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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Hildebrand, Adolf von: Unsere neuen Burgen am Rhein: Zu den Radierungen von Josef Pennell
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0155

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JOSEF PENNELL—PHILADELPHIA.

»NEUE BURGEN AM RHEIN«

UNSERE NEUEN BURGEN AM RHEIN.

ZU DEN RADIERUNGEN VON JOSEF PENNELL.

Die sogenannte „soziale" Kunst ist eigent-
lich erst eine Entdeckung des zwanzigsten
Jahrhunderts, wenn es auch früher schon ge-
wisse Vorläufer derselben gegeben hat. Unter
diesem Begriff des „Sozialen" in Verbindung
mit dem Künstlerischen verstehe ich übrigens
keineswegs eine Kunstübung, die etwa den
unteren Schichten unseres Volkes gerecht wer-
den soll, vielmehr jene besondere Art von
Schöpfungen, die aus dem sozialen Leben,
aus dem Alltag und den Schicksalen der ar-
beitenden Klassen Anregungen und Motive
entnommen haben. Meuniers Bergwerkszenen,
Menzels „Eisenwalzwerk" sind in diesem Sinne
soziale Bilder, die vom Geiste ihrer Zeit ge-
zeugt, die malerische Schönheit eines Gebietes
zuerst erschlossen haben, das bis dahin noch
ein nie betretenes Land der Kunst gewesen ist.
Daß die Künstler unserer Tage sich bereits in
großem Maßstabe den Motiven des industriellen
Lebens zugewandt, lehrt jede unserer Ausstel-
lungen , und daß für die Folge noch mehr die

Kunst von eben jenem sozialen Geiste berührt
werden wird, ist um so wahrscheinlicher als
die allgemeine Entwicklung immer zielbewußter
auf eine Steigerung unseres kommerziellen und
industriellen Daseins hinarbeitet.

Da ist es denn doppelt interessant, an einem
dieser neuen Apostel der Arbeit die
Summe des Künstlerischen festzustellen, das
diese neuen Motive für sich umschließen und zu
erkennen, wie echte Kunst an sich niemals an
den Stoff gebunden ist, sondern ihre Werte erst
durch die Form und die Größe der künstle-
rischen Anschauung erhält. In dem Persön-
lichen des Empfindens liegt hier, mehr noch als
anderswo, der Gradmesser der Qualität ver-
borgen, und ein Beispiel, wie dasjenige des
Amerikaners Josef Pennell, beweist eklatant,
welche Aufgaben noch der kommenden Kunst
gewiesen sind, wenn sie sich eng mit dem ge-
heimsten Wollen einer Zeit eins weiß. Pennell
hat aber gerade für uns Deutsche noch einen
besonderen Reiz. Als gebürtiger Amerikaner

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