Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0342
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Heft 15/16
DOI Artikel:Stoehr, August: Was wissen wir von der Würzburger Porzellanfabrik
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WAS WISSEN WIR VON DER WÜRZBURGER PORZELLANFABRIK?
Porzellanfabrik [ich durch einen
künftigen Zufaiisfund zu einer
po[itiven Wahrheit ausgeftal-
ten werden, läßt [ich kaum
ent[cheiden. I[t es ein Former,
dann kann nur ein Zufaiis-
fund in einem Kirchenbuch
Würzburgs oder der umliegen-
den Orte einmai [einen Namen
ergeben, vorausgefe^t, daß er
in [einem zivilen Leben über-
haupt Aniaß zu einer Ein-
tragung gegeben hat.
I[t es der Modelleur, dann
werden wir dem gleichen Zu-
fali vertrauen mü[[en, denn
unter den für die Zeit von 1775
bis 1780 in Betracht kommen-
den Biidhauern von Ruf findet
fich keiner, deffen Name mit B
anfängt. Der naheiiegende Ge-
danke an Antonio Boffi muß
von vornherein ausfcheiden,
und ebenfowenig find wir be-
rechtigt, Materno Boffi, der etwa [eit 1767 an der Innenausftat-
tung der Würzburger Refidenz tätig war und u. a. die präch-
tigen klaffiziftifchen Stuckaturen im [ogenannten Ingelheimtrakt
gefchaffen hat, als Urheber ohne weiteres in Betracht zu ziehen,
obwohl er ein äußerft vielfeitiger Künftler war.
Sicherlich war der Modelleur der Bifchöfe kein ungefchickter
Künftler, der es vor allem verbanden hat, [ich dem Material an-
zupaffen. Denn materialgerecht behandelt find all diefe reizend
modellierten Figürchen und Gruppen, die Braun abbildet und die
wir doch wohl einer einzigen Hand zufchreiben dürfen. Übrigens
kann ich die Reihe noch um einige Stücke vermehren.
Vor kurzem ift im Würzburger Kunfthandel die kleine Figur
eines an einen Baumftamm gelehnten jungen Herrn aufgetaucht
(Abb. 8), die nach der Befchaffenheit ihrer Maffe ficher in der
gleichen Fabrik entftanden ift. Auch ift der mit Gehängen ge-
fchmückte Sockel der gleiche wie bei dem „Winter" der Samm-
lung Paul von Oftermann.
Nun erinnert diefes neu aufgetauchte Stück lebhaft an gewiffe
Sandfteinfiguren des Veitshöchheimer Parks, die den Bildhauer
Dietj zum Urheber haben. Man glaubt, ihr Original dort ohne
weiteres auffinden zu können. Der vortretende Unterleib, die
fchmale Bruft, der Kopf mit der zurOckfallenden Stirne, der ^ Frühling"
fchmunzelnde Ausdruck des Mundes find charakteriftifdie Eigen- Fränkifdies Luitpotd-Mufeüm.
Abb. 8. Frank. Luitpoid-Mufeum.
Abb. 9. „Herbft".
Fränktfches Luitpold-Mufeum.
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Porzellanfabrik [ich durch einen
künftigen Zufaiisfund zu einer
po[itiven Wahrheit ausgeftal-
ten werden, läßt [ich kaum
ent[cheiden. I[t es ein Former,
dann kann nur ein Zufaiis-
fund in einem Kirchenbuch
Würzburgs oder der umliegen-
den Orte einmai [einen Namen
ergeben, vorausgefe^t, daß er
in [einem zivilen Leben über-
haupt Aniaß zu einer Ein-
tragung gegeben hat.
I[t es der Modelleur, dann
werden wir dem gleichen Zu-
fali vertrauen mü[[en, denn
unter den für die Zeit von 1775
bis 1780 in Betracht kommen-
den Biidhauern von Ruf findet
fich keiner, deffen Name mit B
anfängt. Der naheiiegende Ge-
danke an Antonio Boffi muß
von vornherein ausfcheiden,
und ebenfowenig find wir be-
rechtigt, Materno Boffi, der etwa [eit 1767 an der Innenausftat-
tung der Würzburger Refidenz tätig war und u. a. die präch-
tigen klaffiziftifchen Stuckaturen im [ogenannten Ingelheimtrakt
gefchaffen hat, als Urheber ohne weiteres in Betracht zu ziehen,
obwohl er ein äußerft vielfeitiger Künftler war.
Sicherlich war der Modelleur der Bifchöfe kein ungefchickter
Künftler, der es vor allem verbanden hat, [ich dem Material an-
zupaffen. Denn materialgerecht behandelt find all diefe reizend
modellierten Figürchen und Gruppen, die Braun abbildet und die
wir doch wohl einer einzigen Hand zufchreiben dürfen. Übrigens
kann ich die Reihe noch um einige Stücke vermehren.
Vor kurzem ift im Würzburger Kunfthandel die kleine Figur
eines an einen Baumftamm gelehnten jungen Herrn aufgetaucht
(Abb. 8), die nach der Befchaffenheit ihrer Maffe ficher in der
gleichen Fabrik entftanden ift. Auch ift der mit Gehängen ge-
fchmückte Sockel der gleiche wie bei dem „Winter" der Samm-
lung Paul von Oftermann.
Nun erinnert diefes neu aufgetauchte Stück lebhaft an gewiffe
Sandfteinfiguren des Veitshöchheimer Parks, die den Bildhauer
Dietj zum Urheber haben. Man glaubt, ihr Original dort ohne
weiteres auffinden zu können. Der vortretende Unterleib, die
fchmale Bruft, der Kopf mit der zurOckfallenden Stirne, der ^ Frühling"
fchmunzelnde Ausdruck des Mundes find charakteriftifdie Eigen- Fränkifdies Luitpotd-Mufeüm.
Abb. 8. Frank. Luitpoid-Mufeum.
Abb. 9. „Herbft".
Fränktfches Luitpold-Mufeum.
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