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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 8.1916

DOI issue:
Heft 17/18
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Planiscig, Leone C.: Handzeichnungen alter Meister aus der Sammlung des Herrn Stadtrat Ludwig Zatzka, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.26378#0373

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HANDZEICHNUNGEN ALTER MEISTER


der befestigten Burg in der Ferne,
nicht die bereits potenzierte Stim-
mung eines in Abendgiut getauch-
ten Land[triches Tizians, Sondern
als Hauptmotiv zwei kahle Baum-
Stämme, dahinter nur etwas Laub,
vom Winde bewegt, gekrümmt,
gemartert, zu beiden Seiten nackte
FeiSen und in der Mitte, unter-
geordnet, der Wanderer. In dieSer
AuffaSSung iSt bereits jene müde
HerbStromantik enthaiten, welche
die Literatur und die bildende
KunSt feit den achtziger Jahren
des vergangenen Jahrhunderts zu
Tode gehest haben. Eine ernjte
Zeit das Seicento! Noch keine
Spur jenes heroiJch-arkadiSchen
oder bukolischen Inhaltes, welcher
der LandSchaftsauffaSfung im 18.
Jahrhundert eigen ijt. Des Kon-
trastes wegen bilde ich hier eine
römiSche Zeichnung des Sette-
cento ab (Abb. 10). [Federzeich-
nung, weiß. Papier; 30,5x20,1 cm.]
Vorderhand anongm unter den
vielen gleichartigen. Ihr iSt zwar
ein romantischer Sinn nicht abzu-
leugnen, doch Sieht das Ganze eher
einer „klaSfiSchen" Szenerie mit der
unumgängiiehen AntiquitätenStaffage ähnlich, wobei dem gefallenen Baumftamme auch die
Rolle einer Ruine — einer Naturruine gegenüber der Kunftruine — zufällt. Zerftörung
wohl, aber nicht der zerftörende Akt, Ruhe nach dem Sturm, nicht kämpfende Elemente,
Sein, nicht Werden. — Es gibt noch viele unerfaßte Probleme in jener Kunftperiode, die
wir kurzweg Barocke nennen. Das Studium der Handzeichnungen wird auf diefem Ge-
biete von großem Werte fein, denn aus ihnen quillt ein Leben und eine Geftaltungsenergie,
eine Freiheit der Auffaffung und ein feelifcher Gehalt, die wir in den Bildern der Zeit
kaum oder erft durch Ausfchaltung von Konvention und Mode entnehmen können.
Ein fchönes Beispiel für die „Rottami"-MaIer ift die Signierte, farbige Zeichnung
des in Frankfurt tätig gewefenen Johann Heinrich Roos (Abb. 11). [Federzeichnung,
mit Bifter laviert, aquareliiert, weißes Papier, unten rechts signiert: J. H. Roos fecit
1654; 46,4 X 33,1 cm]. Niederländifches Genreleben, verbunden mit italienifchem
Ruinenkultus. Ein gleichwertiges Blatt diefes, übrigens in Handzeichnungen auch
anderswo [ehr gut vertretenen Künftlers war auf der Jahrhundert-AusfteHung deutfeher
Kunft in Darmftadt (1914) zu fehenA

Abb. 12. NICOLAS POUSSIN (?), Sufanna.

i Biermann, Deutsches Barock und Rokoko. Leipzig 1915, Bd. 1, S. 205.

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