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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Jaumann, Anton: Wohn- und Bibliothek-Raum von Eduard Pfeiffer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0161

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Possenbacher Werkstätten.

»WOHN- UND BIBLIOTHEKRAUM«

WOHN- UND BIBLIOTHEK-RAUM VON EDUARD PFEIFFER

AUF DER D.W.B.-AUSSTELLUNG CÖLN.

Alte Wohnräume muten uns oft so zeitlos
fl traulich an, daß wir uns verlockt fühlen,
trotz unserer modernen Anschauungen und un-
serer modernen Kleidung darin Platz zu nen-
nen und weiter zu hausen. Ihre Gestaltung ist
nur in geringem Grade vom Stil der Palast-
architektur bestimmt, man wird weder an Rom
noch an die französischen Könige erinnert —
alle Formen, alle Einzelheiten und die gesamte
Aufmachung scheinen geboren aus der Freude
am häuslichen Leben, aus der Liebe zu den
bescheidenen und nützlichen Dingen unserer
Umgebung, aus einer naiven Sinnen- und Fa-
bulierlust, aus der Poesie des Heims. Wir
nennen sie altmodisch, weil eben jene bürger-
liche Intimität altmodisch geworden ist, weil
Unsere Gedanken von Geschäften, Maschinen
und anderen modernen Dingen beherrscht sind.
Es ist eine andere Welt, wenn wir von einer
Großstadtstraße in solchen Raum treten, und
doch empfängt er uns sofort mit gastlicher Miene,
das Altmodische befremdet nicht, sondern er-

scheint fast wie die Verkörperung einer Sehn-
sucht, die in uns unbefriedigt bohrte, einer
Sehnsucht nach Ruhe, Sammlung und intimer
Poesie, wovon uns das moderne Leben so we-
nig gibt. Solange der Mensch noch mehr ist
als bloß rechnendes und unternehmendes Ge-
hirn, werden auch solche Gemütsregungen nie
ganz zu unterdrücken sein.

Pfeiffers Räume sind in diesem Sinne zeit-
los. Man begreift aber auch, wie gerade eine
moderne Großstadt solche Träumer hervor-
bringen mußte, die in der Auflehnung gegen
die Seelenlosigkeit der Moderne das Intime
bis zum Geheimnisvollen, die Liebe zum Kleinen
und Eigenartigen bis zur Schrulle steigern.

Pfeiffers Möbel sind der Gegenpol zu dem,
was man moderne Möbel nennt. Diese gehen
auf den technischen Typ aus, der sich aus dem
Zweck, der Konstruktion und dem architek-
tonischen Aufbau ergibt. Pfeiffer schafft Cha-
raktere. Nicht ihre technische Entstehung oder
Bestimmung gestaltet die Form, sondern ihr

1»14;16. U. 4.

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