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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Osborn, Max: Goldschmiede-Arbeiten von Emil Lettré und Eduard Pfeiffer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0087

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GOLDSCHMIEDE-ARBEITEN
VON EMIL LETTRE UND EDUARD PFEIFFER

"\ T 7"as dieses Künstlers delikate Arbeiten
V V bestimmt, ist die so wundervolle Verbin-
dung und Durchtränkung höchsten handwerk-
lichen Wissens und eigenwilligsten Geschmacks.
Damit ist zugleich gesagt, daß sich noch zwei
andere Elemente in ihm mischen: ererbte Ehr-
furcht vor der Überlieferung der Jahrtausende,
die nicht aus historischem Studium, sondern
aus tiefem Verstehen alter Künstlerweisheit ge-
boren ward, und ein durch den reinigenden
Geist der Gegenwart geläutertes, völlig selb-
ständiges Formgefühl. Der Sohn der alten
Juwelierstadt Hanau, der Abkömmling einge-
wanderter Hugenotten, hat Goldschmied-Ge-
danken ferner Zeiten und Völker in seinem
Blut und in den Nerven seiner behutsam bilden-
den, bastelnden, hämmernden, ziselierenden
Hände. Doch alles, was sich so in ihm sam-
melte, wird reguliert und vorwärts getrieben
durch dekorative Anschauungen, die aus der
umgebenden Luft, der Zeit in sein Tempera-
ment drangen, um sich hier in ganz individuelle
Vorstellungen zu verwandeln.

Die Freude am Kostbaren scheint die Mutter
aller dieser Ringe und Ketten, Gehänge und
Broschen, Täschchen und Fläschchen, Kannen
und Schalen, Dosen und Pokale zu sein, die
aus Emil Lettres Werkstatt hervorgegangen
sind. Die märchenhafte Schönheit eines selte-
nen, schwer errungenen Steines aus exotischen
Ländern so zu fassen, daß Stein und Fassung
zur Einheit werden, sich ergänzen und steigern,

die Herrlichkeit des edelsten Materials mit
modellierender Hand, mit kosenden Sticheln
und Feilen und zärtlichen Hämmern so zu
bearbeiten, daß der holdeste Glanz der Ober-
fläche, die vornehmste, aus der Eigenart des
Stoffes und des Zweckes organisch ent-
springende Gestalt, die zartesten Linien zu-
stande kommen, wohlerwogene Kontraste von
freien Flächen und betonendem Ornament am
rechten Platze zu erzeugen, jeden Ansatz, jede
Lötung und Vernietung mit liebevollster Sorg-
falt zu pflegen — das ist Ausgangspunkt und
Ziel der Arbeit. In zierlichen Kompositionen,
die vielfach des Künstlers Freund, der junge
Architekt Eduard Pfeiffer, erfand, schlingen
sich Blättchen und Blüten und Trauben, quellen
farbige Edelsteine aus dem schimmernden
Grunde dünner Goldfelder, fügen sich, an sil-
bernen Aufsätzen und Geschirrstücken, Füße
und Henkel und Deckel an den Rumpf der
Hauptgestalt. Wenn die phantastische Pracht
von Brillanten, Smaragden und Saphiren durch
die schlichtere Schönheit eines Ultramarin,
eines Hyazinth, eines Achat ersetzt wird, so
sollen nicht billige Surrogate geschaffen, son-
dern eine schmückende Absicht, die mit der
stärkeren Wirkung größerer Flächen operieren
will, erfüllt werden. Denn jedes Einzelstück
ist von der aristokratischen Idee erzeugt, soviel
edle Schönheit darzubieten, wie Menschenhand
vergönnt ist, als glühendsten Ausdruck der
Freude an Welt, Natur und Leben, max osborn.

'»14/15. L 7.

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