Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0283
DOI Heft:
Het 13/14
DOI Artikel:Freund, Frank E. Washburn: Die Sammlung Stransky, 2: ein Vorposten deutscher Kunst in Amerika
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0283
DIE SAMMLUNG STRANSKY
die liebevoll gesendete tupfige und dabei duftige Farbe: ein lichtes Blau, ein hell klingen-
des Rofa, ein tiefes Weinrot ufw., aber auch durch die Anordnung der Gruppen und die
beherrfchende, die Wogen teiiende Geftalt des Herrn im hohen grauen Zylinder im Zen-
trum des Mittelgrundes, des „Chorführers", wie man ihn vielleicht nennen könnte, erzielt.
Im ftarken Gegenfaß zu diefer wahrhaft fouveränen, damit auch perfönlichen und
dabei temperamentvollen Kunft, fo weit man bei Menzel von einer folchen reden kann,
fteht der etwa 17 fahre früher entftandene Studienkopf eines „Lefenden Mannes", ein
fixiertes farbiges Kreidebiatt (Abb. 34). ln ihm verfenkt fich Menzel, feiner Gewohnheit nach,
bis zur völligen Selbftverleugnung in fein Thema: hier die Darftellung eines befonderen
Charakters unter dem momentanen Einfluß einer beftimmten Lektüre, und läßt nicht
locker, bis er alles, was herauszuholen war, auch herausgeholt hat, nur um dadurch
den Eindruck einer gewiffen Trockenheit zu erzeugen. Man merkt förmiich, wie fich
feine fcharf blickenden Augen tiefer und immer tiefer in feinen Gegenftand hineinbohren.
Und doch: welch ein ftark geiftiges, freitich zugleich in gewiffem Sinne unperfönliches
Kunftwerk diefer, wie auf dem Bilde fteht, „zur Erinnerung" erfaßte und hingefeßte Kopf!
Abb. 35. MAX LIEBERMANN, Schufterwerkftatt.
Mit Erlaubnis von Paul Cafllrer-Berlin.
263
die liebevoll gesendete tupfige und dabei duftige Farbe: ein lichtes Blau, ein hell klingen-
des Rofa, ein tiefes Weinrot ufw., aber auch durch die Anordnung der Gruppen und die
beherrfchende, die Wogen teiiende Geftalt des Herrn im hohen grauen Zylinder im Zen-
trum des Mittelgrundes, des „Chorführers", wie man ihn vielleicht nennen könnte, erzielt.
Im ftarken Gegenfaß zu diefer wahrhaft fouveränen, damit auch perfönlichen und
dabei temperamentvollen Kunft, fo weit man bei Menzel von einer folchen reden kann,
fteht der etwa 17 fahre früher entftandene Studienkopf eines „Lefenden Mannes", ein
fixiertes farbiges Kreidebiatt (Abb. 34). ln ihm verfenkt fich Menzel, feiner Gewohnheit nach,
bis zur völligen Selbftverleugnung in fein Thema: hier die Darftellung eines befonderen
Charakters unter dem momentanen Einfluß einer beftimmten Lektüre, und läßt nicht
locker, bis er alles, was herauszuholen war, auch herausgeholt hat, nur um dadurch
den Eindruck einer gewiffen Trockenheit zu erzeugen. Man merkt förmiich, wie fich
feine fcharf blickenden Augen tiefer und immer tiefer in feinen Gegenftand hineinbohren.
Und doch: welch ein ftark geiftiges, freitich zugleich in gewiffem Sinne unperfönliches
Kunftwerk diefer, wie auf dem Bilde fteht, „zur Erinnerung" erfaßte und hingefeßte Kopf!
Abb. 35. MAX LIEBERMANN, Schufterwerkftatt.
Mit Erlaubnis von Paul Cafllrer-Berlin.
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