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der Heranwachsende, junge Ulmer sich diese
besser aneigneu, als beim Kvmödienspiel
auf der Bühne des Gymnasiums? Wer
als herangereister Jüngling vor einem
größere» Publikum die Nolle eines Pa-
triarchen oder Helden des alten Testaments
mit Beifall spielen konnte, der war auch
fähig, als Mann bei den Wahlen in form-
gewandter Rede die Wähler für seine An-
sicht zu gewiunen. Der konnte auch im
Namen der Reichsstadt ohne Scheu und
Verlegenheit mit den benachbarten Poten-
taten verhandeln. — So war denn das
Komödienspielen am Ulmer Gymnasium
keine Spielerei, sondern ein Mittel zur
Heranbildung tüchtiger Bürger der Reichs-
stadt. - Denjenigen jungen Leuten aber,
welche das Gymnasium besuchten, um
später als Theologen und Juristen der
Reichsstadt zu dienen, kam natürlich die
Redegewandtheit, die sie sich in jungen
Jahren aneigueten, auf der Kanzel und
im Gerichtssaale dereinst sehr zu statten.
— So hatten denn die Behörden der
Reichsstadt guten Grund, das Komödien-
spielen im Gymnasium zu fördern und war
der Bau eines eigenen Theaters für das-
selbe in vollem Maße gerecbtfertigt. —
Das —1650 für das Gymnasium
erbaute Theater ist allerdiugs nur zu bald
(1702) seiner ursprünglichen Bestimmung
entfremdet worden. Es wurde später zum
Gebäude für das fremde Almosen gemachtund
kam dann in den Besitz des Weinhändlers
Tobias L e i p h e i m e r. (Forts, folgt.)
Vor io« Jahren. — Aufzeichnungen
auF einem Mosterragesiuch
über die letzten Kriegszeiten der
Benediktinerabtei Neresheim (1800
bis 1802).
. (Fortsetzung.)
Der' Herr Oberamtmann wird E. H.
und G. unsere Gesinnungen hierüber
mündlich ausführlicher eröffnen. Zu Mit-
tag speiste ich bei St. Ulrich. Nach-
mittags hatte ich noch einige Geschäfte, be-
sonders mit Herrn Schott und H. Renz,
in Ordnung zu bringen und einige Besuche
zu macheu, z. B. bei dem Herrn General-
vikar Nigg, bei dem Domkapitular Mastianx,
bei der ehrw. Frau Nepomucena von Kirch-
heim, die sich in Augsburg bei ihrer Mutter
auf der Flucht befindet, bei Herrn Kieninger
re. Abends nach 7 Uhr reisten wir von
Augsburg ab und übernachteten in Wer-
tingen. — Den 14. Juli: Wir reisten
früh von Wertingen ab, um auf den Mit-
tag nach Maria Medlingen zu kommen, wo
wir von dem Betragen der Franzosen gegen
oas Kloster alles Lob in weitläufigen Er-
zählungen anhören mußten. Abends 5 Uhr
trafen wir in Neresheim wieder ein, und
eine Stunde nach uns kamen schon vier schöne
Husaren vom 9. Regiment, die uns General
Bertrand'nach seinen Versprechungen hieher
sandte. Wir werden sie auf unsere Ortschaften
und Höfe hinauslegen, wo sie gegen herum-
schweifende einzelne Soldaten gute Dienste
leisten werden. — Den 15. Juli: Mit-
tags 10'/2 Uhr kam der lange gefürchtete
französische General Drouhot mit einer
Begleitung von etwa 50 Dragonern hier
an. Ein Stich ging mir ans Herz, da
ich ihn sah, denn ich glaubte gewiß, daß
er auch hier eine Requisition machen würde.
Ich präoccupierte ihn mit Vorweisung der
Proklamation des Obergenerals, mit der
neuerdings von demselben ausgeschriebenen
allgemeinen Kontribution für Schwaben,
worin schon unser Anteil angesetzt ist, mit
der Ordre, unserer 5uuve Zurcle, durch
welche sie autorisiert ist, jede illegale Re-
quisition abzuweisen. Wir thaten ihm üb-
rigens alle möglichen Ehren an. .Seinen
Dragonern gaben wir Bier, Brot und
Fleisch. Nach der Mittagstafel reiste er
vergnügt, ohne von einer Requisition
Meldung zu machen, nach Heidenheim ab,
wohin wir ihn durch unsere Kutsche und
Pferde führen ließen. — Den 16. Juli:
Vormittags 10 Uhr kam General Drou-
hot mit unserer Kutsche und Pferden von
Heidenheim hieher wieder zu uns. Wir
bedienten ihn wieder mit aller Aufmerk-
samkeit, um ihn bei guter Laune zu er-
halten. Vergnügt speiste er mit uns zu
Mittag. Nach der Tafel gab er dem
Bürgermeister von Dischingen, den er schon
gestern auf heute mit fünf Dragonern hie-
her bestellen ließ, ein Uuus Oeo von Geld,
Ochsen und Pferde für Eglingcn und Disch-
ingen. Auch mich berief er extra zu sich
in sein Zimmer, stellte an mich einige ver-
fängliche Fragen, die auf eine Kontribu-
tion Hinzuzielen schienen, die ich aber auf
eine Art beantwortete, daß von keiner Kon-
der Heranwachsende, junge Ulmer sich diese
besser aneigneu, als beim Kvmödienspiel
auf der Bühne des Gymnasiums? Wer
als herangereister Jüngling vor einem
größere» Publikum die Nolle eines Pa-
triarchen oder Helden des alten Testaments
mit Beifall spielen konnte, der war auch
fähig, als Mann bei den Wahlen in form-
gewandter Rede die Wähler für seine An-
sicht zu gewiunen. Der konnte auch im
Namen der Reichsstadt ohne Scheu und
Verlegenheit mit den benachbarten Poten-
taten verhandeln. — So war denn das
Komödienspielen am Ulmer Gymnasium
keine Spielerei, sondern ein Mittel zur
Heranbildung tüchtiger Bürger der Reichs-
stadt. - Denjenigen jungen Leuten aber,
welche das Gymnasium besuchten, um
später als Theologen und Juristen der
Reichsstadt zu dienen, kam natürlich die
Redegewandtheit, die sie sich in jungen
Jahren aneigueten, auf der Kanzel und
im Gerichtssaale dereinst sehr zu statten.
— So hatten denn die Behörden der
Reichsstadt guten Grund, das Komödien-
spielen im Gymnasium zu fördern und war
der Bau eines eigenen Theaters für das-
selbe in vollem Maße gerecbtfertigt. —
Das —1650 für das Gymnasium
erbaute Theater ist allerdiugs nur zu bald
(1702) seiner ursprünglichen Bestimmung
entfremdet worden. Es wurde später zum
Gebäude für das fremde Almosen gemachtund
kam dann in den Besitz des Weinhändlers
Tobias L e i p h e i m e r. (Forts, folgt.)
Vor io« Jahren. — Aufzeichnungen
auF einem Mosterragesiuch
über die letzten Kriegszeiten der
Benediktinerabtei Neresheim (1800
bis 1802).
. (Fortsetzung.)
Der' Herr Oberamtmann wird E. H.
und G. unsere Gesinnungen hierüber
mündlich ausführlicher eröffnen. Zu Mit-
tag speiste ich bei St. Ulrich. Nach-
mittags hatte ich noch einige Geschäfte, be-
sonders mit Herrn Schott und H. Renz,
in Ordnung zu bringen und einige Besuche
zu macheu, z. B. bei dem Herrn General-
vikar Nigg, bei dem Domkapitular Mastianx,
bei der ehrw. Frau Nepomucena von Kirch-
heim, die sich in Augsburg bei ihrer Mutter
auf der Flucht befindet, bei Herrn Kieninger
re. Abends nach 7 Uhr reisten wir von
Augsburg ab und übernachteten in Wer-
tingen. — Den 14. Juli: Wir reisten
früh von Wertingen ab, um auf den Mit-
tag nach Maria Medlingen zu kommen, wo
wir von dem Betragen der Franzosen gegen
oas Kloster alles Lob in weitläufigen Er-
zählungen anhören mußten. Abends 5 Uhr
trafen wir in Neresheim wieder ein, und
eine Stunde nach uns kamen schon vier schöne
Husaren vom 9. Regiment, die uns General
Bertrand'nach seinen Versprechungen hieher
sandte. Wir werden sie auf unsere Ortschaften
und Höfe hinauslegen, wo sie gegen herum-
schweifende einzelne Soldaten gute Dienste
leisten werden. — Den 15. Juli: Mit-
tags 10'/2 Uhr kam der lange gefürchtete
französische General Drouhot mit einer
Begleitung von etwa 50 Dragonern hier
an. Ein Stich ging mir ans Herz, da
ich ihn sah, denn ich glaubte gewiß, daß
er auch hier eine Requisition machen würde.
Ich präoccupierte ihn mit Vorweisung der
Proklamation des Obergenerals, mit der
neuerdings von demselben ausgeschriebenen
allgemeinen Kontribution für Schwaben,
worin schon unser Anteil angesetzt ist, mit
der Ordre, unserer 5uuve Zurcle, durch
welche sie autorisiert ist, jede illegale Re-
quisition abzuweisen. Wir thaten ihm üb-
rigens alle möglichen Ehren an. .Seinen
Dragonern gaben wir Bier, Brot und
Fleisch. Nach der Mittagstafel reiste er
vergnügt, ohne von einer Requisition
Meldung zu machen, nach Heidenheim ab,
wohin wir ihn durch unsere Kutsche und
Pferde führen ließen. — Den 16. Juli:
Vormittags 10 Uhr kam General Drou-
hot mit unserer Kutsche und Pferden von
Heidenheim hieher wieder zu uns. Wir
bedienten ihn wieder mit aller Aufmerk-
samkeit, um ihn bei guter Laune zu er-
halten. Vergnügt speiste er mit uns zu
Mittag. Nach der Tafel gab er dem
Bürgermeister von Dischingen, den er schon
gestern auf heute mit fünf Dragonern hie-
her bestellen ließ, ein Uuus Oeo von Geld,
Ochsen und Pferde für Eglingcn und Disch-
ingen. Auch mich berief er extra zu sich
in sein Zimmer, stellte an mich einige ver-
fängliche Fragen, die auf eine Kontribu-
tion Hinzuzielen schienen, die ich aber auf
eine Art beantwortete, daß von keiner Kon-