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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Hildebrand, Adolf von: Unsere neuen Burgen am Rhein: Zu den Radierungen von Josef Pennell
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0157

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Unsere neuen Burgen am Rhein.

den der Streit von Licht und Dunkel zum Aus-
druck seiner alle Weiten umspannenden Seele
wurde. Auch bei Penneil ist die Gegenwart
ganz zu Reflexion, zu malerischer Größe ge-
steigert. Diese Burgen am Rhein, die die Dy-
namik des Menschengeistes errichtet hat, ste-
hen wie riesenhafte Erscheinungen über dem
Werden des zwanzigsten Jahrhunderts, sie
haben symbolisch seine dynamischen Kräfte,
seinen Wirklichkeit gewordenen Prometheus-
willen künstlerisch umgedeutet. Sie sind ganz
Suggestion momentanen Erfassens, ganz Aus-
druck höchster Intuition. So wundervoll ge-
schlossen sie auch gerade in der Komposition
anmuten, — denn man kann ihnen wahrhaftig
alle Vorzüge des bildmäßig Vollendeten nach-
rühmen — so überaus großzügig erscheinen sie
in der Art, wie hier der Kolorismus reinster
Schwarzweißkunst ohne artistische Nebenge-
danken auf seine Kosten kommt. Inhaltlich aber
fassen sie eben jene Momente köstlich zu-
sammen, in denen sich am augenfälligsten die
ganze Größe unserer Zeit offenbart. In ge-
wissem Sinne ist es deshalb Menschenschick-

sal, was hier gestaltet wurde, Schicksal von
Tausenden unserer Brüder, deren Leben in dem
ungeheueren Getöse der Maschinen, in der von
Rauch gedämpften Atmosphäre verrinnt, lautlos
im ewigen Einerlei des Geschehens, zu dem
nur die entfesselten Kräfte der Erde eine immer
gleiche, eine immer grauenvoll erhabene Me-
lodie aufspielen. Und doch ist gerade dies eine
Etwas, was die Blätter in unser Bewußtsein
tragen, das Nichtumschriebene und doch Vor-
handene, allein das künstlerisch Bezwingende,
was immer von neuem den Blick zu ihnen
hinlenkt und der Phantasie des Betrachters
ungeahnte Weiten öffnet; es ist mit einem
Worte das mystische Element, das auch die
Modernität unserer Zeit siegreich überwindet.

Und ganz besonders, es ist ein neues Lied,
was hier dem alten Urvater Rhein gesungen
wird. Nicht die burgenüberkrönte Romantik
seines von Felsen eingedämmten Mittellaufes,
nicht der Zauber seiner rebenreichen Berge,
nicht die Schönheit seiner Städte, ist der Inhalt
dieses Gesanges, sondern die breiten flachen
Ufer des Niederrheines sind es, die auf ihren

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