Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0204
DOI issue:
Heft 9/10
DOI article:Friedeberger, Hans: Bernhard Hoetger - Ausstellung bei Paul Cassirer in Berlin
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BERNHARD HOETGER-AUSSTELLUNG BEI PAUL CASSIRER IN BERLIN
nicht einmal im Grunde male-
rifch. Diefes Malerifche, im-
preffioniftifche, befchränkt [ich
auf Äußerlichkeiten der Lidrt-
führung, der Auflöfung der
Oberßäche in ein Gewoge von
fchattigen Tiefen und hufchen-
den Lichtern. Aber das Wefent-
Iiche jeder Plaftik, das Be-
wegungsmotiv, läßt [ich bei den
meiften Stücken im Umriß ein-
fangen, und es bedeutet den
fchärfften Widerfpruch zu aller
Rodinfchen Kunft, daß [ich in der
feitlichen Anficht des Schiffs-
ziehers, alfo in feiner Silhouette,
der Sinn des Motivs mit unbe-
dingter Deutlichkeit ausfpricht.
Wenn man das erkannt hat, fo
verliert die Wandlung, die [ich
in Hoetgers Kunft etwa vor
einem Jahrzehnt vollzog, die
Abkehr von Rodin, alle Zu-
fälligkeit und' felbft alles Über-
rafchende. Denn fie bedeutet
nur eine Aufgabe jener maleri-
fchen Äußerlichkeiten und eine
finngemäße Ausbildung der Stil-
prinzipien, die ja fchon in jenen
Arbeiten unter Rodinfchem Ein-
fluß wirkfam waren. Was Hoet-
ger feitdem gefchaffen hat, geht
durchweg vom Block aus. Die
gefchloffene Form wird unumfchränkt herrfchend; gern werden die Gliedmaßen in den
Körper hineingezogen, wird das Ganze durch große Gewandmotive zufammengefchloffen.
Selbft da, wo die Arme abgeftellt find und einen ausfpringenden Winkel des Umriffes
bilden, wie beim Darmftädter Torfo, ift die ganze Figur mit einer fehr einfachen geometrifch-
feften Form (hier mit einem Trapez) zu umfchreiben. Das find keine theoretifchen Grübeleien,
keine gelehrten Späße; es find vielmehr Forderungen und Löfungen, die allen plaftifch-
orientierten Künftlern von vornherein felbftverftändlich und deshalb ihnen allen ge-
meinfam find. Und mit ihnen hängt auch die lineare Haltung der neueren Hoetgerfchen
Plaftik zufammen. Linear in dem Verftande, daß das Werk nach Motiv und Einzel-
form eine Faßbarkeit durch Umriffe gewinnt, daß, unbefchadet der Möglichkeit eines
genußreichen Umwanderns, jedes Werk eine Hauptanficht befißt, die feinen Sinn lücken-
los ausfpricht, und die [ich als Silhouette begreifen läßt, ln der fogenannten „weib-
lichen Maske", wohl einem der früheften Stücke diefer Ausftellung, ift noch ein Reich-
tum faft durchweg gleichgeordneter Flächen; aber felbft hier und bei der fteinernen
Abb. 2. BERNHARD HOETGER, Bildnis der Frau Düilberg.
188
nicht einmal im Grunde male-
rifch. Diefes Malerifche, im-
preffioniftifche, befchränkt [ich
auf Äußerlichkeiten der Lidrt-
führung, der Auflöfung der
Oberßäche in ein Gewoge von
fchattigen Tiefen und hufchen-
den Lichtern. Aber das Wefent-
Iiche jeder Plaftik, das Be-
wegungsmotiv, läßt [ich bei den
meiften Stücken im Umriß ein-
fangen, und es bedeutet den
fchärfften Widerfpruch zu aller
Rodinfchen Kunft, daß [ich in der
feitlichen Anficht des Schiffs-
ziehers, alfo in feiner Silhouette,
der Sinn des Motivs mit unbe-
dingter Deutlichkeit ausfpricht.
Wenn man das erkannt hat, fo
verliert die Wandlung, die [ich
in Hoetgers Kunft etwa vor
einem Jahrzehnt vollzog, die
Abkehr von Rodin, alle Zu-
fälligkeit und' felbft alles Über-
rafchende. Denn fie bedeutet
nur eine Aufgabe jener maleri-
fchen Äußerlichkeiten und eine
finngemäße Ausbildung der Stil-
prinzipien, die ja fchon in jenen
Arbeiten unter Rodinfchem Ein-
fluß wirkfam waren. Was Hoet-
ger feitdem gefchaffen hat, geht
durchweg vom Block aus. Die
gefchloffene Form wird unumfchränkt herrfchend; gern werden die Gliedmaßen in den
Körper hineingezogen, wird das Ganze durch große Gewandmotive zufammengefchloffen.
Selbft da, wo die Arme abgeftellt find und einen ausfpringenden Winkel des Umriffes
bilden, wie beim Darmftädter Torfo, ift die ganze Figur mit einer fehr einfachen geometrifch-
feften Form (hier mit einem Trapez) zu umfchreiben. Das find keine theoretifchen Grübeleien,
keine gelehrten Späße; es find vielmehr Forderungen und Löfungen, die allen plaftifch-
orientierten Künftlern von vornherein felbftverftändlich und deshalb ihnen allen ge-
meinfam find. Und mit ihnen hängt auch die lineare Haltung der neueren Hoetgerfchen
Plaftik zufammen. Linear in dem Verftande, daß das Werk nach Motiv und Einzel-
form eine Faßbarkeit durch Umriffe gewinnt, daß, unbefchadet der Möglichkeit eines
genußreichen Umwanderns, jedes Werk eine Hauptanficht befißt, die feinen Sinn lücken-
los ausfpricht, und die [ich als Silhouette begreifen läßt, ln der fogenannten „weib-
lichen Maske", wohl einem der früheften Stücke diefer Ausftellung, ift noch ein Reich-
tum faft durchweg gleichgeordneter Flächen; aber felbft hier und bei der fteinernen
Abb. 2. BERNHARD HOETGER, Bildnis der Frau Düilberg.
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