Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916

DOI Heft:
Heft 9/10
DOI Artikel:
Bombe, Walter: Die Sammlung Adolph v. Beckerath
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0183

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE SAMMLUNG ADOLPH v. BECKERATH
Mit 19 Abbildungen Von WALTER BOMBE
TTm 28. Dezember 1915 ift mit Adolph von Beckerath einer der heften Kenner der
iY italienifchen Kunft der Renaiffance dahingegangen. Ais Inhaber eines bekannten
Crefelder Seidenhaufes, das feinen Namen trug, kam er auf Gefchäftsreifen zum Einkauf
von Rohfeide frühzeitig öfter nach Itaiien, wo fich bei aitjähriich zwei-oder dreimal wieder-
holtem Befuch feine Kenntnis der alten Kunft des Landes entwickelte. Vor etwa fünf Jahr-
zehnten begann er planmäßig zu fammeln, vor allem die damals noch nicht nach ihrem
Werte gefchäßten Arbeiten derPlaftik unddesKunftgewerbesderFrührenaiffance, daneben
auch Gemälde und in allergrößtem Umfange Zeichnungen alter Meifter. Mit verhältnis-
mäßig geringen Mitteln vermochte er in jenen Zeiten, da fich die Vorliebe der Samm-
ler noch nicht diefen Gebieten allgemein zugewandt hatte, einen wohl an Zahl der
Stücke kleinen, an Qualität des einzelnen aber höchft bedeutenden Kunftbefiß zufammen-
zubringen, der kaum feinesgleichen fand. Bald erftreckte fich fein Sammlereifer auch
auf die Holländer des 17. Jahrhunderts, von denen er namentlich Zeichnungen und
Radierungen erwarb; von den italienifchen Majoliken, die er fchon auf feinen erften
Reifen nach dem Süden zu fammeln begonnen hatte, führte ihn fein Weg zur fpanifch-
maurifchen und zur vorderafiatifchen und perfifchen Keramik. Hierzu gefeilte fich eine
mit viel Sachkenntnis und Gefchmack erworbene Sammlung perfifcher Knüpfteppiche
älterer und neuerer Zeiten.
Im Jahre 1892 überließ er gegen eine Leibrente, deren er fich noch 23 Jahre erfreuen
durfte, feine Zeichnungen alter Meifter dem Berliner Kupferftichkabinett, und einen
großen Teil feiner Bildwerke italienifcher Kunft dem Kaifer Friedrich-Mufeumsverein,
der fie vor kurzem der Befichtigung zugänglich machte. Seibft für die fo reiche
Renaiffancefammiung des Berliner Mufeums waren diefe bisher der weiteren Öffentlich-
keit unbekannten Stücke, über die wir im Aprilheft des Cicerone berichteten, ein fehr
wünfchenswerter und beträchtlicher Zuwachs. In den Befiß des Kaifer Wilhelm-Mufeums
feiner Vaterftadt Crefeld gelangte im Jahre 1899 für den Preis von 100000 Mark eine
gefchloffene Sammlung von 20 Bildwerken, 10 gefchnißten Möbeln und 9 Majoliken,
die dort mit fpäteren Erwerbungen in zwei ftimmungsvollen Räumen, den „Beckerath-
fälen", vereinigt, von der über das Maß des Ailtags fich mächtig erhebenden Kunft
der italienifchen Renaiffance Zeugnis ablegen. Keine der öffentlichen Sammlungen
Deutfchlands, außer dem Berliner Kaifer Friedrich-Mufeum, kann fich rühmen, einen
ähnlich koftbaren Schaß ihr eigen zu nennen. Jeder der großen Meifter der toskanifchen
Frührenaiffance ift hier durch wenigftens ein bezeichnendes Werk vertreten.
Von einem Künftler aus der Zeit des Übergangs von der Gothik zur Renaiffance,
dem „Meifter der Pellegrinikapelle", rührt eine bemalte große Tonftatue der thronen-
den Madonna mit dem Kinde her, ein hoheitsvoiles und zugleich liebenswürdiges
Werk, das einft den Altar einer kleinen Kapelle vor Porta San Gallo bei Florenz
fchmückte. Auf Donatello geht ein bemaltes Stuckrelief zurück, das die Halbfigur
der Madonna mit dem Kinde darftellt. Ein großartig leidenfchaftlicher Ausdruck
von packender Gewalt liegt in der Art, wie die Mutter ihr Kind umklammert und
an fich drückt, und in dem fchmerzvolien Zug um ihren Mund. Von einem ver-
fchollenen Bronzeguß des großen Meifters fcheint diefes herb-ernfte Bildwerk ab-
geformt worden zu fein, das wie kein anderes Stück der Sammlung von der über-
natürlichen Lebenswahrheit der Florentiner Frührenaiffance kündet. Was aber Donatello
nicht gab und vielleicht nicht zu geben vermochte, das Liebliche, unbekümmert Heitere,
das finden wir in zwei köftlichen Erzeugniffen der Robbia-Werkftatt, in einer innig

Der Cicerone, ViH. fahrg., Heft 9/10

13

167
 
Annotationen