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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

DOI Heft:
Heft 21 (1. Augustheft 1917)
DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1917)
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Streicher, ...; Erdmann, Karl Otto; Natonek, Hans: Nochmals: Besinnliches zum Fremdwörterstreit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0179

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(

/^eit die ArbeiL Karl O. Erdmcrnns als (65. Flugschrift des Dürer»
-^bundes ans Licht der Offentlichkeit getreten ist und der „Deutsche Wille"
(S. (76) seine vielen Leser noch besonders darauf hingewiesen hat, emp-
fängt die Schriftleitung des Deutschen Sprachvereins wieder und wieder
Zuschriften von besorgten Mitgliedern, die zugleich der Kunstwartgerneinde
angehören. Sie fürchten, die Vereinssache müsse in jenem weiten Leser»
kreise Schaden leiden, wenn Erdmanns unrichtige Darstellung ohne jede
Antwort bleibe. Darum bitte ich für einige Gegenbemerkungen um ge-
neigtes Gehör.

Zunächst ist zu sagen, daß auch in den Veröffentlichungen des Sprach»
vereins längst und zwar oft und eingehend alles behandelt worden ist,
was die Flugschrift Gutes enthält über die feinen Anterschiede scheinbar
gleichbedeutender Wörter (einer oder auch mehrerer Sprachen), über die
daraus entspringenden Schwierigkeiten der Verdeutschung und über die
Spaltung oder Verästelung verwandter Begriffe infolge Bereicherung des
Wortschatzes. Die Schrift erweckt aber durch verstreute, teilweise geradezu
geringschätzige Außerungen die falsche Vorstellung, als seien alle die jetzigen
„Sprachreiniger" ganz gute Leute, aber schlechte Musikanten, das heißt
ohne die nötige Sachkenntnis. Während ferner der Sprachverein seine
besonnen eingeschränkte Mahnung zur Sprachreinheit in den Satz faßt:
„Kein Fremdwort für das, was deutsch gut ausgedrückt werden kann!",
also scharf betont — die Wortstellung zeigt es —, wie viel er fordert,
macht Erdrnann daraus eine angeblich „bekannte Formel": „Kein Frernd«
wort für das, was ebenso gut deutsch ausgedrückt werden kann", — läßt
durchblicken, daß damit sehr wenig gemeint sei, und nimmt den so ent-
stellten Satz sogar zum Ausgangspunkt und zur Grundlage seiner Aus-
führung. Ich bin überzeugt, daß die Verschiebung ungewollt und unbe-
wußt geschehen ist, aber ein kaum verzeihlicher Irrtum bleibt sie doch.

Von dem Abschnitt über den angeblich „schlechtesten Grund in der Fremd-
wörterbekämpfung" (S. (8 ff.), wo Erdmann die starke Behauptung auf»
stellt, wer die Fremdwörter als besonders und ungebührlich vieldeutig,
verworren und verwaschen bezeichne, der sage einfach die Anwahrheit
(S. 2(), will ich hier nicht reden.

Erdmann selbst gibt uns ohne Einschränkung zu, daß die Zahl ent»
behrlicher Fremdwörter sehr groß ist (bes. S. (H, daß diese mit der natio-
nalen Würde, der Schönheit und Einheitlichkeit der Muttersprache unver-
einbar sind, daß, wer Fremdwörter nur dort gebrauche, wo es wirklich
auf ihren besonderen Sinn ankomme, sie verhältnismäßig selten verwende
und ein viel reineres Deutsch schreibe, als wir es heute zu hören gewohnt
seien, endlich daß vollständige Sprachreinheit ja überhaupt kein Verstän-
diger mehr fordere.

Aber trotz dieser gewichtigen Zugeständnisse trennt ihn von uns eine
tiefe Kluft. Nach seiner Meinung macht das Fremdwort die Sprache nicht
ärmer, sondern reicher. Gewiß, zahlenmäßig ist das richtig. Denn zwei
sind mehr als eins; wenn wir bald „gegenüber", bald „vis-a-vis" sagen,
haben wir ein Wort mehr. Aber die Rechnung stimmt schon für das Ein-
zelwort nicht, wenn zum Beispiel „Onkel" den „Oheim" verdrängt, und
vollends nicht, wo durch unbedenkliches Äbergreifen in die Fremdsprache
deutsche Wortbildungswege verschüttet werden (vergl. Karl Schneider, Zur
Ausgestaltung der deutschen Sprache, Sprachvereinszeitschrift (9(5, Sp. 292).

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