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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Friedmann, Ernst: Der Weg zur deutschen Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0119

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und durch innigstes Hand in Handarbeiten kann
für die Zukunft bei uns auf dem Gebiete der
Mode etwas Ersprießliches entstehen. Wir
müssen die Klippe des Kunstgewerblichen in
der Mode umschiffen und dem Fachmann,
dem Manne der Praxis, den ersten Platz
einräumen, und bescheiden soll der
Künstler beratend und anregend zur
Seite stehen. Wir müssen es uns eingestehen,
daß wir mit dem rein Künstlerischen bisher nicht
viel Ersprießliches geschaffen haben und daß
die guten und gesunden Ideen und Prinzipien,
die in unserer hoffentlich nicht wieder sich vor-
drängenden „Reformtracht" lagen, erst in Paris,
künstlerisch und technisch wesentlich vervoll-
kommnet, zur Reife und Blüte gelangten. Aber
wir haben auch zugleich dabei erkannt, daß die
Franzosen sich nicht gescheut haben, die guten
Grundideen von anderswo zu nehmen, und der
Einfluß, den gerade das moderne deutsche
Kunstgewerbe, und nicht zuletzt die Wiener
Richtung, in der allerletzten Zeit dort aus-
übten, hat uns erkennen lassen, welches Können
und welche Möglichkeiten auch bei uns ruhen.
Die „Wiener Werkstätte" war es, die vor
wenigen Jahren den Mut hatte, mit einer ganz
neuen Richtung hervor zu treten. Hätte eine
bessere Organisation sie gestützt, so wäre ihr
Einfluß zweifellos noch ein bedeutenderer ge-
worden als es schon so der Fall gewesen. Daß
sie bei ihren Neuschöpfungen, die sie aus eigenst
hergestellten Stoffen arbeitete, den Grundlinien
der herrschenden Pariser Mode folgte, zeigt uns
den Weg, den auch wir für die nächste Zeit
gehen müssen. Es wäre unmöglich, plötzlich
etwas ganz neues oder anderes machen zu
wollen als die letzte Saison uns gebracht hat.

Wir wissen, daß die Mode immer ein Aus-
druck der Zeit gewesen ist und daß sie oft ein
Spiegelbild der Politik war. Während des 30 jäh-
rigen Krieges trug auch der schlichte Bürgers-
mann die weiten Stulpenstiefel und die kecke
Hahnenfeder auf dem breitkrempigen Hut. Die
französische Revolution verwarf mit den Stan-
desvorrechten auch die reich geschmückte Klei-
dung des „Ancien Regime", und die Jahre nach
dem erfolgreichen Feldzuge Napoleon I. schufen
Hüte, die an die altrömischen Helme erinnerten.
Als die russisch-französische Entente, die uns
jetzt zum Verderben werden sollte, geschlossen
wurde, trugen unsere Damen die russische Ai-
grette auf dem Kopfe, und unsere Herrenwelt
mußte fast zwei Saisons lang Trauer tragen, als
in England die alte „Queen" gestorben war. In
frichester Erinnerung ist sicherlich noch der
große Einfluß, den das Orientalische nach den
Balkankriegen auf alles Modische geübt hat.

So wird die schwere und ernste Zeit, die der
Krieg geschaffen hat, auch in der Mode bei uns
nicht spurlos vorübergehen können. Aus der
Trauer, den der Tod so vieler Braven in unsere
Familien bringt und aus dem erwachten und
neu gestärkten Nationalbewußtsein werden sich
in Anlehnung an die bis jetzt Geltung habenden
Formen und Schnitte die Farben- und Formen-
Motive in beliebig reicher Vielgestaltigkeit er-
geben. Dem Ernst und der Würde der jetzigen
und der nachfolgenden Zeit, die auch eine ge-
wisse Sparsamkeit bedingt, wird je nach dem
besonderen Zweck des Kleides, die Mode in
einfacherer oder eleganterer Schlichtheit Rech-
nung tragen. Auch der viel zu schnell gewor-
dene Wechsel, der uns heute schon das als
„passe" beurteilen ließ, was gestern aufs Schild
gehoben wurde, wird einem ruhigeren Tempo
weichen müssen.

Von einer „Deutschen Mode" wird erst dann
gesprochen werden können, wenn nicht eine
„Tracht" entstanden ist, sondern eine Mode,
die nicht nur von der Deutschen Frau ge-
tragen wird oder von dem Deutschen Herrn,
sondern die Eigenschaften besitzt, die ihre
Exportfähigkeit gewährleistet, und erst da
wird von einem „Zentrum" gesprochen werden
können, wo auch die vornehme Ausländerin zu
kaufen sich hingewöhnt hat. Bis wir dieses Ziel
erreichen, werden wir noch einen dornenvollen
Weg zurücklegen müssen, der eine Fülle von
Arbeit und manche Enttäuschung mit sich bringt.

Ein in der Bildung begriffener „Ausschuß
für Deutsche Mode-Industrien" hat es sich zur
Aufgabe gemacht, die schwierige Organisation
für die Deutsche Mode in die Hand zu nehmen.
Hoffentlich gelingt es, alle die Fabrikanten und
Geschäftsleute der verschiedenen in Betracht
kommenden Einzelgebiete und die für dieses
Gebiet besonders befähigten Künstler ohne
Eifersüchteleien zu einem einheitlichen har-
monischen Vorgehen zu vereinigen.

Modenfrage ist Frauenfrage! Ob und
wieweit wir unser Ziel erreichen, wird davon
abhängen, wie sich unsere Frauen künftig zur
Mode stellen werden. Ihre tatkräftige
Mitarbeit ist unentbehrlich. AlsMit-
schafferin sowohl als auch als Verbrau-
cherin kommt ihr eine Bedeutung zu, deren
sie sich wohl bewußt werden muß. Für beide
Tätigkeiten ist feiner und vielseitiger Ge-
schmack von allergrößtem Wert. Fürs erste
aber wird, namentlich von der verwöhnten
Frau, gefordert werden müssen, daß sie, „wo
die Männer für das Deutschtum ihr Leben
opfern, nur ihre Eitelkeit und ihre Vorurteile
zu opfern bereit sein muß.".............
 
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