DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Fortschritt im Künstlerischen
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0395
Fortschritt im Künstlerischen.
Ganz anders aber steht es mit den Gütern,
die von der inneren, seelischen Schöpfer-
kraft des Menschen abhängen. Es sind dies
die ästhetischen und ethischen Werte,
die Güter der Kultur. Sie wechseln und
wandeln sich keineswegs nach dem einfachen
Grundsatze der Verdrängung des Geringeren
durch das Höhere, sondern für ihre Entwick-
lung sind geheimnisvolle und dem Menschen
oft nicht nachprüfbare Gesetze maßgebend.
Die regste Tätigkeit des Erfindergeistes bildet
unter Umständen keinen Gegenbeweis gegen
die seelische Erschlaffung einer Zeit. Barbaren-
tum ist unter der Herrschaft der Glühbirne
eben so gut möglich wie unter der des Kien-
spans. Nicht das höchste Wissen und, was selt-
samer ist, nicht die schönsten Überlieferungen
schützen dagegen. Es ist sicherlich eine der
erstaunlichsten Erscheinungen der Kulturge-
schichte, daß gute kulturelle Überliefe-
rungen so oft spurlos verloren gehen.
Und dies nicht nur in Zeiten, die über mangel-
hafte Erhaltungsmittel verfügten. Man braucht
also nicht bloß beim Verluste gewisser Tech-
niken der Glasmalerei oder der Metall-Bear-
beitung stehen zu bleiben. Hier könnte man
an ein einfaches Versagen des Milteilungs-
apparates denken, da ja die betreffenden Ver-
fahren und Rezepte nicht schriftlich aufbewahrt
wurden. Oder man könnte dem großen Kriege,
dem Unterbrecher aller guten deutschen Über-
lieferungen, die Schuld geben. Aber alle diese
Erklärungsgründe treffen nicht zu bei dem bei-
spiellosen Niedergange unserer Buchkultur
im neunzehnten Jahrhundert. Jeder kennt die
hier in Betracht kommenden Tatsachen : noch
die dreißiger, noch die vierziger Jahre kannten
das in den Drucktypen gute, in der Druck-
GEMALTER NIEDERER SCHRANK. MALEREI V.FRANZ MEIER-BERLIN, FA. MEIER & WEBER, DEKORATIONSMALER.
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Ganz anders aber steht es mit den Gütern,
die von der inneren, seelischen Schöpfer-
kraft des Menschen abhängen. Es sind dies
die ästhetischen und ethischen Werte,
die Güter der Kultur. Sie wechseln und
wandeln sich keineswegs nach dem einfachen
Grundsatze der Verdrängung des Geringeren
durch das Höhere, sondern für ihre Entwick-
lung sind geheimnisvolle und dem Menschen
oft nicht nachprüfbare Gesetze maßgebend.
Die regste Tätigkeit des Erfindergeistes bildet
unter Umständen keinen Gegenbeweis gegen
die seelische Erschlaffung einer Zeit. Barbaren-
tum ist unter der Herrschaft der Glühbirne
eben so gut möglich wie unter der des Kien-
spans. Nicht das höchste Wissen und, was selt-
samer ist, nicht die schönsten Überlieferungen
schützen dagegen. Es ist sicherlich eine der
erstaunlichsten Erscheinungen der Kulturge-
schichte, daß gute kulturelle Überliefe-
rungen so oft spurlos verloren gehen.
Und dies nicht nur in Zeiten, die über mangel-
hafte Erhaltungsmittel verfügten. Man braucht
also nicht bloß beim Verluste gewisser Tech-
niken der Glasmalerei oder der Metall-Bear-
beitung stehen zu bleiben. Hier könnte man
an ein einfaches Versagen des Milteilungs-
apparates denken, da ja die betreffenden Ver-
fahren und Rezepte nicht schriftlich aufbewahrt
wurden. Oder man könnte dem großen Kriege,
dem Unterbrecher aller guten deutschen Über-
lieferungen, die Schuld geben. Aber alle diese
Erklärungsgründe treffen nicht zu bei dem bei-
spiellosen Niedergange unserer Buchkultur
im neunzehnten Jahrhundert. Jeder kennt die
hier in Betracht kommenden Tatsachen : noch
die dreißiger, noch die vierziger Jahre kannten
das in den Drucktypen gute, in der Druck-
GEMALTER NIEDERER SCHRANK. MALEREI V.FRANZ MEIER-BERLIN, FA. MEIER & WEBER, DEKORATIONSMALER.
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