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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Krischen, Fritz: Ausstellung 35.000 Zinn-Soldaten: Im Hohenzollern-Kunstgewerbehaus, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0343

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Ausstellung J5 ooo Zinnsoldaten.

Thermopylä und Salamis, Alexander und Han-
nibal, Arminius oder der Alte Fritz, treten als
greifbare Gestalten vor ihn. Er kann sich vieles,
was zunächst nur Zahl und Wort für ihn war,
zu einem Bilde aufbauen, das vielleicht sehr
naiv, doch so lebendig sein kann, wie er es
braucht, und so vieles, was ihm als Lehrstoff
eher verhaßt war, wird seinem Herzen durch
ein geliebtes Spiel nahe gebracht werden.

Man wird dies alles zugeben und doch fragen
wollen, warum gerade ein Haus, das der För-
derung von Kunst und Kunstgewerbe dienen
soll, für die Belebung der Historie im Denken
des Kindes durch diese Ausstellung eintritt.
Nun, die Sache hat auch noch eine andere Seite.
Wer diese Mengen bunt bewegter Figürchen
betrachtet, wird bald merken: Es ist auch
Kunst bei diesem Spielzeug, und etwas wie
Kunst soll sich im Spiele selbst entfalten. Ein
Knabe mit offenen Augen wird einem kunter-
bunten Aufstellen schön geordnete Massen und
wirkliche Bilder vorziehen. Übrigens sind man-
che Figürchen von namhaften Historienmalern
geschaffen oder wenigstens den Figuren be-
rühmter Künstler wie Menzel nachgebildet. In-
dessen ist diese Ausstellung nicht als Reklame
für eine Bleisoldatenfabrik gemeint, und dem
gern geäußerten Lobe muß die Kritik folgen,
daß an den neueren Modellen eher ein Nach-
lassen des künstlerischen Wertes zu spüren ist.
Im ganzen ist jedoch genug da, womit etwas
anzufangen ist. Immerhin möchten wir, die wir
dem Bleisoldaten eine neue Zukunft prophe-
zeien, diese Ausstellung vor allem als Anregung
betrachtet wissen, diesem Spiel noch mehr, wie
geschehen ist, abzugewinnen. Wir denken dabei
weniger an die Kenntnisse geschichtlicher Vor-
gänge, von Personen und Kostümen, als an die
Fertigkeiten, die im Umgange mit dem Blei-
soldaten erworben werden können. Nehmen
wir ein Beispiel. Das Bemalen der Figuren ist

kostspielig; wie wäre es, wenn man die Sol-
daten unbemalt in den Handel brächte, jeder
Sorte ein kleines farbiges Blatt mit kurzem Text
beilegte, der natürlich auch der historischen
Belehrung dient, und es dem Jungen so ermög-
licht, selbst die Figuren zu bemalen. Daß Far-
bensinn, Gefühl für die Form des Gegenstandes
und Geschicklichkeit gefördert werden, liegt
auf der Hand, abgesehen davon, daß einem
Jungen nichts mehr Vergnügen macht, als sein
Spielzeug selbst herzustellen.

Wir möchten mit unseren Wünschen noch
weiter und über das unmittelbare Bereich des
Bleisoldaten hinausgehen.

Kügelgen erzählt aus seiner Kindheit, wie
ihm einmal ein Hauslehrer die größte Freude
damit bereitet habe, daß er ihm aus Papier die
Stadt Konstantinopel aufbaute. Liegt es nicht
nahe, solche Bauten, die an Winterabenden
einen ganzen Freundeskreis zu beschäftigen
vermögen, nun einmal für die Bleisoldaten zu
errichten? Festungen, Häuser und Tempel,
Schiffe und Belagerungswerke können da ge-
bastelt werden. Damit diese Dinge wirklich
historisch richtig und künstlerisch angenehm
ausfallen, wäre eine besondere Anleitung nötig,
die aber in Form von Heftchen mit Vorbildern
und Beschreibung leicht zu geben ist, vielleicht
im Zusammenhang mit bestimmten Sortierungen
der Soldaten. Solche Handarbeiten würden
gewiß manchem künftigen Architekten oder In-
genieur, manchem Kunstgewerbler eine wert-
volle Vorschule sein.

Wir hätten gern in Kürze gezeigt, daß der
tapfere Bleisoldat nicht bloß das Spielzeug des
dereinstigen Generals ist, sondern eine allge-
meine Beachtung erhoffen darf, und wünschen,
daß diese Ausstellung nicht allein dem guten
Zwecke dient, dem sie gewidmet ist, sondern
auch mancherlei Anregungen für Erziehung und
Unterricht bieten möge.

DR. FRITZ KRISCHEN.

»ZINNSOLDATEN« REITER UND BOGENSCHÜTZE.

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