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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Lux, Joseph August: Hodler gegen Hodler
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0206

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Hodkr gegen Hodler.

bar sein muß, oder das Publikum dem Künstler.
Wer von Beiden ist der mehr Beschenkte? Ich
erinnere an ein hübsches Wort, das ein könig-
licher Gönner zu Benvenuto Cellini gesprochen
haben soll: „Mein Freund, ich weiß nicht, wer
das größere Vergnügen haben möchte: ein Fürst,
der einen Mann nach seinem Herzen gefunden
hat, oder ein Künstler, der einen Fürsten findet,
von dem er alle Bequemlichkeiten erwarten
kann, seine großen und schönen Gedanken aus-
zuführen." Wohlweislich ist darin nicht von
Dank die Rede, sondern von Vergnügen. Also?

Erlassen wir dem Künstler die lästige, un-
fragwürdige Dankespflicht und beschränken wir
uns auf die einzig maßgebende Tatsache, daß
Hodler seine intellektuelle Pflicht gegen uns
verleugnet hat. Aus diesem Grund können wir
ebenso streng als gerecht sein. Die Künstler
haben ihn ohne Federlesen aus ihren Vereini-
gungen hinausgeworfen. Sie haben sich als
Patrioten gefühlt und das ist schön von ihnen.

Verurteilt ihn, richtet ihn! Macht den Mann
klein, wie er es verdient, aber verkleinert nicht
seine Kunst! Die Kunst ist Menschheitsbesitz
und wir haben eine patriotische Pflicht, diesen
Menschheitsbesitz zu wahren. Wir kämpfen um
unsere Selbstbehauptung, aber wir kämpfen
darum zugleich auch für Gesittung und Kultur.
Das ist unsere Größe und unsere Schönheit,
die wir auch dann nicht verleugnen dürfen,
weil Hodler ungehörig war. Qualität muß
unter allen Umständen Qualität blei-
ben. Wenn auch Hodler abtrünnig scheint,
seine Kunst ist und bleibt im Kern deutsch.
Gerade darum haben wir sie als ein Blutsver-
wandtes so innig an uns gerissen. Erinnern
wir uns doch: die Kartons zu den Lands-
knechtsbildern aus der Schlacht von Marignano
strotzen von deutscher Kraft. Die dynamische
Wucht des „Holzfällers", der rhythmische
Schwung des „Mähers", die Keuschheit der
Jünglings- und Mädchengestalten in früheren
Bildern, die Eurhythmie der mönchischen alten
Männer, zeugen für das unbewußt deutsche
Empfinden des Künstlers, es sind Kunstwerke
von dauerndem Wert. Das Jenenser Bild „Aus-
zug der Studenten in den Befreiungskampf" ist
aus dem richtig erfühlten Sinn für die elemen-
tare deutsche Volksbewegung erfaßt, und neben-
bei ist es ein monumentales Werk von großer
stilvoller Schönheit. Wir haben diese Werke
gestern gutgeheißen wegen ihrer unzweifel-
haften großen Könnerschaft, und dürfen sie nicht
heute verlästern, wenn wir uns nicht in Wider-
spruch zu uns selbst setzen wollen und in Wider-
spruch zur Kunst überhaupt. Wir ereifern uns ja
gerade deshalb so sehr gegen Hodler, weil er un-

sere Achtung vor der Kunst in Zweifel setzen zu
müssen glaubte. Wir protestieren gegen diesen
schmählichen Verdacht und rechnen die go-
tischen Dome in Frankreich ebensogut wie die
Werke des Engländers Shakespeare zu den
Gegenständen unserer Verehrung. Bei aller
Wahrung des künstlerischen Abstandes nach
Rang und Zeit gehören auch die Hodler'schen
Bilder, mögen sie neben diesen Domen und
diesen Dichtungen noch so klein erscheinen,
als Kunstwerke unbedingt zu dem Menschheits-
besitz, den wir verteidigen. Unser Kunstgefühl
duldet keine Parteilichkeit in diesen Dingen.
Verdammen wir Hodler als Protestler, aber
bleiben wir seiner Kunst gerecht, sonst be-
kräftigen wir seinen Vorwurf. Wenn uns die
Ausländerei nichts Übleres beschert hat als
diese Kunst, dann wohl uns! Unterscheiden
wir genau, zwischen dem fremden Mist, gegen
den wir uns nie streng genug gewappnet haben
und zwischen künstlerischen Offenbarungen des
menschlichen Genius, der der Welt und somit
Allen angehört. Unterscheiden wir zwischen der
Sache und der Person! Zwischen dem Künstler
Hodler und dem Menschen Hodler. Es ist auch
jetzt nicht die Zeit, daß die Kleinen trium-
phieren, weil ein Großer gefallen ist, diese
Kleinen, die immer glauben machen, sie könnten
nichts Bedeutendes leisten, weil ihnen dieser
verhaßte Große angeblich den Weg verstellt.
Als wahre Patrioten dürfen wir nicht wünschen,
daß die Kunstblinden und Banausen jetzt das
große Wort führen, wenn wir nicht wollen, daß
der deutsche Genius an Höhe verliert. Gerade
in dieser Zeit wollen wir seine Höhe vor aller
Welt beweisen!

Mögen kurzsichtige ausländische Künstler
und Dichter auf uns schimpfen, wir werden
uns hüten, auf ihre niedrige Stufe zu sinken
und es ihnen gleichzutun; wir wollen die Besse-
ren bleiben und unserer höheren Menschheits-
aufgaben unbeirrt bewußt sein. Wir wollen
nicht vergessen, daß der Krieg doch nur einen
Zweck hat, nämlich den Frieden, und daß wir
uns hernach wieder die Hände reichen und zur
gemeinsamen Kulturarbeit entschließen müssen,
in der wir immer wieder auf einander ange-
wiesen sein werden. Das wird unsere Ehre
von morgen sein, die wir uns heute nicht selber
abschneiden wollen. Patriotisch sind alle Werke
und Gesinnungen, die dem Vaterlande from-
men; am höchsten aber steht der Patriotismus,
dessen Liebe zum Vaterlande mit dem Geist
der Menschheit gesättigt ist.

Drum also maßregelt Hodler, wenn Ihr ihm
seinen Fehltritt durchaus nicht verzeihen
könnt; — aber ehret seine Kunst!.....

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