift übrigens nicht
das einzige, was bei der Thomafchen Zeichnung
an die Kunft der Nazarener erinnert. Auch in
der Stimmung fteht er diefen Meiftern in feiner
Graphik noch näher ais in feinen Gemälden.
Von einer hübfchen Sammiung Oberländer-
fcher Gemälde find befonders die Biider „Neuer
Wein" und „Siien auf demEfei" intereffant, die
in ihrer zarten, ein wenig kühien Farbigkeit
gleichfaiis der nazarenifchen Kunftart nahe-
ftehen, während das Biidchen „Die Fee" Schwind-
fche Traditionen weiter fpinnt.
Bei MATHILDE RABL find zwei Bildniffe von
Rayskiausgeftellt, ein frühes, in einigen Dingen
fehr tüchtiges, in anderen reichiich unbeholfenes
kieines Seibftbiidnis, und das vortreffliche Bild-
nis des Rittmeifters von Kumßfch. Ferner feffeit
eine Sammlung H o g u e t fcher Biider, darunter eine
befonders treffiiche, feine Landfchaft und eine An-
zahl fchöner Stilleben. Von ElifeHedinger find
gleichfalls einige fehr gefchickte, farbig und ftoff-
lich gut gelungene Stiiieben zu fehen, desgleichen
von Hans Herrmann einige fchöne äitere Ar-
beiten. Endlich ift noch von Max Kiinger ein
nacktes Mädchen auf dem Sofa zu erwähnen,
eine tüchtige fefte Arbeit aus der Guffowzeit.
Im Salon CASPER zeigt J. Bergmann wie-
der einmal eine umfangreichere Sammiung feiner
Arbeiten, tonfchöne, folide Tierbilder in der
Landfchaft, die die Art feines Lehrers Baifch
fortbiiden. Sie wirken doppelt angenehm in
ihrer fchlichten Sachlichkeit neben der anfpruchs-
vollen und doch nur gefchickten Art Gailhoffs,
von deffen Begabung ein fchlichtes Landfchäft-
chen mit Weiden einen viel befferen Begriff
gibt, als die neueren Werke, die meiftens doch
nur gefchmackvoite Handarbeit find. Es fehlt
das Erlebnis. Von einem bisher unbekannten
Dresdner Graphiker M. Schenke find Radierun-
gen ausgeftellt, die in ihrer bewegten Phantaftik
und ihrer ftarken Tonigkeit keinen üblen Eindruck
machen. H. Fr.
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