Der Tastsinn in der Kunst.
STAATLICHE KUNSTGEWERBE-SCHULE ZU HAMBURG. DURCHBROCHENE ZIER-FÜLLUNG, HOLZSCHNITZEREI.
Gebilde, dessen mannigfaltige Elemente nur
eine eingehende Analyse unterscheiden kann.
Zunächst sind offenbar jene beiden Grund-
naturen des Menschen, daß er ein empfangen-
des und ein gebärendes, ein aufnehmendes und
ein aktives, ein sensorisches und motorisches
Wesen ist, aufs engste in der Hand verknüpft,
die das Hauptorgan des Tastsinnes ist. Alle an-
deren Organe sind ihrer Natur nach rein passiv,
ihre Eigentätigkeit kann sich über die Begierde
nicht hinaus erstrecken. Auge und Ohr können
verschlingen, aber nicht ergreifen. Allein die
Hand, in der (nach dem Prinzip der höchsten
Zweckmäßigkeit im biologischen Sinne) das
Getast mit seiner sensorischen Funktion aufs
engste an eine motorische geknüpft ist, kann
zugleich empfinden, begehren und zupacken.
Man wird zunächst, wenn man keine intellek-
tuellen Konfusionen liebt, diese beiden Mo-
mente aufs schärfste trennen müssen. Dann
bleibt immer noch die scheinbar unzweifelhafte
Tatsache, daß uns durch das Getast der Ge-
genstand unmittelbar und sicher gegeben ist,
während ihn das Auge und das Ohr nur in-
direkt wahrnehmen und darum Täuschungen
bis zu dem Grade unterliegen, daß sie das Vor-
handensein von Dingen behaupten, die in Wirk-
lichkeit nicht da sind. Die große Gruppe der
optischen und akustischen Täuschungen finde
keine Analogie im Gebiet des Tastsinnes. Alle
diese Sätze sind mehr auf einem auf völlig
mangelnde Erfahrung beruhenden Schein hin-
genommen als wirklich erwiesen. Der Unter-
schied zwischen der Wahrnehmung durch das
Getast und der durch das Auge ist kein wesent-
licher sondern nur ein gradueller. Was durch
das Tasten tatsächlich in unser Bewußtsein
kommt, ist durch die ganze Nervenbahn bis
148
STAATLICHE KUNSTGEWERBE-SCHULE ZU HAMBURG. DURCHBROCHENE ZIER-FÜLLUNG, HOLZSCHNITZEREI.
Gebilde, dessen mannigfaltige Elemente nur
eine eingehende Analyse unterscheiden kann.
Zunächst sind offenbar jene beiden Grund-
naturen des Menschen, daß er ein empfangen-
des und ein gebärendes, ein aufnehmendes und
ein aktives, ein sensorisches und motorisches
Wesen ist, aufs engste in der Hand verknüpft,
die das Hauptorgan des Tastsinnes ist. Alle an-
deren Organe sind ihrer Natur nach rein passiv,
ihre Eigentätigkeit kann sich über die Begierde
nicht hinaus erstrecken. Auge und Ohr können
verschlingen, aber nicht ergreifen. Allein die
Hand, in der (nach dem Prinzip der höchsten
Zweckmäßigkeit im biologischen Sinne) das
Getast mit seiner sensorischen Funktion aufs
engste an eine motorische geknüpft ist, kann
zugleich empfinden, begehren und zupacken.
Man wird zunächst, wenn man keine intellek-
tuellen Konfusionen liebt, diese beiden Mo-
mente aufs schärfste trennen müssen. Dann
bleibt immer noch die scheinbar unzweifelhafte
Tatsache, daß uns durch das Getast der Ge-
genstand unmittelbar und sicher gegeben ist,
während ihn das Auge und das Ohr nur in-
direkt wahrnehmen und darum Täuschungen
bis zu dem Grade unterliegen, daß sie das Vor-
handensein von Dingen behaupten, die in Wirk-
lichkeit nicht da sind. Die große Gruppe der
optischen und akustischen Täuschungen finde
keine Analogie im Gebiet des Tastsinnes. Alle
diese Sätze sind mehr auf einem auf völlig
mangelnde Erfahrung beruhenden Schein hin-
genommen als wirklich erwiesen. Der Unter-
schied zwischen der Wahrnehmung durch das
Getast und der durch das Auge ist kein wesent-
licher sondern nur ein gradueller. Was durch
das Tasten tatsächlich in unser Bewußtsein
kommt, ist durch die ganze Nervenbahn bis
148