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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916

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Het 13/14
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Bombe, Walter: Aus Alfred Rethels Nachlass
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https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0293

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AUS ALFRED RETHELS NACHLASS
mit 5 Abbildungen Von WALTER BOMBE
Erinnerung an die hundertfte Wiederkehr von Alfred Retheis Geburtstag hat die
einzige Tochter des Meifters, Frau Elfe Sohn, am 15. Mai [einen ganzen künft-
teri[chen Nachlaß der Ö[[enttichkeit zugängtich gemacht. Im Ausftellungsfaale der Städti-
[chen Kunfthalle zu Dü[[eIdor[ eröffnet diefe umfangreiche Schau von Gemälden, Zeich-
nungen und Hotzfchnitten zugleich die Reihe der von Prof. Kart Koetfchau gepianten
Ausweitungen zur Gefchichte der Düffeldorfer Materei. Unter Beihilfe des Malers Otto
Sohn-Rethel, des Enkels des Meifters und eines befonders guten Kenners feiner Kunft,
find von Prof. Koetfchau und Dr. Walter Cohen die weiteren Kreifen bisher unbekannten
Arbeiten aus dem Nachlaß Retheis in ftreng chronologifcher Folge zufammengeftellt
worden.
Den Anfang machen die Gemälde und ölftudien. Der Düffeldorfer Periode ent-
ftammt eine Olfkizze auf Leinwand, die den heiligen Bonifazius umgeben von Bau-
leuten darftellt, um 1833 entftanden ift und mit einer Zeichnung des Dresdener Kupfer-
ftichkabinetts verglichen werden kann, die Ponten in feiner „Gefamtausgabe der Klaffiker
der Kunft" auf S. 8 abbildet. In die Düffeldorfer Zeit gehört ferner das gleich nach
der Überfiedelung in Frankfurt 1836 vollendete fchöne Bildnis feiner Mutter, das auf
der Berliner Jahrhundert-Ausftellung von 1912 viel bewundert wurde, und eine Studie
zu dem Gemälde der Juftitia oder Nemefis, das 1837 auf einer Ausftellung vom Frank-
furter Kunftverein angekauft, in den Befiß des Barons von Reutern nach Petersburg
gelangt ift (Abb. 1). Kurz vor der Reife nach Italien, wahrfcheinlich 1843, ift das große,
eindrucksvolle Gemälde „Karls des Fünften Aufnahme in das Klofter St. Juft" anzufe^en,
das man mit befonderer Teilnahme betrachtet, weil Rethel in der Geftalt des Abtes
feinen hochverehrten Frankfurter Meifter Philipp Veit, in den Klofterbrüdern feine
Freunde Steinle und Dr. Hechtei und [ich felbft in der Figur des Pförtners abkonterfeit
haben foll. Demnach wäre das Bild als ein Zeugnis der Ergebenheit an Philipp Veit
anzufehen, der [ich damals mit wenigen Getreuen, darunter Rethel und Steinle, grollend
in das Deutfchordensklofter zu Sachfenhaufen zurückgezogen hatte. Kunfthiftorifch be-
trachtet fteht das Gemälde am Ende jener Entwicklungsperiode, deren Ausgangspunkt
die Bonifaziusbilder bezeichnen. Mit einer etwas lehrhaften Eindringlichkeit wird der
weltgefchichtliche Vorgang der Thronentsagung des Beherrfchers zweier Welten ge-
fchildert. Der Maler will mit dem Gefchichtsfchreiber wetteifern, will wie diefer die
Wahrheit der Gefchichte künden und zugleich der herrfdienden, reichlich empfindfamen
Gefchmacksrichtung entgegenkommen. Darum wird uns eine ftimmungmachende däm-
merige Klofterhalle vorgeführt, in der fchön drapierte Menfchen mit befeelten und fein
charakterifierten Bildnisköpfen und maßvollen, mitunter felbft konventionellen Be-
wegungen, wie bei der linken Mönchsgruppe, ihrem Erftaunen Ausdruck verleihen oder
[ich einander zuneigen. Mit peinlichfter Sorgfalt wird auch Nebenfächlichftes gefchildert,
wie das Pflanzen-Stilleben im Vordergründe und das recht abfichtlich hingeworfene
Barett mit der Halskette des totenblaffen, weltmüden Sonderlings. Der Durchblick
durch das Kloftertor in die fonnige Welt draußen, in die Karls Begleiter zurückreiten,
gibt den erwünfditen Stimmungskontraft zu der Dämmerftille des Klofterhofes (Abb. 2).
Wenn es [ich hier um eine Kunftäußerung handelt, die wir nur noch mit rückwärts
gewandtem Blick zu würdigen vermögen, fo bringt ein im nächften fahre, 1844, ge-
fchaffenes Bild kleineren Umfanges, der Mönch an der Leiche Kaiser Heinrichs IV.,
eine heroifch-tragifdie Gefamtftimmung, die geradezu an Delacroix gemahnt. Auf der
Berliner Jahrhundert-Ausftellung wirkte das damals noch unreslaurierte und von Riffen
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