Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

DOI Artikel:
Bredt, Ernst Wilhelm: Worauf es ankommt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0259

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Woratif es ankommt.

ARCHITEKT HEINRICH STRAUMER—BERLIN.

LANDHAUS DR. GOLDSCHMIDT GROSS-LICHTER FELDE. HERRENZIMMER.

Einen alleingültigen Typus schaffen wollen für
Möbel, für Gebrauchskunst, womöglich noch
für Häuser und Städte heißt doch nichts anderes
als den Geschmack durch Polizeiparagraphen
festlegen. — Daß Künstler so etwas wollen,
Künstler eines modernen, freien Staates, nicht
etwa Zunftmeister, nicht theoretisierende und
ästhetisierende Gelehrte, das wirft auf die Er-
fahrung unserer Künstler aus anderen Zeiten
ein schlechtes Licht.

Geschmack zu haben ist Sache des Pub-
likums , nicht der Künstler — ist Sache der
Praxis, nicht der Theorie und des Dogmas.
Aber unsere Bildner sind Geschmackspolizisten
geworden und die, die tüchtig sich umschauten
unter den früheren Bildnern, müssen den
Künstlern Freiheit lehren. — Unter den letzten
französischen Königen war freilich erst der,
dann der Schrank, Sessel, Raum geschmacklich
maßgeblich. Der Typus Louis XIII., XIV., XV.,
XVI.; aber nicht theoretisch entstand der Stil
— er entstand aus dem Geschmack des Publi-
kums, d. h. eines Königs, der sagen konnte,
udas Publikum, das bin ich". — Die Praxis,

die Aufträge schufen ihn — nicht Theorie.
— Wie soll nun des Künstlers Tat bewertet
werden? Nach was? Wenn nicht Schönheit,
nicht Geschmack entscheidet, nicht Richtung
und Modernität, nicht Typus? Die Geschichte
ist das Weltgericht. Das sagt alles.

Die Kunstgeschichte hat auf die Dauer kei-
nem anderen Achtung, Interesse, Ruhm, Freude
gezollt als dem Künstler von eigener, aber fest-
gefügter Art, von starkem Charakter.

Auf Charakter also kommts an. Auf
nichts weiter, nicht auf Formen und Normen,
nicht auf scheinbare oder tatsächliche Gegen-
sätzlichkeit zu den Idealen der Zeit oder zu
dem vorgefaßten, unfaßbaren Begriff der Mo-
dernität. — Es ist notwendig zu sagen, daß
auch heute das Schaffen des Künstlers — seine
Bewertung als Charakter — durch nichts getrennt
wird von den Charakteren anderer Gestalter
des Staates, der Religion, der Feldzüge, der
Organisationen und aller Taten und Gedanken.

Und Charaktere zu erkennen ist auf keinem
Gebiete leicht, es verlangtimmer scharfe Augen,
guten Einblick in des Gestalters Ideale, Motive.

237
 
Annotationen